Botanik: Amerikanischer Amberbaum (Liquidambar styraciflua) „Was zum Kauen“*

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Oktober 07, 2014, 09:42:25 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Amberbaum stammt aus Nordamerika, sein Lebensraum erstreckt sich von New York bis nach Nicaragua. Die Pflanze wurde 1681 als Zierbaum in Europa eingeführt. In seinen Heimatgebieten ist der Amberbaum forstwirtschaftlich sehr wichtig. Heute steht Liquidambar im Volumenaufkommen nordamerikanischer Laubhölzer hinter den Eichen an zweiter Stelle.
In Nordamerika umfasst die Gattung Liquidambar 5 Arten.
Der Name kommt aus dem Lat. ,,liquidus" und bedeutet flüssig, amber = aromatischer Balsam oder Styrax.
Amerikanischer Styrax (syn. Honduras – Balsam) enthält 30 – 50% Harz.
Während der Balsam von Liquidambar – Arten auch als ,,Flüssiger Styrax" bekannt ist, versteht man unter ,,Festem Styrax" das Harz von Styrax officinalis (Echter Storaxbaum).
Styrax wird in der Mikroskopie als Einbettmedien für Diatomeen verwendet. Styrax ist ein flüssiger Balsam aus der Rinde von Liquidambur orientalis. Nach Literatur liegt der Brechwert bei 1,58 - 1,63
Ergänzung der Brechwerte : n=1,611 @ 385nm ; n=1,594 @ 455nm ; n=1,566 @ 1000nm
Den Grundstoff, Storax resin, gibt es zu kaufen. Es handelt sich um ein Harz des Orientalischen Amberbaums (Liquidambar orientalis). Dieses muss aber noch durch mehrfaches Umlagern und Filtrieren in Chloroform gereinigt werden.
Der Amberbaum erreicht eine Höhe bis zu 50 Meter und ist damit einer der höchsten Laubbäume der Erde.
Die glänzend dunkelgrünen Blätter verfärben sich im Herbst orangefarben, rot oder lila, sehr dekorativ. Der Amberbaum gehört zum Erscheinungsbild des ,,Indian Summer".
Die bis zu 20 cm breiten Blätter erinnern an die eines Ahorns, stehen aber wechselständig.
Die Blätter dieses Baumes sind fünfzählig gelappt, wenn man sie zwischen den Fingern zerreibt, verbreiten sie einen angenehmen, süßlichen Duft.
Die Kapselfrüchte sind braun, Durchmesser 3 cm. Solitär, anspruchslos, aber wertvoll. Das Laub ist stark eingeschnitten.
Floristen nutzen die aus schnabelförmigen Kapseln zusammengesetzten Fruchtstände als Trockenschmuck.
Die Blüten sind eingeschlechtlich und zu kugelförmigen Blütenständen vereint; die männlichen Blütenstände blühen aufrechtstehend, während die weiblichen Blüten herabhängen. Farbe: grün, unscheinbar.
An angeritzten Stämmen tritt wohlriechender Harzbalsam aus.
Das Holz enthält Zimtsäure, die angenehm schmeckt und riecht und deshalb auch Bestandteil vieler Arzneien  und Genussmitteln ist.
Der angenehme duftende Balsam wurde zuletzt nur noch in der Volksheilkunde als Mittel gegen Husten und Erkältungskrankheiten verwendet, häufig noch äußerlich gegen Krätze.
Wirkstoffe sind: Ätherisches Öl mit Zimtsäure (5 – 15 %) und ihren Estern, Vanille, Styrol; Harze(Storesine) mit Oleanolsäure. Das Saponin Oleanolsäure ist ein natürlicher Bestandteil einer Reihe von Pflanzen.
Das Harz des Amerikanischen Amberbaumes dient der Herstellung von Parfümen, Klebstoffen und Ölen.
Die Azteken würzten mit diesem ,,Amerikanischen Styrax" ihren Tabak.
Aus der Rinde des Baumes wird Sweetgum für Kaugummis gewonnen.
Neben dem Kauen dieses Indianerkaugummis wurden auch zerfaserte Wurzeln als Zahnbürsten verwendet und nachfolgend mit kalten oder warmen Pflanzenauszügen gespült.
Aus dem Stamm wurde traditionell ein flüssiges Balsamharz gewonnen, das die Indianer als natürliches Kaugummi nahmen. Heutzutage wird es immer noch in industriell hergestellten Kaugummis verwendet.
In Nordamerika schätzen Tischler das rotbraune Kernholz als ,,Nuss – Satinholz" für Furnier.  
Vom Aussehen her erinnert das Holz an Walnussholz und hat eine sehr schöne Maserung, die zurzeit bei hochwertigen Wohn- und Büromöbeln sehr im Trend ist.

Systematik:

Ordnung: Steinbrechartige (Saxifragales)
Familie: Altingiaceae
Gattung: Amberbäume (Liquidambar)
Art: Amerikanischer Amberbaum
Wissenschaftlicher Name:Liquidambar styraciflua
Volkstümliche Bezeichnung: Seesternbaum oder fälschlich Storaxbaum
Englischer Name:  Sweetgum, Redgum oder alligator-wood

Bild 01 Ein Amerikanischer Amberbaum (Liquidambar styraciflua) im Herbst fotografiert.

Quelle: Wikipedia
Foto: Sanchezn - Eigenes Werk

Bild 02 Die Blätter dieses Baumes sind fünfzählig gelappt

Foto: H.-J. Koch


Teil 1 zweijähriger Spross, Querschnitt, 30 µm

Bild 03 Übersicht, ungefärbter Spross, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)



Bild 04 Übersicht, negativ, ungefärbter Schnitt, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)


Bild 05 Vergrößerung, ungefärbter Schnitt, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)


Bild 06 Vergrößerung, ungefärbter Schnitt, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)


Bild 07 Markparenchym, ungefärbter Schnitt, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)


Bild 08 kleine Korkleisten, ungefärbter Schnitt, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Der ältere Spross ist kahl, braun bis rotbraun und  meist mit auffälligen, unregelmäßigen Korkleisten bestückt.

Bild 09 Trichome, ungefärbter junger Spross, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Trichome sind Anhangsgebilde der Epidermis, die durch Auswachsen einzelner Epidermiszellen entstanden sind.  Den über der Epidermis hinausragenden Teil bezeichnet man als Schaft. Auf Fuß und Schaft scharf eingestellt.


Bild 10 Calciumoxalat - Kristalle, ungefärbter Schnitt, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

In die Zellwand sind Calciumoxalat – Kristalle eingelagert. In der Regel liegen die Kristalle im Vakuolenraum, doch sind sie bisweilen auch in anderen Bereichen der Zelle zu finden.

Bild 11 Xylem, ungefärbter Schnitt, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)



3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Arbeitsablauf :

1. Schnitte  liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung  5 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.    12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung nur 1 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis  4 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan

Ergebnis :

Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahmen wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.


Bild 12 Gegenüberstellung, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Da die Schnitte von Natur aus recht dunkel sind, habe ich einige mit Klorix behandelt. 1 Teil Natriumhypochlorit und 4 Teile Wasser. Die Einwirkzeit  betrug 9 Minuten. Alle Schnitte zusammen gefärbt, die Färbezeit mit Astrablau ist jedoch auf 1 Minute reduziert.


Bild 13  Übersicht, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)



Bild 14  Vergrößerung aus der Übersicht, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)



Bild 15  Vergrößerung aus der Übersicht, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Trichome und kleine Korkleiste

Bild 16  Vergrößerung aus der Übersicht, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Harzkanal

Bild 17  Vergrößerung aus der Übersicht, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

EP = ausgebildete Epithelzellen, vZ = verdickte Zellen
Als Harzkanal bezeichnet man einen langgestreckten, röhrenförmigen interzellularen Raum, der mit harzausscheidenden Epithelzellen ausgekleidet ist. Im Holz verlaufen die Harzkanäle längs und quer zur Stammachse. Sie sind miteinander vernetzt und bilden ein zusammenhängendes, dreidimensionales System.

Bild 18  Vergrößerung aus der Übersicht mi Beschriftung, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

MP = Markparenchym, XY = Xylem, H = Harzkanal, PH = Phloem, J = Jahresringgrenze
PK = unterbrochener Sklerenchymring, P = Periderm, R = Rindenparenchym

Bild 19  Vergrößerung aus der Übersicht, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)


Bild 20  Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

XY = Xylem, T = Trachee, K = mehrschichtiges Kambium, SK = Sklerenchymring, PH = Phloem, R = Rindenparenchym

Bild 21 Dunkelfeld, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)


Bild 22 Polarisation, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Die Hintergrundfarbe wurde durch eine in den Strahlengang gelegte CD –Hülle verändert.


Bild 23 Polarisation, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Die Hintergrundfarbe wurde durch eine in den Strahlengang gelegte CD –Hülle verändert.

Bild 24  Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Bild 25  Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10


Teil 2 Blattstiel, Querschnitt, 30 µm

Bild 26 Übersicht,  Amberbaum (Liquidambar styraciflua)



Bild 27  Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

XY = Xylem, K = Kambium, SK = Sklerenchymzellen, CU = Cuticula, PH = Phloem, SE = Sekretgang, EP = Epidermis, HY = Hypodermis, R = Rindemparenchym

Bild 28  Vergrößerung aus der Übersicht, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)


Bild 29 Dunkelfeld, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)



Bild 30 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Amberbaum (Liquidambar styraciflua)

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Fazit:

Bei der Probenentnahme habe ich eine Gartenzange verwendet. Die Rinde vom Spross hat sich dabei leider gelöst. Ich hatte glücklicherweise genügend Material und konnte mir eine unbeschädigte Stelle für meine Schnitte suchen. Jetzt benutze ich eine kleine scharfe Rosenzange.

Quellenangaben :

Wikipedia; Freie Enzyklopädie.
P. Schütt ,,Lexikon der Baum- und Straucharten, ISBN: 978-3-86820-123-9
Kosmos Baumführer Europa, ISBN: 978-3-440-11741-5
Schmidt Peter. A. /Hecker Ulrich ,,Taschenbuch der Gehölze", ISBN: 978-3-494-01448-7
Aas Gregor/ Riedmiller Andreas ,, Bäume" ISBN 3-7742-4058-2
Sphohn  ,, Kosmos-Baumführer Europa" ISBN 978-3-440-11741-5
Katherina Esau ,,Pflanzenanatomie"  1969
Schmeil ,,Leitfaden der Pflanzenkunde" 1950
G.Wanner ,,Mikroskopisch – Botanisches Praktikum" ISBN: 3-13-440312-9
Tahca Ushte – Medizinmann der Sioux von JOHN FIRE LAME DEER (Lakota) & RICHARD ERDOES
LYNCH, J. (Herausgeber), (2001): Geheimnisvolle Indianerkulturen. ECO Verlag
RÄTSCH, CH. (1991): Indianische Heilkräuter. Tradition und Anwendung.
Ein Pflanzenlexikon. Diederichs Gelbe Reihe, Eugen Diederichs Verlag, München.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

koestlfr

Moin Hans-Jürgen!

Wieder ein aussergewöhnlich spannender und super dokumentierter Beitrag! Toll!

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

Rawfoto

Lieber Hans-Juergen

Wo Franz recht hat gibt es nicht viel zu ergaenzen ...

Liebe Gruesse auch von mir

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für den informativen und schön bebilderten Beitrag. Tolle Schnitte!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Jan Kros


Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

danke für Euer Interesse zum Amerikanischen Amberbaum und für Euer Lob.

@ Jan,

es freut mich besonders, dass Du wieder aktiv bist.
Die restlichen Schnitte vom Spross und vom Blattstiel können wir ja beim "Wohldenberg Treffen 2015" zusammen färben.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"