Dasydytes ornatus - mal lateral

Begonnen von Martin Kreutz, Februar 23, 2014, 18:18:19 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

in meinem bevorzugten Fundort Simmelried leben zahlreiche Arten von Gastrotrichen (Bauchhärlingen). Einige sind besonders häufig und schwimmen recht häufig durch die Optik. Wenn etwas häufig ist, hält man es nicht mehr für etwas Besonderes und lässt es oft links liegen. Sollte man aber nicht! Eine dieser häufigen Arten ist Dasydytes ornatus, eine Art mit besonders prächtigem Stachelkleid. Diese Stacheln sind geweihähnlich verzweigt und bedecken den gesamten Rücken:


D = Darm
hlW = hinterer, lateraler Wimpernbüschel
lHst = lateraler Halsstachel
K = Kephalion (Kopfplatte)
Ph = Pharynx
RSt = Rumpfstacheln
Set = Setola

Wie diese zum Schutz eingesetzt werden, wird deutlich, wenn man versucht, ein Exemplar mit einer ausgezogenen Pipette zu isolieren. Bei Berührung oder einsetzendem Sog der Pipette, rollt sich Dasydytes wie ein Igel zusammen und präsentiert einen Stachelring nach außen. Welchen Feind er damit abwehren möchte, ist mir leider unbekannt. Ich persönlich vernute Strudelwürmer, aber vielleicht weiß jemand mehr.

Bei meinen Beobachtungen an D. ornatus sind mir auch einige Aufnahmen aus lateraler Ansicht gelungen:


Ez = Eizelle
RSt = Rumpfstacheln
vlW = vordere, laterale Wimpernbüschel
vZ = ventrale Cilien

Auf diesen Aufnahmen erkennt man sehr deutlich, vorher die Gastrotrichen ihren Namen haben. Während die dorsale Seite gepanzert und bewaffnet ist, trägt die ventrale Seite einen Cilienbesatz, mit deren Hilfe sich die Tiere über Oberflächen hinweg bewegen. Bei mir kommt Dasydytes ornatus am häufigsten im Faulschlamm vor. Was die Tiere fressen ist mir unbekannt und ich habe nichts erhellendes darüber lesen können. Der Darm ist fast immer mit hochbrechenden (Fett)kugeln (?) gefüllt. Angeblich sollen viele Gastrotrichen Detritusfresser sein. Ich konnte aber nie Detritusteilchen im Darm finden. Ich weiß aus Erfahrung, dass Dasydytes ornatus häufiger zu finden ist, wenn Purpurbakterien anwesend sind. Ob dies die Nahrung sein mag oder etwas anderes, was die Purpurbakterien frisst, bleibt auch Spekulation.

Die Zurdnung von D. ornatus habe ich nach Schwank & Bartsch durchgeführt:

Schwank, P. & Bartsch, I. (1990): Gastrotricha und Nemertini. – Süßwasserfauna von Mitteleuropa, 3/1 + 2: IX + 262 pp.

Hierzu ist es notwenig die Endform der Rückenstacheln genau zu betrachten:



Im Falle von D. ornatus sind die Gabelungen der Stacheln so geformt, das ein "kurzer Ast" über die Achsel hinaus geht. Wäre dies nicht der Fall, wäre es D. goniathrix. Ein minimaler Unterschied, der auch einer Varianz unterliegt. Deshalb schreiben die Autoren auch, dass die beiden Arten wahrscheinlich identisch sind.

Viel Spass beim anschauen und schönen Abend!

Martin

Michael Plewka

hallo Martin,

zurück von einem mehrwöchigen Aufenthalt im Ausland ohne Internet stelle ich nun fest, dass du mittlerweile ein wahres Feuerwerk an hervorragenden Beiträgen abgezogen hast. Ich bin begeistert! Deine Fähigkeit, neben beeindruckenden Bildern eine entsprechend informative Erläuterung beizusteuern ist wirklich vorbildlich. Hoffentlich kriegen wir in Zukunft weitere Beiträge dieser Qualität von dir zu lesen. Das Stachelkleid dieses Gastrotrichen ist ja sehr beeindruckend, und immer wieder stellt sich die Frage nach der Funktion, in diesem Fall zwischen den Polen: Nachteil (Behinderung beim Kriechen) und Vorteil (Fraßschutz?). Warum sind diese Stacheln eigentlich niemals (soweit ich bei anderen Gastrotrichen gesehen habe)  von irgendwelchen Epibionten, z.B. Zooflagellaten, Bakterien oder Diatomeen besetzt?

beste Grüße Michael Plewka

Manfred Ulitzka

Hallo Martin,

ganz tolle Bilder. Und super dargestellt mit der Beschriftung. Ich kenne diese Tiere nur von Strichzeichnungen aus Büchern.

Interessant finde ich immer, was die Natur so an analogen Erscheinungen hervorgebracht hat. Exakt dieselbe Form geweihähnlicher Haare findet man bei den Larven einiger Phlaeothripiden (Insecta: Thysanoptera).

Vielen Dank fürs Zeigen und herzliche Grüße

Manfred.
www.thrips-iD.de    -    www.thysanoptera.de

Martin Kreutz

@ Michael: Fragen über Fragen! Ich weiß noch nicht mal was die Viecher fressen! Es gibt also noch viel zu erforschen!

@ Manfred: Meiner persönlichen Ansicht nach, gleichen sich viele biologische Strukturen einfach auf Grund von knallharten, physikalischen Gesetzten. So sieht ein Stachel der Akazie einem Stachel des Seeigels ähnlich, eben lang und vorne zugespitzt. Andere Möglichkeiten zum "aufspießen" gibt es nicht. Die Form eines Geweihs mit seinen Verzweigungen ist jedenfalls ideal geeignet, vom distalen Ende kommende Angriffe abzublocken per "Verhakung". Obwohl ich die Freßfeinde von Dasydytes nicht kenne, scheint die "Geweihform" jedenfalls ideal für die Abwehr.

Allen einen schönen Abend!

Martin