Bryometopus viridis im Sphagnumrasen

Begonnen von Martin Kreutz, April 17, 2015, 20:06:57 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

ich hatte kürzlich nach über 14 Jahren ein Wiedersehen mit Bryometopus viridis, einem schönen, grünen Ciliaten, der zu den Colpodea gehört. Der Fundort ist wieder das Simmelried im Tümpel 2, wo ein Rasen von Sphagnum Moos von Wasser bedeckt war (Pfeile):



Dieser überflutete Rasen sah etwas "trüb" aus, als wenn sich zwischen den Spagnumblättern etwas angesiedelt hätte. Ich habe eine Matte davon ausgepresst und die ausfließende "Gemüsebrühe" untersucht. Die Ciliaten sammeln sich nach kurzer Zeit bereits an der Wasseroberfläche, wo man sie leicht absammeln kann.
Der Fundort ist völlig homogen mit dem locus classicus dieser Art, einem Moor in der Nähe von Besse-en-Chandesse in Frankreich, wo Groliere ihn 1977 ebenfalls in untergetauchten Sphagnum fand. Die Zahl der nachgewiesenen Funde hält sich seitdem in Grenzen. Ein Nachweis kommt z.B. aus Kitzbühel von Angie:

http://moor-impressionen.at/GALERIEN/pic-1000147.htm

Bryometopus viridis kann vom Anfänger schnell mit Paramecium bursaria verwechselt werden, obwohl die Art viel schneller und um die Längsachse rotierend schwimmt. Beim fotografieren gibt sich Bryometopus etwas zickig, da er das Deckglas nicht so richtig mag. Da ich aber hunderte Probanden hatte, gelangen einige Fotos mit Ölimmersion. Auffallendstes Merkmal ist die von links nach rechts verlaufende Mundöffnung im vorderen Drittel. In ihr liegt die adorale Membranellenzone, welche die Nahrung wie auf einer Autobahn in diesem "Graben" zur Nahrungsvakuole befördert. In der folgenden Aufnahme, von der ich selber ganz angetan bin, kann man die dreidimensionale Struktur der Mundöffnung und wie sie ins Zellinnere "versinkt", gut erkennen:



Auf der Rückseite sieht man schräg verläufende Cilienreihen (Kineten), welche die gleiche, schräge Neigung zur Körperachse haben, wie die Mundöffnung. Dadurch erzeugt Bryometopus einen Wasserstrom, der parallel der Orientierung der Mundgrube verläuft und so optimale Bedingungen für das Einstrudeln von Nahrungspartikeln schafft:



Fängt man an, die Zelle etwas zu drücken, erkennt man gut die leiterartige, adorale Membranellenzone (AZM) in der Mundgrube, den Makronukleus (Ma) und die zentral gelegene kontraktile Vakuole (KV):



Erst in einem stark gepressen Exemplar, welches bereits zerlaufen ist, lassen sich die separierten Zoochlorellen genauer betrachten. Die Zoochlorellen der meisten grünen Ciliaten sind noch nie untersucht oder beschrieben worden. Da ist noch Raum für viele Entdeckungen. Im Falle von Bryometopus viridis erkennt man vermeintlich den alten Bekannten Chlorella, aber auch längliche Zellen (Pfeilköpfe im folgenden Bild):



Um welche Symbionten es sich wirklich handelt und ob die länglichen Zellen auch Symbionten sind, kann man fast nur molekularbiologisch beantworten.

Viel Spass beim anschauen und allen einen schönen Abend!

Martin









piu58

Wunderbare Bilder und ein anschaulicher Einblick in die Physiologie. Die Symbionten genauer zu unetrsuchen - eine gute Idee. Könnte man ja bei jedem grünen Pantoffeltierchen machen.
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe

Eckhard

#2
Hallo Martin,

wie immer sehr schick und gut dokumentiert - herzlichen Dank.

Soweit mir bekannt ist gehören die untersuchten Symbionten alle zu der Gruppe der Trebouxiophyceae. Interessant ist dabei, dass die Partner der symbiontischen Algen überall im Stammbaum des Lebens verstreut sind.

Trebouxiophyceae (Friedl 1995)
* Trebouxiales (Friedl 1995): Symbionten in Flechten und Seeanemonen  
* Chlorellales (Bold and Wynne 1985): Symbionten in Protisten

Die Symbiosepartner der Chlorella kommen aus sehr unterschiedlichen (und sehr alten) Gruppen (Alveolata, Amoebozoa, Stramenopiles und Cercozoa). Trotzdem ist die genetische Varianz der Chlorella-Symbionten sehr gering. Aus diesem Grunde nimmt man an, dass diese Symbiose erst seit "kurzer" Zeit möglich ist.  

Herzliche Grüsse,
Eckhard

PS: Gefundene Chlorella in Paramecium bursaria sind C. vulgaris und C. variabilis.
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Martin Kreutz

Hallo Uwe,

dies bei jedem Individuum eines grünen Parameciums zu machen (und ich nehme an, Du sprichst hier speziell von Paramecium bursaria) ist nicht sinnvoll, da man schon weiß, dass diese Art mit Chlorella in Symbiose lebt (wie Eckhard auch schreibt). Man wird also in allen Individiuen von Paramecium bursaria die gleichen Algen finden. Interessanter ist es, die symbiontischen Algen in noch nicht untersuchten Ciliaten zu betrachten. An einem solchen Fall war ich selbst beteiligt und es kam ein erstaunliches Ergebnis dabei heraus. Im Jahre 2009 fand ich Paramecium chlorelligerum, eine Art, die Paramecium sehr ähnlich sieht, bisher jedoch nur von Kahl beschrieben wurde. In Zusammenarbeit mit Wilhelm Foissner ist die Art komplett neu beschrieben und sehr gründlich untersucht worden. Dazu zählte auch die Identifizierung der Zoochlorellen. Ich habe alle Zählungen und lichtmikroskopischen Untersuchungen beigetragen. Hier ein direkter Vergleich der Zoochlorellen von Paramecium bursaria (links) und Paramecium chlorelligerum (rechts) im gleichen Größenverhältnis:



Lichtmikroskopisch erkennt man nur, dass die Algen in P. chlorelligerum größer und etwas ovoid sind. Eine Identifizierung ist lichtmikroskopisch nicht möglich. Molekularbiologisch kam heraus, dass die Algen in Paramecium chlorelligerum der Gattung Meyerella angehören, einer wenig untersuchten Algengattung. Wer mehr lesen will:

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3866650/

Das lässt tief blicken. Nahe verwandte Ciliaten, welche auch noch ähnlich aussehen, können ganz verschiedene Gattungen von symbiontischen Algen tragen. Wie es zu solchen Entwicklungen kommt, ist schwer zu sagen, aber ein interessantes Thema.

Schönen Abend!

Martin

Eckhard

Hallo Martin,

erstmal herzlichen Glückwunsch zu dieser fantastischen Arbeit zu Paramecium chlorelligerum.

Meyerella gehört ja auch zu Chlorellales. Diese Algengruppe kann anscheinend Nahrungsvakuolen "umprogrammieren". 

Herzliche Grüsse,
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Ole Riemann

Hallo Martin,

vielen Dank für den Hinweis auf diese hochspannende Arbeit mit tollen Fotos und Zeichnungen - die werde ich beizeiten genauer lesen.

Viele Grüße

Ole



Zitat von: Martin Kreutz in April 18, 2015, 21:48:39 NACHMITTAGS
Hallo Uwe,

dies bei jedem Individuum eines grünen Parameciums zu machen (und ich nehme an, Du sprichst hier speziell von Paramecium bursaria) ist nicht sinnvoll, da man schon weiß, dass diese Art mit Chlorella in Symbiose lebt (wie Eckhard auch schreibt). Man wird also in allen Individiuen von Paramecium bursaria die gleichen Algen finden. Interessanter ist es, die symbiontischen Algen in noch nicht untersuchten Ciliaten zu betrachten. An einem solchen Fall war ich selbst beteiligt und es kam ein erstaunliches Ergebnis dabei heraus. Im Jahre 2009 fand ich Paramecium chlorelligerum, eine Art, die Paramecium sehr ähnlich sieht, bisher jedoch nur von Kahl beschrieben wurde. In Zusammenarbeit mit Wilhelm Foissner ist die Art komplett neu beschrieben und sehr gründlich untersucht worden. Dazu zählte auch die Identifizierung der Zoochlorellen. Ich habe alle Zählungen und lichtmikroskopischen Untersuchungen beigetragen. Hier ein direkter Vergleich der Zoochlorellen von Paramecium bursaria (links) und Paramecium chlorelligerum (rechts) im gleichen Größenverhältnis:



Lichtmikroskopisch erkennt man nur, dass die Algen in P. chlorelligerum größer und etwas ovoid sind. Eine Identifizierung ist lichtmikroskopisch nicht möglich. Molekularbiologisch kam heraus, dass die Algen in Paramecium chlorelligerum der Gattung Meyerella angehören, einer wenig untersuchten Algengattung. Wer mehr lesen will:

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3866650/

Das lässt tief blicken. Nahe verwandte Ciliaten, welche auch noch ähnlich aussehen, können ganz verschiedene Gattungen von symbiontischen Algen tragen. Wie es zu solchen Entwicklungen kommt, ist schwer zu sagen, aber ein interessantes Thema.

Schönen Abend!

Martin