Die Leimflechte Collema auriforme *

Begonnen von Ralf, Dezember 18, 2012, 18:45:19 NACHMITTAGS

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Ralf

Hallo liebe Flechtenfreunde,

Collema auriforme ist eine häufig zu findende Leimflechte die zwischen Moosen auf Kalkgestein wächst.
Leimflechten zeichnen sich hauptsächlich dadurch aus, dass sie in feuchtem Zustand ein gallerartiges Lager haben. Weiterhin haben sie keine Ober-oder Unterrinde. Photbiont ist immer ein Cyanobakterium (Nostoc. spec.). Anfänger können Leimflechten auch mit Nostoc commune, das ebenfalls ein gallertiges Lager hat, verwechseln.

Der hier untersuchte Fund weist eine Besonderheit auf: es waren 2 Apothecien vorhanden. Bemerkenswert deshalb, weil diese bei C. auriforme sehr selten sind. Im Querschnitt zeigte sich jedoch, dass es sich allenfalls um sehr junge Apothecien handeln könnte, weil lediglich ein pseudoparaplektenchymatisches Excipulum zu beobachten war. Kein Hymenium, keine Asci, keine Paraphysen.
Es wäre auch sehr ungewöhlich, wenn hier die Genese des Apotheciums mit der Ausbildung eines paraplektenchymatischen Gewebes beginnen würde. Normalerweise ist der Ausgangspunkt für ein Apothecium ein sogenanntes acsogenes Hyphenknäuel. Felix schumm vermutet, dass durch Fremdeinwirkung die Ausbildung einer excipulumähnlichen Struktur angeregt wurde. Jedenfalls handelt es sich nicht um ein echtes Apothecium.

Hier die Bilder:

- In trockenem Zustand zeigt C. a. sehr feine Streifen auf der Oberfläche



- Lobenquerschnitt. Photobiont ist Nostoc spec., hier mit Heterocysten zu sehen



- Querschnitt Apothecium?, Hellfeld. Hier sieht man die Anlage eines pseudoparaplektenchymatischen Gewebes aus Pilzhyphen. Hellfeld.



- Querschnitt Apothecium?, Hellfeld. Hier sieht man die Anlage eines pseudoparaplektenchymatischen Gewebes aus Pilzhyphen. Phasenkontrast.



- Nahansicht pseudoparaplektenchymatisches Gewebe, Hellfeld



- Nahansicht pseudoparaplektenchymatisches Gewebe, Phasenkontrast



- Fluoreszenzaufnahme. Rote Autofluoreszenz des Nostoc-Photobionten sowie eine grünliche Fluoreszenz des pseudoparaplektenchymatischen Gewebes. Diese grünliche Fluoreszenz ist möglicherweise auf das Chitin in den Hyphen zurückzuführen.






Bernhard Lebeda

Hallo Ralf

wirklich sehr interessant und schöne Bilder!!

Viele Grüße

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Holger Adelmann

#2
Zitat... allenfalls um sehr junge Apothecien handeln könnte, weil lediglich ein pseudoparaplektenchymatisches Excipulum zu beobachten war...

hatte ich mir doch gleich gedacht, lieber Ralf  ;D :D ::)

Aber mal im Ernst - ein sehr schöner Beitrag !
Weis man denn wie es kommt / kam dass bestimmte Pilze sich ganz bestimmte Algen aussuchen und keine anderen, bzw. irgendein Algen-Gemisch? Ist doch interessant, die Algen-Reinkultur innerhalb des Pilzes.

Herzliche Grüsse
Holger

Klaus Herrmann

Hallo Ralf,

eine phantastische Dokumentation von HF bis zur schönen Fluoreszenzaufnahme mit der Chlorophyll-Fluoreszenz der Alge.

ZitatHier sieht man die Anlage eines pseudoparaplektenchymatischen Gewebes aus Pilzhyphen
Öhm , ja nun... also auf dem HF sehe ich keine Pilzhyphen jedoch sehr schön die Alge (Nostoc)

Aber in der Detailansicht im PH-Kontrast fallen dann die Schuppen von den Augen: toll!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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ZitatWeis man denn wie es kommt / kam dass bestimmte Pilze sich ganz bestimmte Algen aussuchen und keine anderen, bzw. irgendein Algen-Gemisch? Ist doch interessant, die Algen-Reinkultur innerhalb des Pilzes.

Das hat mit der Umgebung der Flechte zu tun. Man findet auch nicht alle Algen an jedem Ort. Die Umweltbedingungen sind bei jeder Flechte anders.
Flechten helfen sich da mit einem Trick. Wo es für Flechten zu schwierigkeiten führt, den Algenpartner zu finden, vermehren sie sich durch vegetative Diasporen. Bei Flechten durch Soredien,Isidien oder Thallusbruchstücke.
Diese enthalten den Pilz und die entsprechende Alge. Dadurch ist das weitere Überleben sicher gestellt.

Viele von euch kennen Cladonien oder hat schon mal welche gesehen. Diese gibt es auch mit braunen oder roten Apothecien.
Was die meisten nicht Wissen, das diese nur sehr selten Sporen enthalten. Cladonien vermehren sich vegetativ durch Soredien.

Darum können auch Flechten dort vor kommen, wo es den Algenpartner nicht gibt.



Holger Adelmann

Danke Mike, das hilft mir schon mal etwas weiter.

Allerdings bleibt die Frage der "Reinkultur" ... was passiert, wenn an einem Standort 2 oder mehr Algen vorkommen?
Verleibt sich die Flechte (der Pilz) dann alle ein, oder nur eine ?
Und wenn nur eine, wie wird diese ausgewählt?

Viele Grüsse
Holger

Bernd Kaufmann

Zitat
Allerdings bleibt die Frage der "Reinkultur" ... was passiert, wenn an einem Standort 2 oder mehr Algen vorkommen?
Verleibt sich die Flechte (der Pilz) dann alle ein, oder nur eine ? Und wenn nur eine, wie wird diese ausgewählt?

Hallo Holger,

wirklich "wissen" wäre vermessen, aber stark vermuten kann ich ja mal, obwohl Flechten für mich völliges Neuland sind: Da die "Algen" ja fast ausnahmslos Cyanobakterien sind und, soweit ich weiß, nur Stickstoff fixierende Arten mit Heterocysten in Frage kommen, dürfte es ziemlich unwahrscheinlich sein, dass eine Flechte große Auswahlmöglichkeiten vorfindet, denn stickstofffixierende Arten gibt es zwar einige, aber die kommen sicher selten an einem Standort in mehreren Arten vor.

Bei ESSER, Kryptogamen 1, fand ich das hier: "... Der Kontakt zwischen beiden Organismen erfolgt im allgemeinen durch Umhüllung der Algen mit Hyphen oder durch Haustorien, welche die Pilzhyphen in die Algen entsenden. Er kann jedoch auch durch Appressorien ermöglicht werden, wenn sich die Hyphen zwar eng an die Algenzellen anlegen, aber nicht in diese eindringen." und "Als Ausnahme gibt es auch Flechten, die zwei Phycobionten haben. Es handelt sich dabei um heteromere Formen, die zusätzlich zu ihrem Primärphycobionten (Grünalge) im Verlauf ihrer Entwicklung ein Cyanobakterium als Sekundärphycobiont (meist Nostoc, aber auch Scytonema oder Stigonema) aufnehmen.
Viele Grüße
Bernd ©¿©
www.aquamax.de
Lieber per Du.

Ralf

Hallo,

über die Entstehung der Flechten weiß man nur wenig, da kaum fossiles Material vorhanden ist.

Es gibt etwa 30 Algengattungen die in Flechten als Symbionten auftreten. Neben einigen Cyanobakterien (z.B. Nostoc, Chroococcus, Scytonema) sind es hauptsächlich Grünalgen der Gattungen Chlorococcus, Chlorella, Trebouxia, Trentepholia.
Zur Spezifität ist zu sagen, dass einige Gattungen auf ganz bestimmte Algen angewiesen sind. So z.B. Collema auf Nostoc. Andere Flechtenpilze können verschiedene Algengattungen als Partner haben. Z. B. können die Lichinaceen mit allen bisher als Symbionten bekannten Cyanobakterien eine Symbiose eingehen. Manche Arten, z. B. Peltigera aphtosa können sowohl Cyanobakterien als auch Grünalgen gleichzeitig als Symbiont haben (Beispielbilder sind hier zu sehen http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10362.0 ).
Insgesamt ein spannendes Thema das keineswegs vollständig verstanden wurde.


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#8
@Holger
ZitatAllerdings bleibt die Frage der "Reinkultur" ... was passiert, wenn an einem Standort 2 oder mehr Algen vorkommen?
Verleibt sich die Flechte (der Pilz) dann alle ein, oder nur eine ?
Und wenn nur eine, wie wird diese ausgewählt?

Ich bin der Sache mal nach gegangen und habe mal meine Flechten Literatur durchforstet. Hat ein wenig gedauert.

Zitat:
Wenn die Symbiose zustande kommen soll, muß der Pilz den passenden Partner aus einem Angebot verschiedener Algen herausfinden. Dabei werden von Zelle zu Zelle Signale ausgetauscht. Entscheiden für wechselseitiges Erkennen sind dabei wahrscheinlich Bestandteile der Schleimstoffe, von denen Algen- und Blaualgenzellen umhüllt sind. Sie sind vermutlich gruppenspezifisch.
Quelle: Flechten aus der Kleinen Senckenberg Reihe Nr. 27 (1997) Seite 18 von Heribert Schöller. Dieses Buch hat verschiedenen Autoren zum Themen Flechten.