Fragaria vesca (Walderdbeere) – oder man braucht nicht viel für ein Präparat *

Begonnen von Rolf-Dieter Müller, Juni 16, 2013, 01:46:53 VORMITTAG

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Rolf-Dieter Müller

Hallo Forum,

mit wie wenig man für eine Färbung auskommt, wollte ich im Urlaub probieren, zumal mein Packvolumen in der Regel äußerst begrenzt ist. So auch dieses Mal, es musste als Handgepäck für eine Bahnreise reichen.

Aber das Zeiss Standard Junior sollte schon mitkommen, zusätzlich das kleine Präparierbesteck, Objektträger, Deckgläser, Rasierklingenmikrotom und ein paar Fläschchen Reagenzien.

Geeignete Proben für Schnitte findet man überall, mich interessierte aber der Blütenstängel der Walderdbeere. Nicht nur weil wir sie im Forum noch nicht gezeigt bekamen, vielmehr lässt der Stängel aufgrund seiner Anforderungen eine kontrastreiche Färbung erwarten, denn eine ausgereifte Frucht will gehalten sein. Es ist immer wieder erstaunlich, mit wie wenig Baumaterial die Natur auskommt.


Bild 1 Fragaria vesca (Walderdbeere) – Habitus. Die einkopierte Schere zeigt einen nachstehend präparierten Blütenstängel.

Ein Stück Blütenstängel habe ich mit Selbstklebeband an Holundermark fixiert und so frisch im Rasierklingenmikrotom geschnitten. Die Schnitte wurden über Nacht in AFE(70) fixiert (90 Teile 70% Ethanol + 5 Teile 38% Formalin + 5 Teile 100% Essigsäure). Das Fixiermittel ist dann über Alkoholstufen abnehmender Konzentration (70%, 50%, 30%) in Wasser ausgewaschen worden. Gefärbt wurde  mit einer Simultanfärbung aus den Wackerfarben Acridinrot, Acriflavin und statt Astrablau das etwas feiner aufziehende Alcianblau. Die Farblösung habe ich für ca. 30 Minuten einwirken lassen, anfangs für ca. 30 Sekunden über Feuerzeuggasflamme erwärmt. Natürlich muss die so entstandene Überfärbung differenziert werden. Normalweise mache ich das mit salzsaurem Alkohol, den ich leider nicht mit hatte. Ersatzweise wurde mit Alkoholstufen aufsteigender Konzentration (30%, 50%, 70% und 96%) differenziert. Jede Stufe wurde mehrmals gewechselt bis keine Farbe mehr abging. Die vollständige Entwässerung erfolgte in 100% Isopropylalkohol, eingeschlossen wurde in Euparal.

Das Präparat konnte wegen fehlender Wärmebank noch nicht komplett aushärten, aber ich denke die nachstehende Aufnahme zeigt das Ergebnis schon ganz ordentlich. Aufgenommen wurde der Schnitt heute nach meiner Rückkehr mit dem gleichen Setup, das mir unterwegs zur Verfügung stand.


Bild 2 Fragaria vesca (Walderdbeere) – Blütenstängel quer. Zeiss Standard Junior mit Zeiss 10/0,32 Planapo. Kamera Nikon 1 J1 über Okularadaption.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich mehr farblich differenzierte Zellwände erwartet. Zumindest das Phloem sollte nur in blau angefärbt sein. Dieser Mangel ist aber meiner Experimentierfreudigkeit geschuldet. Zum einen ist meine derzeit verwendete Farblösung mit einem Überschuss an Acridinrot und Acriflavin angesetzt, zum anderen wollte ich nur mit einem Minimum an Reagenzien auskommen.

Viele Grüße
Rolf-Dieter Müller

JoachimHLD

Hallo Rolf-Dieter,
Schnitt und Färbung sind Dir gut gelungen!
Viele Gruesse
Joachim

Fahrenheit

Lieber Rolf-Dieter,

der Schnitt ist Dir wie immer sehr gut gelungen und das Bild natürlich ebenfalls!

Mit der Färbung bist Du nicht zufrieden, mir gefällt sie jedoch ebenfalls sehr gut, zumal sich - zumindest in der gezeigten Auflösung - das frische Grün des Phloems doch sehr schön von den eher ins gelblich abwandernden Grüntönen der Markzellen absetzt.

Beim Differenzieren mit Alkohol geht es ja in der Regel zunächst dem Rot an den Kragen. Von "0 auf 70" müssen dann oft auch die sklerifizierten Zellen leiden und werden, wenn man nicht rechtzeitig abbricht, blass. Das scheint die von Dir angewendete sehr aufwändige stufenweise Differenzierung zu vermeiden. Hast Du da schon mehr Erfahrungen sammeln können?

Zu guter Letzt finde ich es toll, mal wieder ein Beitrag über "Reisemikroskopie" mit entsprechend eingeschränkten Mitteln zu lesen. Davon gerne mehr. :)

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Eckhard

Lieber Rolf-Dieter,

Ich freue mich, dass Dein Experiment "mobile, leichte Schnibbelausrüstung" so gut geklappt hat. Ich glaube gar nicht, dass Du ein anderes Ergebnis erwarten konntest. Ich finde Schnitt und Färbung gut gelungen.

Stengel und Blüte sind frisch. Die Lignifizierung der Zellen wird noch Folgen. Hast Du etwas Referenzmaterial nach Bonn mitnehmen können?

Herzliche Grüsse aus Darmstadt,
Eckhard

Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Rolf-Dieter Müller

Liebe Freunde,

vielen Dank für Euren Zuspruch und dieser ermutigte mich, die nachstehende ,,Unterwegs-Aufnahme" aus dem digitalen Papierkorb hervorzuholen.

@Joachim, ja mit dem Schnitt bin ich recht zufrieden. Wenn die Probe im Durchmesser nicht zu dick ist, für den Vortrieb gut (mechanisch) fixiert und zum Schneiden eine frische Rasierklinge genommen wird, erhält man in kürzester Zeit ein Uhrgläschen voller Schnitte gleichbleibender Qualität.

@Jörg, soweit ich mich erinnere hast Du mit Berichten zur Reisemikroskopie begonnen. Es muss Dein Bornholm-Beitrag gewesen sein. Wegen der Differenzierung sprichst Du ein Thema an, über das man wirklich lang und genüsslich diskutieren könnte. Meine bisherige Erfahrung ist, mutig überfärben (anfangs erhitzen, die Farbe mit >>20 Minuten sehr lange aufziehen lassen) und dann kann der Schnitt ruhig und vorsichtig in aufsteigender Alkoholreihe differenziert werden. Natürlich zieht dabei ständig Acridinrot aus, aber eben nicht so schnell als wenn man kürzer färben würde. Alcianblau entfärbt auch etwas, jedoch nicht so intensiv.

@Eckhard, Referenzmaterial habe ich nicht mitgenommen. Da ich hoffe hier noch Walderdbeeren mit einem weiter entwickelten Fruchtstand zu finden, was aber nicht ungefährlich ist, denn beim Sammeln für den gezeigten Schnitt habe ich mir glatt drei Zecken eingefangen. Ansonsten sprichst Du natürlich einen hochinteressanten Punkt an. Mit fortschreitender Lignifizierung wäre auch eine differenziertere Färbung zu erwarten. Übrigens noch vielen Dank für Deinen Tipp zu seinerzeit verfügbaren Multimmersionsobjektiven. Die nachstehende Aufnahme habe ich mit einem aus der Endlich-Reihe gemacht.

So langsam kann man sich jetzt auch Gedanken über die Optimierung der Reiseausrüstung machen. Gerade frische Schnitte verlangen nach Primärfluoreszenz und das ist eigentlich mit wenigen Ergänzungen durchaus transport- und gewichtskompatibel als Durchlichtfluoreszenz umzusetzen. Diesmal nicht dabei, ersatzweise möchte ich aber noch die nachstehende Aufnahme eines unbehandelten Schnittes zeigen. Störend hierbei sind die vielen als schwarze Punkte erkennbare Lufteinschlüsse. Bei der Aufnahme habe ich mich entschlossen sie zu tolerieren, denn es ist wirklich nicht einfach diese auszutreiben wenn man nicht die geeigneten Gerätschaften mit hat und den frischen Schnitt nicht durch bekannte Maßnahmen wie Alkoholbehandlung verderben möchte.


Bild 3 Fragaria vesca (Walderdbeere) – Blütenstängel quer, frischer unbehandelter Schnitt, Wasserpräparat. Zeiss Standard Junior mit Zeiss Plan-Neofluar 40/0,9 Imm mit destilliertem Wasser immergiert. Kamera Nikon 1 J1 über Okularadaption.

Viele Grüße nach Darmstadt
Rolf-Dieter

koestlfr

Hallo Rolf-Dieter!

Tolle Bilder und Ausführungen! Gute Tipps für die Reiseausrüstung!

Wenn du jedoch: "Primärfluoreszenz als Durchlichtfluoreszenz" betreiben willst, solltest du unbedingt "Dunkelfeld" vorsehen!

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

Rawfoto

Hallo Franz

Kannst Du das bitte vertiefen, welche Erkenntnisse stehen da dahinter - das wuerde mich wirklich sehr interessieren ...

Liebe Gruesse vom Pillersee

Gerhard

Ps: natuerlich auch danke und liebe Gruesse an Rolf-Dieter, schade das wir uns in Darmstadt nicht treffen konnten ...
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

koestlfr

Hallo Gerhard!

Na der gesuchte Effekt ist der, dass du bei DL-DF einen dunklen Hintergrund bekommst und das Bild damit wirkt, als wäre es AL. Vorraussetzung ist auch, dass der Schnitt nicht zu dick ist.

Alles Weitere nächste Woche am Pillersee - ich bringe mein Orthoplan, den DF-Kondensor und eine UV-LED mit.

Liebe Grüße
Franz

Perückenstrauch im DL-DF bei 450nm



PS: Rolf-Dieter bitte um Entschuldigung, ich will den Beitrag nicht kapern
Liebe Grüße
Franz

Rolf-Dieter Müller

Das Thema zu Reisemikroskopie und Walderdbeere treibt mich noch um und so möchte ich mich noch für die letzten Antworten bedanken.

@Safari, es ist tatsächlich so, dass man durchaus vorzeigbare Färbungen auch mit Simultanfärbungen erreichen kann. Und wenn man dann noch die Färbevorschrift so gestaltet, dass einzelne Prozessschritte nur noch nach Merkmalen formuliert werden können, ist das Ergebnis viel zielorientierter zu erreichen. Dieses und meine bisherigen Erfahrungen mit der Wacker-Simultanfärbung werde ich so bei meiner nächsten Färbung berücksichtigen. Das Konzept steht schon, jetzt muss ich nur mit Färbetests beginnen.

@Franz, vielen Dank für Deinen Hinweis. Letztes Jahr hatte ich mit Thomas (TPL) über Durchlichtfluoreszenz diskutiert und er sagte mir, das Durchlichtfluoreszenz ursprünglich eine typische Dunkelfeldanwendung ist/war. Ich konnte von ihm für mein Zeiss Standard Junior einen Filterwechsler und einen Ultra-Kondensor übernehmen. Nachstehende Mikroaufnahme habe ich damit gemacht.

@Gerhard, die Dunkelfeld bei Durchlichtfluoreszenz hat noch einen weiteren Vorteil. Man kann nämlich gänzlich auf den Anregungsfilter (typischerweise BG3 oder qualitative Interferenzfilter) verzichten, wenn man für das Anregungslicht einen geeigneten Sperrfilter findet. Das möchte ich mit dieser Aufnahme zeigen. Anregungslicht ist eine einfache 470 nm-LED (Alustar) ohne Anregungsfilter (!). Einfacher geht es nun wirklich nicht mehr. Die Aufnahme ist nicht nachbearbeitet.


Bild 4 Fragaria vesca (Walderdbeere) – Blütenstängel quer, frischer unbehandelter Schnitt, Wasserpräparat. Primärfluoreszenz im Dunkelfeld, Anregungslicht 470 nm LED (Blauanregung), kein Anregungsfilter (!), Sperrfilter 530 nm, Zeiss Standard Junior mit Zeiss Neofluar 6,3/0,2. Kamera Nikon 1 J1 über Okularadaption, Belichtungszeit 1 sec, F/5.6, ISO 100, Weißabgleich ,,Leuchtstofflampe".

Mit der verwendeten LED bekomme ich nur eine sehr ungleichmäßige Ausleuchtung, was ja unschwer zu erkennen ist. Aber Abhilfe ist in Sicht, denn ich habe mit Bernd (Nomarski) über die Anfertigung von Steckleuchten verhandelt, eine davon wird mit einer anderen blauen LED ausgestattet.

So sieht dann das Beleuchtungskonzept für mein Reisemikroskop aus:

- Tageslicht über Spiegel für Hellfeld und gute Mikroaufnahmen,
- weiße LED als Steckleuchte als Notbehelf,
- blaue LED als Steckleuchte für Primärfluoreszenz.

Viele Grüße
Rolf-Dieter

koestlfr

Hallo Rolf-Dieter!

Das Bild 4 hat tolle Farben und praktisch keine Überstrahlungen, was bedeutet, dass deine LED relativ wenig "Fremdanteil" enthält, sodass du auf das Erregerfilter verzichten kannst!

Liebe Grüße
Franz

Liebe Grüße
Franz

abbeköhl

Abend Rolf-Dieter und Klaus,

Schöne Bilder, und lehrreich dazu.  :) Danke fürs zeigen.

Schöni Grüess us dä Schwyz, Reto