Ein Holzschnitt im Licht verschiedener Mikroskopie-Verfahren

Begonnen von Schrodt, Oktober 25, 2014, 16:48:49 NACHMITTAGS

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Schrodt

Hallo Mikrofreunde,

Gerd (plaenerdd) hat mich mit seiner Antwort zu meinem Bericht über die Spiegelreflexmikroskopie von Holzschnitten dazu angeregt, die Bilder
der Spiegelreflexmikroskopie mit den Bildern anderer Mikroskopie-Verfahren zu vergleichen.
In dem nachfolgenden Beitrag habe ich meine Vergleichsergebnisse zusammengestellt.

Fazit:

Wie zu erwarten war, ergeben die Durchlichtverfahren • Hellfeld, Dunkelfeld, Phasenkontrast, Polarisationskontrast und Interferenzkontrast • je nach
Aufgabenstellung gute Ergebnisse.
Die Spiegelreflexmikroskopie mit Auflicht-Interferenzkontrast ergibt jedoch ästhetisch die ausdrucksvollsten Bilder.

Anne hat das so schön ausgedrückt:  " Besonders viel Freude macht das Spiel mit der Farbe und der räumliche Effekt " .

Viel Vergnügen beim Anschauen und Vergleichen.

Beste Grüße
Jürgen aus Hemer















plaenerdd

#1
Hallo Jürgen,
Danke für die Mühen, aber jetzt bin ich ganz schön geschockt muss ich zugeben. Ich dachte das wären gefärbte Schnitte, die Du in Deinem ersten Holzschnittebeitrag gezeigt hast und die verschiedenen Farben spiegeln verschiedene Chemismen wieder. Welche Information lässt sich - abgesehen von der Ästhetik - aus den Farben ziehen?

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Schrodt

Hallo Gerd,

ich habe in der Beschreibung des Holzschnitt-Präparates versäumt zusagen, dass der Holzschnitt ungefärbt ist und eine natürliche hellgelbe Farbe hat.

Die Farbenspiele entstehen in den Bildern mit dem Polarisations-und Interferenzkontrast als optische Färbung mit Interferenzfarben.

Die verschiedenen Farben sind bei der Polarisationsmikroskopie eine wichtige Hilfe für Bestimmungsaufgaben. Z.B. Bestimmung der gesteinsbildenden Minerale bei Dünnschliffen mit der Michel-Levy-Interferenzfarbentafel,
oder in der Biologie zur Kontrastierung usw.-----.

Beste Grüße
Jürgen aus Hemer

plaenerdd

Hallo Jürgen,
was die Polarisationsmikroskopie in der Kristallografie und Gesteinsuntersuchung leistet ist mir durchaus bewusst (ich habe Geologie studiert). Auch zum Aufspüren kristalliener Struckturen in biologischen Objekten (Kalzit-Kristalle in Algen, Stärkekörner) benutze ich es. Bei den Dünnschliffen arbeitet man mit genau definierten Dicken und die verschiedenen Farben lassen Rückschlüsse auf Art und Stärke der Doppelbrechungen zu. Bei den Holzschnitten habe ich aber nicht die definierten Dicken, so dass die verschiedenen Farben wohl eher unterschiedlich dicke Zellwände bzw. Zellwandpakete wieder zu spiegeln scheinen, bzw. unterschiedliche Richtungen der Faserverläufe. Die Strukturen ändern sicher auch die Farben, wenn man den Schnitt dreht, oder?

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Schrodt

Hallo Gerd,

vielen Dank für Deine schnelle Antwort. Aus Deiner Fragestellung konnte ich nicht entnehmen, dass Du über die Polarisationsmikroskopie so gut informiert bist und sich Deine Frage nur speziell auf die Farben bei den Holzschnitten bezog. Ich habe die Frage nach den Farben daher auch nur allgemein beantwortet. Entschuldige das bitte !!! Ich teile Deine Ansicht hinsichtlich der Beteiligung der Zellwände an der Farbentstehung.

Meine vereinfachende Erklärung für die Interferenzfarben bei den Holzschnitten ist folgende:

Die Holzschnitte haben nach meiner groben Schätzung nur eine Dicke von ca. 15 µm. Sie wurden wahrscheinlich mit Eau de Javelle von den Zellinhalten befreit. Die verbleibenden Zellwände haben eine starke Doppelbrechung.
Sie haben Zellelemente mit unterschiedlichen Dicken und mit mehr oder weniger starken Verholzungen. Durch die Unterschiede in den Dicken, Verholungzungsgraden und Zellelementen entstehen unterschiedliche Doppelbrechungen
und daraus verschiedene Interferenzfarben.
Die verschiedenen Zellelemente sind dadurch auch gut erkennbar und die Mikrofotos haben einen hohen Informationsgehalt. Wenn man den Schnitt dreht, ändern sich auch die Farben der Strukturen !

Beste Grüße
Jürgen aus Hemer

Dünnschliffbohrer

Hallo in die (Diskussions-)Runde,

Die Doppelbrechung der Zellwände dürfte auf die Zellulosefibrillen, aus denen sich die Zellwand aufbaut, erzeugt werden.

Diese bilden, wie die Physiker sagen, einen so gen. "Stäbchenmischkörper", bei denen die höher lichtbrechenden Fibrillen, d.h. lauter paralelle submikroskopische "Stäbchen" in eine niedriger lichtbrechende Grundsubstanz eingebettet sind (könnte bei der lebenden nicht chemisch weiter behandelten Pflanze das Lignin sein, müsste ich aber zur Sicherheit noch einmal nachlesen).

Durch die Geometrie der höher- und niedriger lichtbrechenden Formelemente wird dann die Doppelbrechung erzeugt: so gen. Formdoppelbrechung, bzw. hier im speziellen Falle : Faserdoppelbrechung.

Bei den Stärkekörnern sollte es m.E. auch eine Formdoppelbrechung durch die langgestreckten Stärkemoleküle sein - kristallin ist die Stärke nicht. - Dsb.
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Schrodt

Hallo Dsb,

vielen Dank für Deine interessante, tiefergehende und einleuchtende Information zur Doppelbrechung der Zellwände.

Beste Grüße
Jürgen aus Hemer