Der Porenapparat der Desmidiaceen

Begonnen von Martin Kreutz, Februar 16, 2014, 20:36:23 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

vor einige vielen Jahren habe ich mal bei einem Mikroskopikertreffen in Schladming meine Beobachtungen am Porenapparat der Desmidiaceen vorgestellt. Damit das nicht alles auf meiner Festplatte dahin dämmert, stelle ich meine Befunde hier ein.

Die Schleim/Gallert-Bildung bei Desmidiaceen (und auch anderen Algen) ist ein wohl bekanntes Phänomen, wie man an folgendem Exemplar von Xanthidium antilopaeum mit seiner prächtigen Gallerthülle sehen kann:



Die Gallertbildung kann nicht nur radiärsymmetrisch wie bei Xanthidium sein, sondern auch gerichtet, z.B. am Zellenende. Dadurch resultiert eine gerichtete Bewegung der Alge, die sicher viele hier im Forum schon beobachtet haben.

Aber wie genau geht die Bildung der Gallerthülle vor sich!? Wie schafft es die Zelle die Gallerte "durch die Zellwand zu drücken"? Betrachtet man eine Desmidiacee bei hoher Vergrößerung, wie z.B. die folgende Mircasterias rotata, so erkennt man merkwürdige "Pocken" auf der Oberfläche. Es handelt sich um Poren:



Diese Poren, oder besser Porenkanäle, können leicht angefärbt werden durch den basischen Farbstoff Kristallviolett (die Gallerte/Schleim ist sauer). Dadurch können diese Kanäle in der Zellwand leicht sichtbar gemacht werden:



Ältere Zellen haben durch ihre Porenkanäle schon eine Gallertschicht ausgebildet. Zweck dieser Gallerte ist wahrscheinlich nicht nur eine Bewegung zu erzeugen, sondern auch ein Bakteriumwachtum auf der Zelloberfläche zu verhindern. Junge Zellen müssen diese Gallertschicht erst ausbilden, was man besonders schön bei Zellteilungen sehen kann. Die jüngeren Zellhälften erscheinen nach einer Färbung mit Kristallviolett heller:



Die Porenkanäle der Desmidiaceen sind komplizierte Organellen. Elektronenmikroskopisch erkennt man, dass der Porenkanal durch einen Porenfaden ausgekleidet ist, der extern in einem Porenköpfchen endet. Nach intern besitzt der Porenkanal eine Art "Stopfen", den man Porenzwiebel nennt. Das Gallertmaterial wird durch Chondriosomen herantransportiert, in den Gallerthof integriert und nach extern ausgescheiden. Dort bildet sich ein Gallertkegel (auch Gallertprisma genannt). Ich habe diesen Sachverhalt mal versucht grafisch darzustellen:



Dieser Aufbau lässt sich auch lichtmikroskopisch studieren. Als Modellorganismus habe ich Pleurotaenium trabecula verwendet. Nach Anfärbung mit Kristallviolett ergibt sich folgendes Bild einer Halbzelle:



Die Poren sind gleichmäßig über der Zelloberfläche verteilt. Nur in am Isthmus ergibt sich eine auffällige Anordnung (rechtes Bild):



Fokussiert man nun auf den Zellrand, so erkennt man, dass die Porenkanäle offensichtlich doppelt, zweischichtig erscheinen. Hier erkennt man lichtmikroskopisch den außen liegenden Porenkopf und die innen liegende Porenzwiebel:



Presst man eine lebende Zelle unter dem Deckglas, so lässt sich der Porenapparat samt Porenfaden von der Zelloberfläche abpressen. Im Idealfall (ich gebe zu, man muss einige Exemplare pressen, bis man es so sieht wie im folgenden Bild) breitet sich die abgesprengte Gallerte samt den darin eingesprengten Porenkanälen wie eine abgezogene Haut neben der Zelle aus:



Die Gallertkegel, welche aus den Porenkanälen herausquellen, bilden sogenannte Gallertprismen, wenn sie so dicht stehen, dass sie ein regelmäßiges, polygonales Muster bilden. Bei Pleurotaenium trabecula kann man dieses Muster von Gallertprismen gelegentlich auch ohne Anfärbung lichtmikroskopisch erkennen. Im folgenden Beispiel sind durch den Azimuth-Effekt des DIK nur die longitudinalen Grenzen zwischen den Gallertprismen erkennbar:



Ich weiß, dass sich viele Forumsmitglieder und -mitleser mit Desmidiaceen beschäftigen, auch aus ästhetischen Gründen. Die hier gezeigten Färbungen und Untersuchungen sind leicht durchzuführen. Vielleicht eine Anregung für eigene Versuche!?

Viel Spass beim anschauen und selber schauen!

Martin

Eckhard

Hallo Martin,

danke für die schöne Dokumentation. Im REM sehen die Poren wie Warzen aus :D

Herzliche Grüsse
Eckhard



Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Bernhard Kaiser

Guten Morgen Herr Kreutz,

besten Dank für diese Darstellung. Ich erinnere mich noch an Ihren Vortrag 1996 in Schladming.

Freundliche Grüße
Bernhard Kaiser

RainerTeubner

#3
Hallo,

ich habe den Versuch mit der Micrastrias-Zieralge und Kristallviolett nachgearbeitet.



Man kann eine Porenreihe erkennen. Vermutlich war ich mit der Dosierung des Kristallvioletts zu vorsichtig.

Viele Grüße

Rainer

Hallo Martin,

kannst Du jetzt das Bild sehen? Die Vorschau hat bei mir jedenfalls immer funktioniert.
Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

Martin Kreutz

Hallo Rainer,

leider kann ich kein Bild sehen! Evtl. ist der link fehlerhaft! Was die Dosierung des Kristallvioletts angeht, so habe ich eine recht dünne Lösung genommen, damit die Anfärbung differenzierter wird. Das war jedenfalls meine Erfahrung.

@ Bernhard Kaiser: Ja, kann auch Schladming gewesen sein. Die Bilder sind schon etwas älter. Aber ich kann mich noch genau erinnern, wie ich hier mit dem Kristallviolett hantiert habe (immer schön vorsichtig).

Schönen Abend!

Martin

Tausendblatt

#5
Hallo Martin,

schöner Beitrag, sehr interessante Aufnahmen. :-)
Ich hatte da bisher nur mit Tusche experimentiert
(http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=16370.msg125811#msg125811),
aber Kristallviolett möchte ich auch mal probieren...
Sehr gut erkennt man die Poren auch an leeren Hüllen.

Beste Grüße

Jens

Bernhard Kaiser

#6
Hallo Herr Kreutz,

ZitatJa, kann auch Schladming gewesen sein.

es war in Schladming und Bodmann.

@Jens, Kristallviolett ist in Kopier - oder Tintenstiften enthalten. Einfach die Stiftspitze in dem. H2O tauchen.

Grüße
Bernhard Kaiser

Martin Kreutz

Hallo Rainer,

ich kann jetzt Dein Foto sehen. Du hast offensichtlich auf den Zellwand-Rand fokussiert und nicht auf die Zelloberfläche. Daher interpretiere ich Dein Bild so, dass Du die Poren auf dem lateren Zellscheitel erwischt hast. Sie scheinen perlschnurförmig angeordnet. Hast Du noch Fotos der Zelloberfläche gemacht (ich meine jetzt speziell die Dir zugewandte Oberseite)?

Martin

RainerTeubner

Hallo Martin,

ich habe eine ganze Menge Micrasterias photographiert, um die Bilder der Alge zu stacken. Sie ist meiner Meinung nach ein gut geeignetes Objekt, da sie recht flach ist. In einer Probe war eine Closterium-Alge durch den Deckglasdruck bereits zerplatzt, die Micrasterias lag eben ausgerichtet unter dem Deckglas. Lt. "Wassertropfen" sind sie ca. 50 Micrometer dick.

Leider habe ich den Porenapparat in den Photos nicht so recht finden können, vermutlich habe ich mit dem Kristallviolett zu vorsichtig agiert oder eine große Menge des Farbstoffs wurde vom reichlich vorhandenen Detritus absorbiert, der war nämlich leuchtend violett gefärbt.

Viele Grüße

Rainer
Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

r.lenzenweger

Hallo Martin,
Gratulation für diesen, besonders auch für mich sehr interessanten Beitrag!
Liebe Grüße
R. Lenzenweger