Belaria bicorpor aus Tümpel V

Begonnen von Martin Kreutz, Dezember 30, 2014, 18:07:26 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

seit ca. 8 Jahren beschäftige ich mich mit sehr kleinen Schalenamöben, die meistens nicht größer als 20 µm werden und zu denen z.B. auch Microgromia gehört. Auf diese winzigen Viecher wurde ich erst aufmerksam, als ich im Simmelried den "Tümpel V" genauer unter die Lupe nahm. Im Simmelried selber gibt es einen Hauptweiher, der für jegliche Untersuchungen nicht erreichbar ist (breiter Schilf- und Schlickgürtel). An seiner Süd-Ost-Seite gruppieren sich jedoch einige Tümpel, aus denen alle Simmelriedfunde stammen und die ich von I-VI durchnumeriert habe. Natürlich habe ich auch Tümpel V schon Anfang der 90er Jahre untersucht, aber nur sehr wenige Arten an Protozoen und Metazoen gefunden. Ursache hierfür ist ein "Gallertdeckel", der den ca. 1 m großen Tümpel komplett bedeckt und der im Sommer auf ca. 10 cm Dicke anwachsen kann:



Unter dieser Gallertlage geht es ziemlich anerob zu und es kann auch keine Falllaub nach unten sinken. Deshalb befindet sich unter der Gallertschicht, welche hauptsächlich aus Kolonien der Cyanobakterie Microcystis besteht, eine Art toter Zone.

Erst im Jahre 2006 habe ich mir den Tümpel nochmal vorgenommen und versucht, etwas in der dicken Gallerte zu finden. Dazu ist eine etwas eigenwillige Probenpräparation nötig, die ich hier im Forum auch schon gezeigt habe (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=18799.msg143504#msg143504). Erst in der gequetschten und ausgebreiteten Gallerte fand ich dann zahlreiche, sehr kleine Vertreter der Schalenamöben wie Microgromia, Cryptodifflugia oder Apogromia. Diese Gruppen von Testaceen wurden 1934 von de Saedeleer eingehend untersucht. Dabei hat er auch eine Art beschrieben, die ich lange vergeblich gesucht habe. Es handelt sich um Belaria bicorpor, einer doppelt gekammerten Schalenamöbe. Ich hatte dieses Jahr das Glück, sie auch mal zu Gesicht zu bekommen. Die folgenden Aufnahmen zeigen das einzige gefundene Exemplar. Die rechte Aufnahme wurde im Hellfeld aufgenommen. Darunter habe ich die Originalzeichnungen von de Saedeleer einkopiert:


KV = kontraktile Vakuole
ZK = Zellkern
PO = Porus

Das Exeplar ist 11 µm lang und somit etwa 20 % kleiner, als de Saedeler angibt. Der Zellkern mit einem zentralen Karyosom misst 1,9 µm im Durchmesser. Im Plasma des Zellkörpers sind nur wenige Einschlüsse zu erkennen. Der Grund hierfür liegt in der besonderen Funktion der Vorkammer. Durch einen 1-3 µm großen Porus ist die Hauptkammer mit der Vorkammer verbunden. Die Amöbe zieht mit den Filopodien Bakterien in die Vorkammer, wo sie bereits verdaut werden. Auf den Bildern oben kann man auch Bakterien in der Vorkammer erkennen. Reste werden dann nach außen wieder entleert, ohne dass eine Nahrungsvakuole in den Hauptkörper der Amöbe hinaufwandert, was durch die Dimension des Porus auch nicht möglich wäre. Eventuell ist die Kammerbildung als Schutz gegen Fressfeinde gedacht, weil ein Angreifer den Plasmakörper der Amöbe kaum durch den engen Porus "herauslöffeln" könnte. Aber das ist natürlich reine Spekulation.

Viel Spass beim anschauen!

Martin

Literatur

De Saedeleer, H.: Beitrag zur Kenntnis der Rhizopoden: morphologische und systematische Untersuchungen und ein Klassifikationsversuch Verh. Koninkl. nat. Mus. Belge, 60, 1-112 (1934).  

Kreutz, M.: Spurensuche nach der Testaceengattung Microgromia. Mikrokosmos 101, 168-175 (2012).



Eckhard

Hallo Martin,

Das ist ja ein spannender und seltener Fund! Fehlt noch in unserer Sammlung auf Penard.de  ;D

Herzliche Grüsse und einen guten Rutsch,
Eckhard
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