Stephanosphaera / Haematococcus

Begonnen von Christian Linkenheld, April 22, 2010, 17:46:35 NACHMITTAGS

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Christian Linkenheld

Hallo,

angeregt durch diesen Beitrag (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=5233.0) habe ich am letzten Wochenende einmal wieder die Burgruine Drachenfels im Wasgau aufgesucht. Wer den Mikrokosmos aus dem Jahr 1989 hat kennt evtl. die dortigen Veröffentlichungen von Heinz Schneider zu Stephanosphaera (Heft 4 April 1989 S. 97-103: "Geißelalgen aus Gesteinsmulden" und Heft 10 Oktober 1989 S. 295-299: "Fundstellen der Kranzkugel Stephanosphaera in der Pfalz").

Der Drachenfels ist eine Felsenburg in der Südpfalz unweit der Grenze zu Frankreich. Typisch für diese Region sind teils schroffe Felsformationen im dortigen Buntsandstein. Diese sitzen in schöner Regelmäßigkeit den dortigen Bergen als zusätzliche Erhebung auf. Nicht wenige dieser Felsen wurden im Mittelalter zu Felsenburgen ausgebaut. Hierbei wurde der eigentliche Felsen oftmals komplett überbaut und übernahm eine Art "Skelettfunktion" für die gesamte Konstruktion. Praktisch sämtliche Burgen aus dieser Zeit sind nur noch als Ruinen erhalten - so auch der Drachenfels, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts zerstört wurde. Neben Mauerresten und künstlich geschaffenen Höhlen zeugen heute noch Balkenlöcher im Sandstein von der ehemaligen Überbauung des Felsens. Diese Balkenlöcher sind die gesuchen Biotope von Stephanosphaera, da sie periodisch mit Regenwasser gefüllt werden um dann wieder auszutrocknen.


Abbildung 1: Burgruine Drachenfels (Ostseite) - man sieht, dass der Felsen sich in mehrere Niveaus gliedert. Im Mittelalter war das gesamte Felsmassiv überbaut.


Zunächst habe ich auf meiner Suche die gleichen Stellen aufgesucht, die ich aus dem Bereicht von Heinz Schneider identifizieren konnte. Die nachfolgende Abbildung zeigt den Bereich, der von ihm 1989 im Mikrokosmos beschrieben wurde. Dort findet sich auf Seite 297 ein Foto der damaligen Fundorte mit fast identischer Perspektive. Von mehreren Balkenlöchern war diesmal allerdings nur eines wasserführend (siehe Markierung im nachfolgenden Bild).


Abbildung 2: Bereich mit den Balkenlöchern, in denen Heinz Schneider 1989 Stephanosphaera finden konnte.


Das folgende Bild zeigt nun dieses einzige wasserführende Balkenloch aus diesem Bereich. Man sieht, dass sich am Grund des Balkenloches fädige Algen befinden.


Abbildung 3: wasserführendes Balkenloch. Aus diesem Balkenloch entnahm ich eine Probe. In dieser Probe konnte ich später zu Hause allerdings keine einzige Stephanosphaera entdecken. Auch Haematococcus war hier nicht aufzufinden.


Auf dem höchsten Niveau des Drachenfelses (in Abbildung 1 der Gipfelbereich) findet sich eine Zisterne. Diese kenne ich von früheren Besuchen nur wassergefüllt und von Algen intensiv grün gefärbt. Der gleiche Anblick bot sich auch jetzt wieder. Ich gehe davon aus, dass die Zisterne nur in extrem trockenen Sommern austrocknet. In dem Bericht von Heinz Schneider findet die Zisterne keine Erwähnung.


Abbildung 4: Zisterne - daneben findet sich am oberen Bildrand noch eine kleine Vertiefung mit Wasser.


Mit dem Planktonnetz (Maschenweite 70µm) konnte ich die Algenblüte nicht anreichern. Deshalb bin ich davon ausgegangen, dass es sich wohl eher um Chlamydomonas oder eine ähnlich kleine Gattung handeln müsste. Leider hatte ich nur zwei Probengefäße mitgeführt und habe zunächst auf eine Probe aus der Zisterne verzichtet (sie sieht ja meiner Erfahrung nach immer "gleich" aus und eine Probenahme ist deshalb jederzeit nachholbar). Stattdessen hatte ich eine Probe aus der kleinen und völlig unauffälligen Wasseransammlung entnommen. Es war höchstens eine geringe Grünfärbung zu erkennen.


Abbildung 5: Kleine Vertiefung mit Wasser neben der Zisterne


Die Probe aus dieser kleinen Wasseransammlung war dann aber ein regelrechter "Volltreffer". Sowohl Stephanosphaera, als auch Haematococcus waren in erstaunlich großer Dichte vorhanden.


Die folgenden Mikrofotos sind entstanden mit einem Mikroskop Olympus BHS und dem Ölimmersionsobjektiv SPlan 100 im DIK. Lediglich die erste Aufnahme ist mit dem Objektiv SPlan 40PL im Phasenkontrast erstellt worden. Alle Aufnahmen sind geblitzt - Kamera Pentax istDS.

Nachfolgend zunächst die Bilder von Stephanosphaera pluvialis. Die Aufnahmen zeigen wesentliche Charakteristika der Kolonien von Stephanosphara. Leider fehlt mir momentan etwas die Zeit um darauf einzugehen - deshalb zunächst nur die Fotos.







Abbildung 6: Aufnahmen von Stephanosphara


Nachfolgend die Fotos von Haematococcus - auch zunächst unkommentiert.




Abbildung 7: Aufnahmen von Haematococcus


Woher der Name der Felsenburg stammt ist ungeklärt. Möglicherweise wegen der Schrumpfdrachen, die den Burgfelsen geradezu massenhaft bevölkern - aber das ist jetzt auch schon spekulativ...


Abbildung 8: rezenter Schrumpfdrache



Daneben ist die Region - und selbstverständlich auch der Drachenfels selbst - auch völlig ohne Stephanosphara absolut eine Reise wert.


Abbildung 9: Salzhaus im nahen Wissembourg (15. Jahrhundert)

viele Grüße

Christian Linkenheld

P.S.
Ich bleibe an der Sache "dran" und werde evtl. zum diesjährigen Forumstreffen eine Probe vom Drachenfels mitbringen - bis dorthin möchte ich auch die Zisterne noch etwas "unter die Lupe nehmen".

Michael Plewka

hallo Herr Linkenheld,
von den Fotos bin ich überwältigt! Insbesondere das Phasenkontrast-Bild ist ein regelrechtes Kunstwerk!
mit Hochachtung beste Grüße Michael Plewka

Holger Adelmann

#2
Hallo Christian,

herzlichen Glückwunsch zu diesem Fund und den tollen Fotos ! Ja ja - man muss wirklich überall nachschauen, oftmals liegt das Geheimnis im Unscheinbaren  ;) Ich damals hatte 8 Balkenlöcher auf Lindelbrunn untersucht, 4 enthielten "nur" Hämatococcus, nur 2 davon auch Stephanospaera.
Wie in meinem Bericht gesagt - für Fortpflanzungsstadien scheint offenbar der sehr frühe Morgen (ca. 3-6 Uhr) optimal, also flugs ne Kanne Kaffee gekocht !

Herzliche Grüsse
Holger


beamish

Herr Linkenheld,

ein wunderschöner Beitrag! Besonders auch durch die Anreicherung mit Nicht-micro-Bildern!
Von meinem Wohnort aus wäre es ein Katzensprung, aber Zeit muß man haben...

Herzliche Grüße,

Martin Bemmann
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

bewie

Hallo Christian,

eine tolle Dokumentation! Hat mich ansonsten daran erinnert, dass schon lange mal wieder in die südliche Pfalz will ...

Schönen Mikroabend
Bernd

Klaus Henkel

Zitat von: bewie in April 22, 2010, 18:47:43 NACHMITTAGS
Hallo Christian,

eine tolle Dokumentation! Hat mich ansonsten daran erinnert, dass schon lange mal wieder in die südliche Pfalz will ...

Den besten Flammkuchen, wo gibt, macht man in Nothweiler, im Gasthaus Wegelnburg. Gute Weinauswahl auch dort. Übernachtung ordentlich. Aber immer überlaufen am Wochenende, Anmeldung empfohlen.
Gruß KH

Ernst Hippe

Lieber Herr Linkenheld,

ich bin begeistert von den Bildern, aber auch der ganzen Dokumentation - Danke!
Gruß Ernst Hippe
Vorstellung:Hier klicken

Martin Kreutz

Hallo Christian,

ausgezeichnete Doku, ausgezeichnete Fotos! Meinen Glückwunsch!

Martin

Kathleen

Hallo Christian,

auch von mir ein herzliches Dankeschön für diese traumhaft schöne Fotoserie!!

Wenn Du solch eine Probe zum Forumstreffen mitbringen könntest, wäre ich dir sehr dankbar!
Dann könnte ich Haematococcus auch endlich mal in natura bestaunen. Das blieb mir bisher trotz intensiver Suche (bevorzugt in Vogeltränken, denn Buntsandsteinmulden  gibt es hier eher wenig) leider verwehrt. Vielleicht mag die Alge das Hochseeklima nicht... :-\

Liebe Grüße
Kathleen

G. Helbig

Hallo Christian,

eine phantastische Dokumentation und wundervolle Bilder - vielen Dank.

Viele Grüße

Gerald

peter-h

Hallo Christian,

ein toller Bericht und ausgezeichnete Fotos !  Als Techniker sei mir die Frage nach der Blitzvariante erlaubt. Stahlschmidt oder über das Lampenhaus eingespiegelt, oder doch ganz anders?  Und noch mehr staune ich über DIC mit 100er. Ich kämpfe schon beim DIC mit dem SPlan40 - immer zu dunkel.

Viele Grüße
Peter

Bernhard Lebeda

Hallo Christian

das ist wieder mal typisch: Du zeigst etwa zweimal im Jahr Bilder, dann aber so dass es einen vom Stuhl haut!!


Absolut perfekt!!


Beeindruckte Mikrogrüsse

Bernhard


Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

TPL

Zitat von: Bernhard Lebeda in April 22, 2010, 23:59:31 NACHMITTAGSDu zeigst etwa zweimal im Jahr Bilder, dann aber so dass es einen vom Stuhl haut!!

...das ging mir auch so!

Vielen Dank, Christian, für diese schöne Reportage - sogar mit randlichem geologischen Bezug.

Schönen Gruß, Thomas

Bernhard Kaiser

Guten Morgen Herr Linkenheld,

besten Dank und herzlichen Glückwunsch für Ihren Beitrag.

Schönen Tag
Bernhard Kaiser

Christian Linkenheld

Zitat von: peter-h in April 22, 2010, 23:22:03 NACHMITTAGS
Hallo Christian,

ein toller Bericht und ausgezeichnete Fotos !  Als Techniker sei mir die Frage nach der Blitzvariante erlaubt. Stahlschmidt oder über das Lampenhaus eingespiegelt, oder doch ganz anders?  Und noch mehr staune ich über DIC mit 100er. Ich kämpfe schon beim DIC mit dem SPlan40 - immer zu dunkel.

Viele Grüße
Peter

Hallo Peter,

die Anordnung entspricht immer noch dem hier vorgestellten Stand:
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=518.msg2267#msg2267
Wichtig ist, dass die Blitzröhre genau an dem Ort liegt, an dem sich zuvor die Glühbirne befand. Das läßt sich beim BHS sehr leicht umsetzen. Beim BHT dagegen ist die Position der Glühbirne mehr in den Fuß verlegt. Man kann dann die Blitzröhre nicht mehr so einfach an den richtigen Ort bringen.

viele Grüße

Christian