Gejagt&erlegt: Polmikroskop Swift and son

Begonnen von Mikroman, August 23, 2013, 18:49:21 NACHMITTAGS

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Mikroman

 :) :) :)

Hallo in die Runde. Heute möchte ich eine kleine Jagdgeschichte erzählen. Zugetragen hat sie sich in der Bucht (wo sonst könnten solche Geschichten spielen).

Zur Vorgeschichte: Vor einem knappen Jahr suchte ich zur Abrundung meiner Instrumente - Sammlung wäre viel zu viel gesagt, obwohl, wenn man meine Fragte, würde sie anders antworten - ein altes Stativ und fand dann auch ein Exemplar in Scharz-Messing von Reichert mit gut erhaltenem Holzkasten. Damit dachte ich, hätte es sein Bewenden mit den Hufeisenveteranen. Ich hatte mich geirrt.

Als ich dieses Stativ vor mir sah, wurde ich ganz jaglustig:



Eigentlich könnte man sagen: war nicht viel zu sehen. Genauer: eine ausgesprochen unvorteilhafte Aufnahme der Rückseite. Aber genau das gab bei mir den Ausschlag. Ich hatte, da ich mit den Hufeisentypen nicht so gut auskenne, nur eine Ahnung, dass da etwas ganz Besonderes auf mich warten könnte. Am Okularkragen blieb mein Blick hängen und bestätigte meine erste Vermutung, dass es sich bei dem besagten Stück um ein altes Polmikroskop von Swift handeln könnte (der drehbare Poltisch sprach ja ebenfalls Bände).

Ich habe das gute Stück dann für umgerechnet 113,19 (aus England) ersteigert. Ein Transport nach good old Germany war allerdings offiziell nicht vorgesehen. Fast eine Woche mußte ich auf die Anwort des Verkäufers warten, bis ich meines Kaufes auch gewiß sein konnte. Kleiner Schönheitsfehler: er wollte fürs Versenden 30 Pfund.

Zwischenzeitlich stöberte ich im Netz und dachte, es wäre das folgende Instrument, was ich an Land gezogen hätte:



Gestern kam das Schätzchen endlich an - wohl verpackt und unversehrt. Was für ein Anblick - und vor allem: alles funktionstüchtig. Es war allerdings ein anderes Modell als das erwartete.













Ist doch ein Prachtbursche mit seinen über acht Kilos, oder?

Jetzt überlege ich natürlich noch, was ich mit ihm mache, hmm - vielleicht unter Glas? Oder zurück in die Kiste? Wie auch immer, Danke fürs Betrachten und den einen oder anderen lauschigen Kommentar. Leider konnte ich bislang nicht viel im Netz über dieses Modell herausbringen. Scheint den frühen fünfziger Jahren zugehörig, oder?

Gruß

Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

Rawfoto

Hallo Peter

Was soll man da sagen, Gratulation zum Fang .-)
Aber was ist es jetzt wirklich?!?

Liebe Grüße

Gerhard

PS: beachtlich ist die erhaltene Funktionalität und der Preis ... (es gibt auch noch Glück) :-)
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Mikroman

Hallo Gerhard,

das genaue Modell kenne ich immer noch nicht. So halt ein älteres Polgerät aus den 50igern..... Was natürlich selten ist, ist der gute Erhaltungszustand - fast wie am ersten Tag, von Tischkratzern und kleinen Lackabplatzern mal abgesehen.

Danke für den Glückwunsch. Mein zweibestes "Jagdergebnis" (nach dem Mikrobenjäger).

Schönen Abend noch

Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

Florian Stellmacher

#3
Hallo Peter,

meinen Glückwunsch zu diesem Instrument (and by the way: 30 GBP für den Versand sind noch eher günstig angesetzt, ich habe schon das Doppelte bezahlt).

Swift hatte sich nach dem Kriege quasi auf Polarisationsmikroskope spezialisiert. Zur Firmengeschichte erlaube ich mir, mich an dieser Stelle einmal selbst zu zitieren:

Die traditionsreiche britische Firma Swift wurde 1854 von James Powell Swift in London gegründet. Swift hatte zuvor für die renommierte Firma Ross gearbeitet, bevor er sein eigenes Geschäft eröffnete. 1877 trat sein Sohn Mansell James Swift in die Firma ein, und ,,Swift" wurde zum eingetragenen Warenzeichen. Neben Mikroskopen wurden auch Fotoobjektive hergestellt. Eine herausragende Leistung stellt der 1881 eingeführte Swift-Feintrieb mit Glockenspindel dar, eine Weiterentwicklung des bisher üblichen Feintriebes; dieser wurde von anderen Herstellern vielfach nachgebaut. 1906 starb der Firmengründer, der Firmenname änderte sich 1912 in ,,James Swift & Son Ltd." 1946 wurde Swift von Hilger & Watts Ltd. übernommen. Nach dem Kriege standen Polarisationsmikroskope bei Swift im Vordergrund, allerdings fanden die Mikroskope keinen entsprechenden Markt, sodass die Firma 1967 in Konkurs ging. 1968 kaufte J. H. Bassett, ein ehemaliger Swift-Mitarbeiter, die Reste der Firma auf und brachte ein neues Polarisationsmikroskop auf den Markt; dieses war jedoch keine komplette Eigenentwicklung, sondern es basierte auf dem Watson Microsystem 70. Erst 1975 wurde ein neues eigenes Polarisationsmikroskop, das Modell MP 120, vorgestellt. 1980 wurde Swift von Prior übernommen [1]. Der Firmenname wurde später von einer japanischen Firma benutzt, die Mikroskope haben jedoch konstruktiv nichts mit der britischen Firma Swift zu tun. QUELLE

Das genaue Modell kann ich aus dem Stehgreif leider nicht bestimmen, es kann sein, dass ich noch etwas in der Literatur finde. Auch ich denke, dass es ein Mikroskop aus den 50er Jahren ist Swift hat jedoch noch bis in die 60er recht klassisch anmutende schwarze Hufeisenstative produziert.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Bernhard Lebeda

Zitat von: Mikroman in August 23, 2013, 18:49:21 NACHMITTAGS

Jetzt überlege ich natürlich noch, was ich mit ihm mache, hmm - vielleicht unter Glas? Oder zurück in die Kiste? Wie auch immer, Danke fürs Betrachten und den einen oder anderen lauschigen Kommentar. Leider konnte ich bislang nicht viel im Netz über dieses Modell herausbringen. Scheint den frühen fünfziger Jahren zugehörig, oder?

Gruß

Peter


Hallo Peter

warum nicht Dünnschliffmikroskopie betreiben? Ich habe mir ein solches vor zwei Jahren von Brunel in England an Land gezogen, Preis war vergleichbar dem Deinen. Das Gerät hat eigentlich alles was der Einsteiger in die Polmikroskopie braucht: drehbarer Polarisator und Analysatorschieber mit drehbarem Analysator, zentrierbarer Objektivrevolver, Bertrandlinse und entsprechende einschwenkbare Hochapertur-Kondensorlinse für Konoskopie.

Ich benutze das Gerät zur mikroskopischen Kontrolle der Schiffdicke bei Gesteinsdünnschliffen.







Viele polarisierte Mikrogrüße

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Bernhard Lebeda

Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Mikroman

Hallo Bernhard,

die Seite kenn' ich.

Zum Thema "Dünnschliffmikroskopie": die kann ich mit meinem Orthoplan betreiben. Mir fehlt da nur noch der Pol_Tisch.

Gruß
Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

Bernhard Lebeda

#7
Zitat von: Mikroman in August 23, 2013, 22:07:17 NACHMITTAGS


Zum Thema "Dünnschliffmikroskopie": die kann ich mit meinem Orthoplan betreiben. Mir fehlt da nur noch der Pol_Tisch.


Na Du hast ja Humor-um den geht es doch gerade. Nimm doch Dein neues Swift  ;)

LG Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Dünnschliffbohrer

Hallo Peter und Bernhard,

mich würde einmal interessieren: wie werden denn bei den Stücken die Objektive zentriert? Man sieht am Revolver auf den Bildern keine Löcher für Steckschlüssel oder dergleichen.

Viele Grüße,

Dünnschliffbohrer
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Mikroman

Nein, die Objektive sind nicht zentrierbar. Wie ich hörte, wurden schon bei der Produktion Objektivrevolver und Tisch abgeglichen

Gruß
Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

Bernhard Lebeda

Zitat von: Dünnschliffbohrer in August 23, 2013, 22:22:12 NACHMITTAGS
Hallo Peter und Bernhard,

mich würde einmal interessieren: wie werden denn bei den Stücken die Objektive zentriert? Man sieht am Revolver auf den Bildern keine Löcher für Steckschlüssel oder dergleichen.



Es gibt zwei Zentrierschrauben oberhalb des Revolvers, die auf zwei Klemmbacken wirken mit denen die Objektive zentriert werden!






Das Gerät verfügt übrigens auch über eine Kompensatoraufnahme, es passen die kleinen 10mmx4mm wie z.B. die alten von Leitz.

Viele Mikrogrüße

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Mikroman

Hallo Bernhard,

ja, Du hast natürlich recht - auch bei mir sind die zwei Zentrierschrauben da und funktionstüchtig. Als einseitiger Leizianer kenn ich nur die Objektivzentrierung am Revolver.

Jetzt könnten wir mit Florian bald eine Swift-Fangemeinde gründen

Schönes Wochenende noch

Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

Florian Stellmacher

Lieber Peter,
lieber Bernhard,

ZitatJetzt könnten wir mit Florian bald eine Swift-Fangemeinde gründen.

Gerne! Ihr solltet Euch unbedingt einmal die Mühe machen und nach Bildern von historischen, insbesondere petrographischen Mikroskopen von Swift suchen - dort gibt es wunderbare Stücke zu entdecken, die ihresgleichen suchen. Eins meiner Lieblingsmikroskope ist ein eher einfaches Swift-Mikroskop aus Messing mit Englischem Fuß, das mit einem kompletten Feldlabor der Britischen Armee, Baujahr 1905, zu mir kam. Swift hat tolle Sachen gemacht!

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

olaf.med

#13
ZitatIhr solltet Euch unbedingt einmal die Mühe machen und nach Bildern von historischen, insbesondere petrographischen Mikroskopen von Swift suchen - dort gibt es wunderbare Stücke zu entdecken, die ihresgleichen suchen.

OK, hier ist mal eines davon: das wohl schönste und berühmtete, das A.B. Dick von 1888 mit Synchrondrehung der Polarisatoren:







Leitz hatte übrigens bei den frühen Pol-Stativen mit Revolver auch eine Zentriervorrichtung, die der bei Peters Swift entspricht, hier ein Stativ aus dem Jahre 1909. Leider hat man aber bei Swift die moderne Entwicklung ziemlich verschlafen, so dass diese Firma - zumindest auf dem Pol-Sektor - doch ziemlich unbedeutend geworden ist.



Ich hoffe ich langweile nicht mit diesen Bildern.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Florian Stellmacher

Lieber Olaf,

was für ein wunderschönes Mikroskop! Danke fürs Zeigen.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)