Botanik: Gewöhnlicher Gundermann (Glechoma hederacea) *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Mai 25, 2012, 09:17:50 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Gewöhnliche Gundermann wächst bei uns im naturbelassenen Teil des Gartens als Bodendecker. Er ist klein und unauffällig. Kaum einer kennt ihn, obwohl er eine wertvolle Bereicherung für die Hausapotheke und die Küche ist.
Das Kraut wird in der Volksheilkunde bei Atemwegserkrankungen und als Wundheilmittel eingesetzt. Wir verwenden es als Zusatz in Salaten. Das Kraut schmeckt angenehm würzig es enthält folgende Inhaltsstoffe:
Ätherisches Öl (maximal 0,03-0,06 % Monoterpen- Ketone) , Bitterstoffe (Glechomin), Gerbstoffe, Vitamin C, Mineralien, organische Säuren, Harze, Wachse.
Wenn man ein Gundermannblatt zwischen den Fingern reibt, fühlt es sich leicht schmierig an. Das schmierige Gefühl kommt durch das enthaltene Öl, das der Hauptwirkungsträger für seine hautheilenden Eigenschaften ist.
Die Triebe vom Gewöhnlichen Gundermann werden bis zu einem Meter lang. Daher kann man aus ihm auch Kränze winden, was früher traditionell zur Walpurgisnacht (Fest am 30. April) gemacht wurde.

Bild 01 Illustration von Johann Georg Sturm, 1796

Quelle: Deutschlands Flora in Abbildungen http://www.biolib.de
Diese Bild  ist gemeinfrei, weil die urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist (Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers).

Bild 02  Gewöhnlicher Gundermann (Glechoma hederacea)

Foto aus unserem Garten

Systematik:

Familie: Lippenblütler (Lamiaceae)
Gattung: Gundermann (Glechoma)
Art: Gundermann
Wissenschaftlicher Name: Glechoma hederacea
Englischer Name: Ground Ivy
Volkstümliche Namen:  Blauhuder, Donnerrebe, Erdefeu, Gundelrebe, Gunelreif, Heilrauf, Huder, Udrang, Zickelskräutlein, Buldermann, Hederich, Grundrebli,  Gundelrieme, Silberkraut und Soldatenpetersilie.

Arbeitsanleitung:

Original Färberezept siehe Seite von Herrn Armin Eisner http://www.aeisner.de/
W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf :

1. Probe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 4 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan.

Ergebnis :

Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahmen wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Spross, Querschnitt

Bild 03 Der viereckige Spross ist fest im Styrodur eingespannt und wird dann  mit dem Reichert - Jung Schlittenmikrotom Hn 40 auf eine Stärke von 40 µm geschnitten.


Bild 04 Spross, Übersicht, quer, Gewöhnlicher Gundermann (Glechoma hederacea)

Glechoma ist eine Lamiacee mit betont quadratischem Stängel – Querschnitt und vier primären Leitbündeln
Die Übersichtsaufnahme wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 05 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Gewöhnlicher Gundermann (Glechoma hederacea)

EP = Epidermis, KK = Kanten-Kollenchym, R = Rindenparenchym, PP = Protophloem, MP = Metaphloem, K = Kambium, T = Trachee, X = Xylem,  PX = Protoxylem, PM = parenchymatisches Mark

Bild 06 Interfaszikuläres Kambium, Gewöhnlicher Gundermann (Glechoma hederacea)

R = Rindenparenchym, IK = Interfaszikuläres Kambium, SK = Geschlossener Sklerenchymring, M = Markparenchym

In den Leitbündeln liegt Xylem innen und ist durch das Kambium vom Phloem getrennt. Würde jetzt nur das faszikuläre Kambium, also jenes in den Leitbündeln, Zellen durch Querteilung produzieren, würde der Spross nicht gleichmäßig an Umfang zunehmen sondern etwa einer kannelierten Säule gleichen. Dies geschieht aber nicht, also muss es eine Erklärung dafür geben. Es werden zwischen den Leitbündeln, im Parenchym der Markstrahlen, Zellen remeristematisiert. Dass heißt, die Parenchymzellen erhalten ihre Teilungsfähigkeit zurück, werden also von einem Grundgewebe zu einem Bildungsgewebe umgewandelt. Dieses Bildungsgewebe nennt man nun interfaszikuläres Kambium, weil es zwischen den Leitbündeln liegt (lat. inter = zwischen).
Zusammen mit der Teilungsarbeit des faszikulären Kambiums, welches nach innen Xylemzellen und nach außen Phloemzellen erzeugt, sorgt das interfaszikuläre Kambium für weitere Parenchymzellen oder auch neue Leitbündel. Es ist ein geschlossener Kambiumring entstanden und so kommt es zur gleichmäßigen Umfangserweiterung (Dilatation, lat.: dilatare = ausdehnen, erweitern) des Sprosses. Das Kambium schiebt sich dabei immer weiter nach außen.
Quelle: http://www.biocircle.fu-berlin.de/onlineskripte/skripte/grundpraktikum/kurstag_5/index.php?ag=open&id=grund

Bild 07 Das Interfaszikuläres Kambium noch einmal stärker vergrößert.


Bild 08 Epidermis, gezackt, Gewöhnlicher Gundermann (Glechoma hederacea)

Die gezackte Epidermis findet sich nur an den Ecken mit dem Kanten-Kollenchym.

Bild 09 Trichome (haarähnliche Strukturen auf den Oberflächen von Pflanzen)


Bild 10 Trichome (haarähnliche Strukturen auf den Oberflächen von Pflanzen)


Bild 11 Spross, quer, AF – Fluoreszenzaufnahme, Gewöhnlicher Gundermann (Glechoma hederacea)

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED

Bild 12 Spross, quer, AF – Fluoreszenzaufnahme, Gewöhnlicher Gundermann (Glechoma hederacea)

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED

Literatur:

Andreas Bresinsky, Christian Körner, Joachim W. Kadereit, Gunther Neuhaus, Uwe Sonnewald: Strasburger – Lehrbuch der Botanik. Begründet von E. Strasburger. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2008 (36. Aufl.) ISBN 978-3827414557

Wolfram Braune, Alfred Leman, Hans Taubert: Pflanzenanatomisches Praktikum I. Zur Einführung in die Anatomie der Samenpflanzen. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2007 (9. Auflage) ISBN 3-8274-1742-2


Mit freundlichem Gruß
Hans-Jürgen

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

reblaus

Hallo Hans-Jürgen -

als ex-Botaniker freue ich mich immer an deinen mustergültigen Darstellungen.
Was ich schon immer fragen wollte - sind die Fluoreszenzaufnahmen von den gefärbten oder den ungefärbten Schnitten?

Viele Grüße

Rolf



Jan Kros

Lieber Hans-Jürgen
Es ist wieder ein Genuss deine Bilder an zu sehen.
Mein Bibliothek wird immer größer.
Danke fürs zeigen
Herzlichen Gruss
Jan

BergerN

Lieber Hans-Jürgen,
vielen Dank für diese Arbeit.
Du hast den Gundermann vor dem Vertikutierer gerettet! (Auch wenn er fast die Minze meines Urgroßvaters aus Wales erledigt hatte)

Liebe Grüße,
Nick


Eckhard

Lieber Hans-Jürgen,

ein wirklich schöner Schnitt ist das geworden. Bild 5 gefällt mir besonders.

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für die gewohnt sorgfältige Darstellung und die schönen Aufnahmen!

Herzliche Grüße
Jörg
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Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Rawfoto

Lieber Seebär,

wie Du nur immer auf die Ideen kommst Neues zu zeigen, einfach spitze. Ich werde den Beitrag noch ein paar Mal in Ruhe ansehen und mich auf den nächsten freuen ...

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Anatol

Herzliche Grüße

Anatoly

Klaus Herrmann

Lieber Hans-Jürgen,

schöne Arbeit wie immer! Deine sorgfältig eingespannte Probe gefällt mir!

Bei deinen Fluoreszenzaufnahmen mit dem blauen Hintergrund fällt mir ein, dass Ralf neulich berichtet hat, dass er mit einem guten
Sperrfilter LP 519 IF einen schön schwarzen Hintergrund bekam bei hoher Fluoreszenzintensität. Der wird beim Zeiss-Kondensor einfach im Filterschlitz 6x20 eingeschoben. Könntest du mal probieren - solange ich noch welche habe!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Omaruru

Hallo Hans-Jürgen,

Kompliment.

Was dein Bild 10 angeht, halte ich die flachen "Trichome" für Drüsen"haare?" die für die Absonderung der ätherischen Öle zuständig sind.

Herzliche Grüße

Klaus
Ich bevorzuge ein kollegiales Du ;-).

Scientists like to name anything.
      Jack Horner

Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

danke für Euer Lob und die netten Worte.

@ Rolf,
die Fluoreszenzaufnahmen sind von gefärbten Schnitten.

@ Gerhard,
die Idee, den "Gundermann" zu untersuchen stammt von meiner Frau. Monika hat sich schon eine neue Pflanze für mich zum Schneiden ausgesucht; die Blasenspiere.

@ Klaus Herrmann,
geschäftstüchtig wie Du bist hast Du mir den Sperrfilter LP 519 IF empfohlen. Ich werde den Filter testen und neue Fotos zeigen.

Gruß
Hans-Jürgen

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Klaus Herrmann

Lieber Hans-Jürgen,

Zitatgeschäftstüchtig wie Du bist hast Du mir den Sperrfilter LP 519 IF empfohlen. Ich werde den Filter testen und neue Fotos zeigen.

Zuverlässig wie ich bin: er ist schon auf dem Weg in den kühlen Norden! :-)
Wehe, du zeigst ein schlechtes Bild; das würde ich sofort als Geschäftsschädigung ahnden! ;D

Viel Erfolg. Wenn du was zeigst, dann schick mir bitte per Mail den Link - nach 14 Tage gibt es 1000 Beiträge, da find ich nichts mehr!

Schöne Pfingsten!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Ulrich S

ZitatDas Kraut wird in der Volksheilkunde bei Atemwegserkrankungen und als Wundheilmittel eingesetzt. Wir verwenden es als Zusatz in Salaten. Das Kraut schmeckt angenehm würzig

Lieber Hans Jürgen,
ich bin gestern im Harz wandern gewesen und promt habe ich das erstemal bewußt dieses Gewächs gesehen. Hätte es auch gern gekostet, aber zur Sicherheit wollte ich dann doch erstmal nachfragen. Kann man alle Teile essen, oder nur die Blüten und gibt es etwas zum Verwechseln ähnliches, was aber besser nicht genossen werden sollte. Will ja nicht im heroischen Selbstversuch meinem Ende entgegensehen.
Vielen Dank für den schönen Artikel und viele Grüße
Ulrich
Es kommt immer anders wenn man denkt

Hans-Jürgen Koch

Lieber Ulrich,

danke für Dein Lob.
Ich bin kein Fachmann für Kräuter. Wir verwenden junge Blätter von (Glechoma hederacea)  roh, an Salate oder gedünstet. Pferdefreunde sehen den
"Gewöhnlichen Gundermann,, mit ganz anderen Augen. Dabei liegen "Gut und Böse " nah beieinander, denn von Pferden wird er nicht vertragen – um es mal salopp auszudrücken. Beachte bitte: Auch die Einnahme von Heilkräutern kann schädliche Nebenwirkungen verursachen!

In der ,,Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen" ISBN 978-3-89996-508-7
steht: Die Pflanze gilt als schwach giftig!

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Holger Adelmann

Ist wieder eine schöne Arbeit geworden, lieber Hans-Jürgen.

Ich bin ja kein Botaniker, also frage ich mich ob Pflanzen mit 4-eckigem Stängel auch automatisch 4-eckige Rhizome haben?
Oder ist das völlig unabhängig voneinander?

Herzliche Grüsse
Holger