Botanik: Plasmaströmung in einer Staubhaarzelle (Tradescantia virginata) *

Begonnen von plaenerdd, August 05, 2013, 08:39:23 VORMITTAG

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plaenerdd

Hallo,
angeregt von dem Beitrag von Bernd "Ampelpflanze tradescantia" möchte ich hier mal ein Filmchen zeigen, in dem man die Plasmaströmung in den Staubhaaren der Dreimasterblume Tradescantia virginiana schön sehen kann. Falls Ihr das selber mal live sehen wollt: Die Plasmaströmung ist nicht immer vorhanden. Kurz nach der Entnahme der Staubhaare stehen die Zellen oft noch unter Schock und es dauert manchmal 10 min bis sie einsetzt. Wegen des von Natur aus gefärbten Zellplasmas ist dieses Objekt eines meiner Lieblingsbeispiele, um den Aufbau einer lebenden Zelle zu zeigen, ohne färben zu müssen. Den Zellkern sieht man immer sehr gut - viel besser als beim Zwiebelhäutchen.

Und hier das Filmchen:
https://www.youtube.com/watch?v=lzw36jmgLAU

Ich hoffe das macht Lust darauf, sich dieser schöne Pflanze auch mal zu zu wenden.
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Klaus Herrmann

Hallo Gerd,

wirklich eine gelungene Dok. Du könntest noch angeben mit welchem Objektiv und war es reines Hellfeld?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

plaenerdd

Hallo Klaus,
danke für den positiven Zuspruch! Die Aufnahme wurde frei Hand mit einer Fujifilm JX220 - Knipse an einem PK10-Okular im Hellfeld mit Apo 40/0,95 (beides von Carl Zeiss Jena) gemacht.
Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Nomarski

Hallo Gerd,

eine schöne und interessante Ergänzung, vielen Dank!

Viele Grüße
Bernd

Dünnschliffbohrer

Lieber Gerd,

ein sehr schönes Filmchen über ein auf den ersten Blick sehr einfaches, in Wirklichkeit aber äusserst verwickelte zellphysiologische Erscheinung. Vor allem gefällt mir auch, dass es mit einer einfachen Ausrüstung gemacht wurde. Leider ist der eingebürgete Ausdruck Plasma"strömung" zwar zunächst augenscheinlich, in Wirklichkeit aber sehr irreführend. Ich erwähne das nur, weil es mich früher als Schüler selbst gedanklich auf Abwege geleitet hatte.
Es ist ja nicht das Zellplasma als Ganzes, was da strömt. Wie sollte, wie man es manchmal zu beobachten ist, innerhalb eines Plasmafadens der Transport über eine längere Strecke genau parallel. aber in entgegengesetzter Richtung von statten gehen, ohne das es zu Verwirbelungen kommt? Wie wird die Reibung der Flüssigkeiten überwunden, noch dazu in einem so hochviskosen Zellplasma? Überhaupt, was ist der Motor für so einen Transport, und warum läuft die Strömung so lokalisiert entlang von bestimmten Bahnen?

Diese Fragen - ich hoffe den Schülern fallen diese Merkwürdigkeiten auf - lassen einen dann von einer einfachen Strömungsmechanischen Vorstellung schnell abkommen, hin zu einem Bild einer Seilbahn an der die Gondeln direkt nebeneinander in antiparalleler Richtung laufen können, wenn die Drähte parallel gespannt sind. Nur das man hier das Tragseil nur unter einem Laserabtastmikroskop nach Immunfloureszenzfärbung sehen kann (Im Unterricht könnte man hier ersatzweise die entsprechenden eindrucksvollen bunten Bilder aus den Lehrbüchern zeigen).

So kommt man schnell => zum Zytoskelett und zu => Transportproteinen und endet dann beim axonalen Transport in unseren eigenen Nervenzellen => und  der Frage, warum die Krankheit "Gürtelrose" sich gürtelförmig in einzelnen befallenen Hautbezirken (Dermatomen) äussert (nämlch den Dermatomen, die gerade von dem betreffenden Ganglion versorgt werden, in dem das Virus sich eingenistet hat und als "Schläfer" überdauert, bis es durch irgend ein äußeres Ereignis wieder zu seinem Schädlingswerk aufgerufen wird) => und dann über den Axonalen Transport in den dazugehörigen Hautbezirk transportieren lässt, um den armen Patienten dann dort gürtelförmig lokalisiert zu Quälen.

So kommt man dann von der einfachen Mikroskopbeobachtung bis in die Tiefen der Biochemie und Neuro- und Pathophysiologie und hat das Problem zwar immer noch nicht erschöpfend abgehandelt, landet aber bei einem sehr lebenspraktischen Beispiel.

Vieleicht überfordere ich jetzt die Schüler. Aber oft ist es ja so, dass man komplizierte Sachverhalte nur anschaulich erklären braucht, siehe "Seilbahnmodell", um sie auch normalen Schülern verständlich machen zu können.

Viele Grüße vom Dünnschliffbohrer
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Jan Dunst

Zitat von: Dünnschliffbohrer in August 06, 2013, 22:06:53 NACHMITTAGS
Vieleicht überfordere ich jetzt die Schüler. Aber oft ist es ja so, dass man komplizierte Sachverhalte nur anschaulich erklären braucht, siehe "Seilbahnmodell", um sie auch normalen Schülern verständlich machen zu können.

Hallo,

mich hättest du mit sowas jedenfalls (in dem alter) erwischt und begeistert. Alle bekommt man sicherlich nicht, aber wenn es nur 1-2 sind deren Begeisterung geweckt wird, ich denke dann hat man schon gewonnen.

Schöne Grüße,
Jan

A. Büschlen

Hallo Gerd

du hast mit einer einfachen Ausrüstung das Wesentliche gezeigt!

Hier noch ein Link zu einem ergänzenden Thread aus dem Forum: www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9093.0

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

plaenerdd

#7
Hallo,
Danke für die Ergänzungen. Ja, das ist natürlich ein Klassiker, aber immer wieder gut, vor allem einfach zu präparieren und die Pflanze blüht von Mai bis September und ist anspruchslos in der Haltung.

Besonderen Dank an Dünnschliffbohrer für die Erläuterungen zum Plasmastrom. Auch hier habe ich noch ein wenig die Fachbegriffe gegoogelt und sehr interessante Verbindungen zu schon vorhandenem Wissen gefunden. Alles sehr spannend!

Ich habe dann auch gelesen, dass sich die Pollen gut eignen, um deren "Keimung" zu beobachten. Während man bei anderen Pflanzen Zuckerlösung benutzt, keimen diese Pollen auch in Leitungswasser. Habe ich gleich mal ausprobiert und hat prompt geklappt. Nach ca. 1,5 h hatten ca 25% "Wurzeln" bekommen.

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Fahrenheit

Lieber Gerd,

uups, Deinen interessanten Beitrag habe ich doch glatt ein paar Tage übersehen ...  ;D
Ich habe mir erlaubt, den Titel etwas zu präzisieren und das "Botanik:" davor zu setzen.

Der Dünnschliffbohrer hat mit dem Hinweis auf das Zytoskelett (das alles andere als skeletthaft steif ist ...) und die Transportproteine natürlich recht. Zumindest das Zytoskelett und die transportierten Zellorganellen etc. sind mit einem Trick aber auch im "klassischen" lichtmikroskopischen Verfahren an der lebenden Zelle darstellbar. Die so zu machenden Beobachtungen zeigen, dass das Zytoskelett tatsächlich sehr aktiv ist und die "Seilbahnen" immer wieder umgebaut werden.

Das Verfahren ist AVEC DIC (Allen Enhanced Video Contrast DIC) und wurde von Robert D. Allen und seinem Team entwickelt. Einen Artikel dazu von Holger Adelmann (der auch die notwendige Hardware besitzt) mit Filmen gibt es auf der Webseite der MKB zu sehen: AVEC DIC am Zwiebelhäutchen. Der dazu gehörige Aufsatz von Holger aus den Leitz Mitteilungen für Wissenschaft und Technik ( Vol XI (3), 1996, S. 84 - 89) steht ebenfalls zum Download bereit.

Herzliche Grüße
Jörg

Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Holger Adelmann

Ich verlinke mein Video zur Plasmaströmung in den Staubfadenhaaren von Tradescantia hier neu, es ist auf der MKB Webseite (s. unten) nicht mehr aufrufbar.

https://www.flickr.com/photos/firstlights/53110267997/in/dateposted-public/

plaenerdd

Hallo Holger,
sehr schön! Ich habe aus diesem Anlass mein mittlerweile 10 Jahre altes Video im Beitrag #1 auch neu verlinkt.
Ja, Tradescantia ist wirklich ein Klassiker, gut geeignet auch für Schulen. Man braucht keine Färbungen und keinen Phasenkontrast.

LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
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Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph