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Pilzbefall bei Trachelomonas

Begonnen von Martin Kreutz, Juli 22, 2014, 14:25:33 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

einige Arten der Gattung Trachelomonas sind in meinem bevorzugten Fundort Simmelried so häufig, dass sie mir manchmal fast die Sicht versperren. Ich versuche das Gewimmel immer mental auszublenden. Jedoch bemerkte ich vor einigen Wochen in einer alten Probe, dass manche Zellen eher bräunlich als grünlich erschienen. Ich habe mir die Sache dann mal näher angeschaut. Die Population in dieser Probe bestand hauptsächlich aus Trachelomonas hispida:



Die Zellen werden ca. 25 – 35 µm lang, haben einen kurzen Kragen und sind mit mehr oder weniger gut ausgebildeten, kegelförmigen Stacheln besetzt. In einigen Zellen konnte ich jedoch einen hochbrechenden Fremdkörper erkennen, bei dem es sich um einen parasitischen Pilz handelt:


PZ = Pilzzelle
TE = Zellteilung Trachelomonas-Zelle (zufällig im Bild)

Dieser Pilz kam mir vom optischen Erscheinungsbild sehr bekannt vor, da ich ähnliche Pilzzellen schon sehr oft in Euglena beobachtet habe. Ich habe einige Zellen gequetscht, und fand meistens eine parasitische Pilzzelle, in einigen wenigen aber auch zwei:


TR = Trachelomonaszelle
PZ = Pilzzzelle

Im Zusammenhang mit diesem Fund möchte ich auch auf den Mikroskosmos Artikel von Bernd Laber verweisen, der diesen Pilz in Euglena und Trachelomonas gefunden hat und den er mit Sphaerita endogena identifiziert:

Laber, B.: Parasiten der Augenflagellaten Euglena und Trachelomonas. Mikrokosmos 10, 172 – 179 (2013).

Eventuell handelt es sich bei ,,meinem" Pilz um den gleichen Parasiten, jedoch gibt es ein auffäliges Merkmal, der ihn offensichtlich unterscheidet. Die folgenden Bilder kann ich schwer interpretieren, aber offensichtlich scheint ,,mein" parasitische Pilz ein ,,Verhalten" zu zeigen:



TR = Trachlomonaszelle
PZ = Pilzzelle
? = unbekannte Struktur

Nach meiner bisherigen Interpretation scheint der Pilz die Trachelomonas-Zelle ab einem gewissen Reifestadium aus dem Gehäuse der Wirtszelle herauszudrängen. Dieses Verhalten beschreibt Bernd Laber für Sphaerita endogena nicht. Interessanter Weise geschieht dies nur selten durch die bereits vorhandene Gehäuseöffnung, sondern meist seitlich in der vorderen Gehäusehälfte. Bei einem Foto erkennt man auch geißelartige Strukturen (mit ,,?" gekennzeichnet), von denen ich nicht sagen kann, ob sie zur Pilzzelle gehören oder ob es eine Art Membran ist, die man im optischen Schnitt sieht. Ich konnte diesen ,,Ausstoßungsvorgang" häufig beobachten. Mir ist kein vergleichbarer Vorgang bei einem Pilzbefall unter Protozoen bekannt.

Nachdem die parasitische Pilzzelle die Wirtszelle ,,höflich hinauskomplimentiert" hat, scheint sie sich mit einer eigenen, derben Hülle zu umgeben:


PZ = Pilzzelle
? = unbekannte Struktur

Eventuell findet dann in dieser Hülle die vegetative Vermehrung statt, was ich jedoch nicht beobachten konnte.

Für mich ergeben diese Funde bisher noch keinen richtigen Sinn. Nach den obigen Bildern scheint die Pilzzelle endoparasitisch zu sein, scheint also in die Wirtszelle einzudringen (wie bei Euglena). Auf den anderen Aufnahmen scheint er aber ab einem gewissen Reifezustand die Wirtszelle wieder zu verlassen und die Wirtszelle zum ,,aussteigen" zu bewegen, um schließlich alleine im ehemaligen Gehäuse von Trachelomonas zu liegen. Evtl. handelt es sich um einen Tarnmechanismus der Pilzzelle, in dem sie sich mit dem Trachelomonasgehäuse ergibt. Wenn dem so wäre, könnte man hier schon von einem ,,taktischen" Verhalten auf zellulärer Ebene sprechen. Wie ich finde, jedenfalls ein interessanter Fund.

Neben diesem endoparasitischen Pilz in Trachelomonas hispida konnte ich auch noch einen exoparasitischen Pilz auf Trachelomonas volvocina beobachten. Hier erkennt man deutlich die außen auf der Gehäuseoberfläche anhaftenden Pilzzelle, von denen nach meiner Interpretation einen Hyphe, durch die Gehäusewandung hindurch, die Wirtszelle parasitiert:


GE = Geißel von Trachelomonas volvocina
PZ = Pilzzelle
HY = Pilzhyphe

Diese Art eines Exoparasiten, den ich ebenfalls nicht zuordnen kann, bin ich bisher auch nur einmal begegnet.

Viel Spaß beim anschauen!

Martin

 

Ernst Hippe

Hallo Martin,
wieder mal sehr interessant! Der Exoparasit auf Trachelomonas wurde neulich auch im US-Forum gezeigt, allerdings in mäßiger Bildqualität.
Gruß Ernst Hippe
Vorstellung:Hier klicken

Martin Kreutz

Hallo Ernst,

meinst Du das Video von "carlos.uruguay"? Das habe ich zwar gesehen, halte das anhaftende Objekt aber eher für eine kleine Chrysophycee oder Schwärmer einer Tetraspoales. In dem thread wird von einem anderen Teilnehmer auch vermutet, dass es eine epiphytische Alge sein kann. Schwer zu sagen, er hat das Objekt nicht festgelegt. Ich selbst habe im Netz auch noch was rumgesucht, aber nichts erhellendes gefunden.

Bis bald!

Martin

 

Eckhard

Hallo Martin,

interessante Funde zeigst Du da! Wie sieht denn der Protoplast von Trachelomonas nach dem Rausschmiss aus der Lorica aus? Ist die Plasmamembran noch intakt?  

Insgesamt sehr rätselhaft, ein klarer Fall von rechtswidriger Hausbesetzung  ;D

Herzliche Grüsse,
Eckhard

Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Martin Kreutz

Hallo Eckhard,

nach meinen Beobachtungen scheint der Protoplast von Trachelomonas nach dem Rauswurf völlig unbeschädigt. Auf einer der obigen Fotos kann man sogar erkennen, dass er auch noch seine Geißel trägt. Ich glaube inzwischen, hier einen Schutz- und Fluchtmechanismus von Trachelomonas zu sehen. Die meisten Trachelomonaszellen schienen nämlich nicht entfliehen zu können, sondern wurden in ihrem eigenen Gehäuse das Opfer des Parasiten, der die Zelle fast komplett phagozytiert. Meiner Ansicht nach gelingt es jedoch einigen Trachelomonaszellen die parasitische Pilzzelle wieder auszuscheiden und danach das Gehäuse zu verlassen, was dann auf den ersten Blick wie ein Rauswurf durch die Pilzzelle auszieht. Hier noch ein weiteres Foto von 2 befallenen Trachelomonas, für die eine Flucht wohl nicht mehr in Frage kommt, da von den Zellen kaum noch etwas übrig ist. Im oberen Teil des Bildes, mit einem Pfeil gekennzeichnet, sieht man eine Trachelomonaszelle, welche gerade ein neues Gehäuse baut. Dies erkennt man daran, dass die Zelle verkehrt herum in dem Gehäuse liegt (Augenfleck nach hinten). Dies kann eine zufällig Konstellation sein, weil natürlich auch Zellen aus Teilungen neue Gehäuse bauen, es könnte jedoch auch ein "Flüchtling sein, der nun ein neues Heim braucht:



Beim nochmaligen durchschauen der Bilder habe ich auch noch eine leeres Gehäuse am Bildrand gefunden, welches vorher durch den Pilz befallen war. Hier sieht man sehr deutlich, dass sich der Pilz eine eigene Zellwand aufbaut, in der meiner Ansicht nach die Sporenreifung stattfindet. Diese müssen so klein sein, dass sie durch die Gehäuseöffnung entfliehen können, da sonst keine Öffnung zu sehen war. Diesen Vorgang konnte ich aber leider nie beobachten:


PH = Pilzhülle (Zellwand)
TH = Trachelomonashülle (Gehäuse)

Aber alles natürlich nur Theorie ohne Beleg!

Martin

Bernd

#5
Hallo Martin,

eon faszinierender Befund, wie immer beispielhaft fotografiert und dokumentiert. Es handelt sich ganz sicher um den oder die gleichen Parasiten, die von dir und mir in MIKROKOSMOS-Artikeln und von dir in den Protozoological Monographs gezeigt und beschrieben wurden. Ich habe solch einen Parasiten zwischenzeitlich auch in Peranema sp. gefunden.

ZitatIm Zusammenhang mit diesem Fund möchte ich auch auf den Mikroskosmos Artikel von Bernd Laber verweisen, der diesen Pilz in Euglena und Trachelomonas gefunden hat und den er mit Sphaerita endogena identifiziert:
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß ich diesen Pilz gerade NICHT für Spharita endogena gehalten habe und immer noch halte.

Obwohl ich es auf deinen Fotos sehe, kann ich es kaum glauben, daß der im Vergleich zur Wirtszelle sehr große Parasit aus der Trachelomonas-Zelle herausgepreßt werden kann, ohne daß diese platzt, ja daß diese sogar weiterlebt. Für mich ein absolutes Rätsel, wie das funktionieren soll.

Falls du die Probe noch hast, such doch mal nach den Reifestadien des Parasiten. Ich bin mir sicher, daß sich der Inhalt der Sporangien in zweigeißelige Zoosporen differenziert und diese dann freigesetzt werden.

Viele Grüße
Bernd

Martin Kreutz

Hallo Bernd,

tsja, wenn man nicht richtig lesen kann, kommt so was raus! Ich habe das Wörtchen "nicht" in deinem Artikel glatt überlesen! Entschuldigung, auch bei allen Mitlesern!

Ja, ich habe diesen parasitischen Pilz mit diesem Erscheinungsbild auch schon in vielen anderen Euglenophyceen gefunden. Zu nennen wäre Euglena acus, Euglena oxyuris, Phasus longicauda, Heteronema spec. und Astasia spec. (s. Foto):

 

Faktum ist jedoch, dass der Parasit optisch zwar immer ähnlich aussieht, was aber nichts zu sagen hat. Eventuell liegen hier unterschiedliche Arten vor, die auch wirtsspezifisch sein können.

Die "Fluchtreaktion" von Trachelomonas nach ausscheiden des Parasiten ist ja auch nur eine wilde Theorie. Ob das wirklich möglich ist, kann ich nicht sagen. Jedoch halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass die Wirte im Laufe der Evolution einen Abwehrmechanismus entwickelt haben.

Die Probe habe ich leider nicht mehr. Aber Trachelomonas hispida ist hier sehr häufig und man muss die Proben nur lange genug stehen lassen. Ich bin mir sicher, dass es ein Wiedersehen gibt. Und dann fühle ich den Jungs mal auf den Zahn!

Schönen Abend!

Martin