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Foren => Bestimmungshilfe => Thema gestartet von: Michael in Dezember 14, 2016, 09:18:51 VORMITTAG

Titel: Alge mit doppelbrechender Schleim(?)-Hülle -> Cylindrocapsa cf. geminella
Beitrag von: Michael in Dezember 14, 2016, 09:18:51 VORMITTAG
Hallo in die Runde,

in meinen Proben kommt mir immer wieder diese hübsche Alge mit ihrer geschichteten, transparenten Schleim(?)-Hülle unter. Leider konnte ich sie im "Wassertropfen" nicht finden - vielleicht kann mir jemand weiterhelfen?

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/206045_4350314.jpg)

Die Hülle der Alge zeigt eine ausgesprochen starke Doppelbrechung:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/206045_44145147.jpg)

Aus welchem Material besteht diese Hülle? Wie kommt diese Doppelbrechung zustande?

Vielen Dank für Eure Mühe,

Michael
Titel: Re: Alge mit doppelbrechender Schleim(?)-Hülle
Beitrag von: rekuwi in Dezember 14, 2016, 18:00:59 NACHMITTAGS
Lieber Michael,

es könnte eine Binuclearia tatrana sein. Fundort Torfsümpfe! Die Hülle besteht aus Gallerte. Näheres weiß ich auch nicht .

Herzliche Grüße
Regi
Titel: Re: Alge mit doppelbrechender Schleim(?)-Hülle
Beitrag von: KDumack in Dezember 14, 2016, 18:30:00 NACHMITTAGS
Die Bilder sind sehr gut, mit was für einem Mikroskop hast du die gemacht wenn ich fragen darf?

Grüße,
Kenneth
Titel: Re: Alge mit doppelbrechender Schleim(?)-Hülle
Beitrag von: Michael in Dezember 15, 2016, 08:09:14 VORMITTAG
Hallo Regi,
vielen Dank für Deine Bemühungen. Die Probe stammt nicht aus einem Torfsumpf sondern aus meinem Gartenteich. Ich konnte bis jetzt kein vernünftiges Bild von B. tatrana finden, kann mir aber nicht vorstellen, dass sie sich zu mir in den Garten verirren könnte. Jedenfalls habe ich jetzt einen Ausgangspunkt für weitere Recherchen - vielleicht gibt es ja eine weniger anspruchsvolle Verwandtschaft von B. tatrana?

Hallo Kenneth,
freut mich, dass Dir die Fotos gefallen. Die Aufnahmen sind mit Leitz Metallux II (=Ortholux II), Objektiv PL40, EOS 1100 mit Pancake 40mm und schiefer Beleuchtung mittels eines "Dunkelfeldkeils" aus Pappe entstanden. Die Fotos wurden mit ImageJ nach bearbeitet (Kontrast anpassen, Schärfen, Messbalken) und ggf. mit NeatImage entrauscht. Die Polaufnahme ist bei gekreuzten Polarisatoren mit einem Hilfsobjekt (Objektträger mit Tesafilm) entstanden.

Viele Grüße

Michael
Titel: Re: Alge mit doppelbrechender Schleim(?)-Hülle
Beitrag von: Eckhard in Dezember 15, 2016, 21:19:06 NACHMITTAGS
Hallo Michael,

Die Zellwand der Alge besteht aus Zellulose. Zellulose ist doppelbrechend. Drum herum wirst Du eine Schleimhülle haben, aber die ist optisch "inaktiv".

Herzliche Grüße
Eckhard
Titel: Re: Alge mit doppelbrechender Schleim(?)-Hülle
Beitrag von: cabo in Dezember 15, 2016, 21:39:45 NACHMITTAGS
Zitat von: Eckhard in Dezember 15, 2016, 21:19:06 NACHMITTAGS
Die Zellwand der Alge besteht aus Zellulose. Zellulose ist doppelbrechend.

Hallo zusammen

Darum kann man auch bei Algen ohne Schleimhülle eine Doppelbrechung beobachten. Zum Beispiel auch bei Spirogyra:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/206139_30028171.jpg)

Gruß

Christian
Titel: Re: Alge mit doppelbrechender Schleim(?)-Hülle
Beitrag von: Michael in Dezember 16, 2016, 09:45:45 VORMITTAG
Hallo Freunde der Algen,

ausgehend von Regis Tipp bin ich den Taxonomiebaum hoch und runter geklettert und bin fündig geworden.
Bei der Alge handelt es sich wohl um ein ältere Exemplare von Cylindrocapsa cf. geminella (vgl. http://protist.i.hosei.ac.jp/PDB/images/Chlorophyta/Cylindrocapsa/sp_04.html).
Nach der Identifizierung ist es auch möglich, nähere Informationen zu finden:
Bei Cylindrocapsa bleibt bei der Zellteilung eigenartiger Weise die Zellwand der Mutterzelle erhalten und jede Tochterzelle bildet eine neue aus. Dadurch kommt es zu der vielfach geschichteten transparenten Hülle. Eckhard hatte also recht - es handelt sich nicht um eine Schleimhülle (obwohl ältere Bestimmungschlüssel bis in die 60er-Jahre sie als solche bezeichnen) sondern um eine verdickte, über Generationen angesammelte Zellwand. Junge Exemplare zeigen deshalb diese auffällige Schichtstruktur noch nicht. Diese Gegebenheiten scheinen unter Fadenalgen ziemlich einzigartig zu sein. Normalerweise findet man nur einfache Zellwände, da eine Tochterzelle die Wand der Mutterzelle beibehält. Zum Vergleich zeige ich am besten mal ein POL-Bild einer "gewöhnlichen" Fadenalge mit einfacher Zellwand (linkes Bild):

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures005/206154_47511541.jpg)

Ob es sich bei dem Material der Zellwand um Cellulose handelt weis ich nicht. TEM-Aufnahmen des Zellwandstapels zeigen zusätzlich eine enge Schichtung innerhalb der Zellwände, die wohl zur Doppelbrechung beiträgt.
Schleimhüllen zeigen zwar ebenfalls meist eine Doppelbrechung, die aber viel schwächer ausfällt (rechtes Teilbild).

Vielen Dank für Eure Hilfe und ein schönes Wochenende,

Michael