Was hat die Xanthoria mit Kaffee und Kuchen zu tun?

Begonnen von Rolf-Dieter Müller, April 01, 2013, 13:11:46 NACHMITTAGS

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Rolf-Dieter Müller

Ganz einfach, man will seinen Kaffee ungestört genießen können und so habe ich den Prozess zur Mikrosublimation von Inhaltsstoffen so optimiert, dass ich nachvollziehbare Ergebnisse bekomme, ohne in den Ablauf manuell eingreifen zu müssen. Während dessen kann man Kaffee trinken oder was  anderes tun.

Beispielhaft sublimiere ich Flechteninhaltsstoffe (veraltet: Flechtensäure) aus Xanthoria parietina, und zwar immer nur ein einzelnes Thallusstückchen mit dem Mark oben liegend, um besonders von Xanthoria auch etwas anderes sublimiert zu bekommen, als das in der oberen Rinde im Überschuss enthaltene Parietin. Es kommt zwar immer noch etwas mit, doch nicht so viel, das auch andere Stoffe sich frei entfalten können.

Zuerst einmal das Ergebnis, wobei von unten an Deckglas sublimiert wurde. Es bilden sich recht große Kristalle. Um eine spätere Zuordnung des Ergebnisses zu vereinfachen, habe ich die zwar optisch eindrucksvollen aber doch unübersichtlichen Kristallansammlungen in einem Tropfen Glycerin vereinzelt.


Bild 1 – Flechteninhaltsstoff aus Thallus von Xanthoria parietina, Sublimat mit Präferenz aus Mark, Polaufnahme mit parallelen Polfiltern.


Bild 2 – Flechteninhaltsstoff aus Thallus von Xanthoria parietina, Sublimat mit Präferenz aus Mark, Auflichtfluoreszenz mit Blauanregung (Anregungslicht blaue LED).

Bei der Fluoreszenzaufnahme bitte beachten, dass bei den breiteren Kristallen die eigentlich erwartete Primärfluoreszenz tatsächlich Reflexe sind, die durch das allseits vorhandene Parietin kommen. Ich würde das mal als natürliche Sekundärfluoreszenz bezeichnen.

Aber wie komme ich jetzt zum Kaffee mit Kuchen?

Das geht natürlich nur, wenn der gesamte Prozess automatisiert wird und zwar so, das Stoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften vorzeigbare Ergebnisse bringen. Ein wesentliches Prozesselement ist hierbei, Merkmale auszuwerten. Das geht recht gut, wenn man den Sublimationsniederschlag als Merkmal nimmt und danach den ganzen Ablauf regelt und steuert.

Hierfür brauchen wir natürlich einen Sensor, den ich mit dem optischen Reflexkoppler CNY70 gefunden habe. Der Sensor enthält eine Infrarot-LED, dessen reflektiertes Licht von einem ebenfalls enthaltenen Fototransistor gemessen wird. Durch den sich am Deckglas bildenden Niederschlag wird die Reflexion verändert und das kann ich auswerten und im Ergebnis den Prozess beeinflussen.


Bild 3 – Mikroheizer mit Sublimationsaufsatz, darüber optischer Reflexsensor. Zur Abschätzung der Dimension: das aufliegende Deckglas ist Standard mit 18x18 mm, der Sensor misst 7 mm im Quadrat.

Gesteuert wird der Mikroheizer vom Aufheizen bis zur Abkühlung mit einem Arduino Mega Mikrocontroller, ausgewertet wird die Reflexion, und Relativtemperatur nach Bildung des Niederschlages.

Der gesamte Aufbau passt auf ein Frühstücksbrettchen, was mir aber immer noch zu groß ist. Wir sprechen ja hier von Mikrosublimation und was Mikro heißt sollte ja auch Mikro sein.

Deshalb wird der nächste Schritt die Portierung auf einem kleineren Mikrocontroller sein, angedacht ist der Arduino Nano, idealer  von den Abmessungen wäre ein ATtiny13. Schließlich soll das alles noch feldtauglich werden, wobei hierfür die Stromversorgung mit 12 Volt schon passend ist. Und dann könnte man noch einen anderen Heizer nehmen, wobei ich da an einen Platin-Mikroheizer denke, der geht bis 500° Celsius und ist so klein, da könnte man schon über eine Integration im Mikroskopstativ nachdenken.

Auf die zwischenzeitliche Temperaturmessung möchte ich im Rahmen einer Prozessoptimierung auch noch verzichten, dieses wird aber nicht so einfach sein, denn bei Sublimationsbeginn wird die Temperatur gesteuert gehalten und abgesenkt und dasin Abhängigkeit der Niederschlagsreflexion. Hierbei geht es vornehmlich um die Berücksichtigung der Bildungstemperatur des sublimierten Stoffes für eine optimierte Kristallbildung.

Wie man sieht, gibt es noch viel zu tun, doch jetzt leiste ich mir erst einmal Kaffee. Man muss ja nicht alles auf einmal machen.

Viele Grüße
Rolf-Dieter Müller

moräne

Hallo Rolf -Dieter

Deine selbstgebaute Apparatur ist sehr imposant!

Falls Du diese Werte nicht schon selber hast
habe ich in meiner Literatur folgende Schmelzpunkte für  verschiedene Inhaltsstoffe von Xanthoria parietina gefunden:

Physcium ( Parietin, Rheochrysidin) Schmelzpunkt    207 Grad
Parietinsäure     tiefgelbe Nadeln                           Sublimation bei 300 Grad
Emodinsäure      orange Nadeln      Schmelzpunkt     ca 365 Grad

Vielleicht sind diese Angaben ja von Nutzen.

Grüße
Gerd

Klaus Herrmann

Lieber Rolf-Dieter,

wenn ich ja nicht sicher wüsste, dass du nicht E-Technik oder Mikroprozessortechnik studiert hast... beachtlich, was du da realisierst!

Ich habe inzwischen mit dem kleinen Heizer gespielt und bin noch an dem Optimieren tun. Macht aber Spaß und in Wohldenberg werde ich zum ersten Mal in die Öffentlichkeit damit gehen.

Herzlichen Dank für das "Maschinchen"
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Rolf-Dieter Müller

@Klaus, vielen Dank für Deine Rückmeldung (Neudeutsch = Response). Ich denke in dem Thema ist noch einiges drin.

@Gerd, Dir auch meinen Dank, besonders für die Listung der Inhaltsstoffe mit Sublimations- und Schmelztemperatur, die ich mir gleich notiert habe. Eine Frage, in welcher Literatur hast Du recherchiert? Ich würde dieses gerne noch in meinen Aufzeichnungen ergänzen.


@Alle, sehr interessant, das alles. Eins vorweg, für diese Sublimationen verwende ich keine Typusexemplare, sondern eher Xanthoria parietina die beschattet aufgewachsen sind. Ich denke die zu erreichenden Ergebnisse sind einfach vielfältiger.

Bezug nehmend auf die Angaben von Gerd habe ich heute Abend ein einzelnes Apothecium von Xanthoria parietina mit verschiedenen Maximaltemperaturen sublimiert. Sobald ein ausreichender Niederschlag am Deckglas mittels Reflexion gemessen wurde, erfolgte die Abkühlung, das Deckglas wurde gewechselt, und dann neu bis zur nächsten Niederschlagsbildung sublimiert. Dieses erfolgte in vier Durchgängen. Niederschläge hatte ich so nacheinander bei ca. 250°, 280°, 320°. Im vierten Durchgang bei 380° konnte nichts gemessen werden. Bitte die Temperaturangaben nur als Relativwerte nehmen, denn mein Temperatursensor ist noch nicht geeicht.

Auskristallisation fand nur nach dem ersten Sublimationsvorgang statt. Vielleicht kann man aus den beiden nicht auskristallisierten Niederschlägen noch durch Umkristallisation mit Aceton etwas machen, aber dafür ist es mir jetzt zu spät.

Obwohl die Auskristallisation noch nicht abgeschlossen, habe ich schon einmal die ersten Aufnahmen gemacht. Das ganze Programm von Hellfeld über Pol mit parallelen Polfiltern, gekreuzten Polfiltern und Auflichtfluoreszenz, die ich dem Forum nicht vorenthalten möchte. Denn ich konnte sogar bei Hellfeld farbige Nadeln sehen, und zwar orangefarbige und gelbfarbene. In der Menge vielleicht nicht so viel wie zu erwarten wäre, dafür habe ich ja auch kein Typusexemplar genommen. Zur Orientierung habe ich den Maßstabsbalken etwas oberhalb der farbigen Nadeln gestellt.

Alle Aufnahmen mit Zeiss Plan-Neofluar 63x/1,25 Öl.


Bild 4 – Flechteninhaltsstoff aus einem einzelnen Apothecium von Xanthoria parietina, Sublimat an Deckglas. Hellfeld mit Halogenlicht.


Bild 5 – Flechteninhaltsstoff aus einem einzelnen Apothecium von Xanthoria parietina, Sublimat an Deckglas. Polaufnahme mit parallelen Polfiltern.


Bild 6 – Flechteninhaltsstoff aus einem einzelnen Apothecium von Xanthoria parietina, Sublimat an Deckglas. Polaufnahme mit gekreuzten Polfiltern.


Bild 7 – Flechteninhaltsstoff aus einem einzelnen Apothecium von Xanthoria parietina, Sublimat an Deckglas. Auflichtfluoreszenz mit Blauanregung (Anregungslicht mit blauer LED).

Viele Grüße
Rolf-Dieter

Horst Wörmann

Lieber Rolf-Dieter,

schöne Sache!
Wir müssen unbedingt die Temperaturmessung kalibrieren. Die Sublimations- und Schmelztemperaturen von Gerd geben nämlich
wertvolle Hinweise zur Identifizierung. Ich sammle schon mal Kalibriersubstanzen, woll?

Gruß
Horst

Eckhard

Lieber Rolf-Dieter,

ist Deine geniale Sublimationsmaschine auch für Nicht-Kaffeetrinker und Nicht-Kuchenesser nutzbar?  ;) Im Ernst, ich finde es grossartig, wie Du Dich in derartige Problemstellungen einarbeitest und zu welchen Lösungen Du kommst. Perfektionieren und Kleinserie auflegen!

Herzliche Grüsse
Eckhard





Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Fahrenheit

Lieber Rolf-Dieter,

meinen Glückwusch zum schönen Erfolg Deines Ausflugs in die Meß- und Regeltechnik!
Auch die Bilder von den Sublimaten finde ich sehr schön - sie zeigen, dass die Technik funktioniert.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM