Botanik: Behaarter Kälberkropf, eine Charakterpflanze der Gebirgsbäche. *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Februar 05, 2015, 14:19:36 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

Chaerophyllum hirsutum, der Behaarte Kälberkropf oder auch Berg-Kerbel, kommt auf feuchten und schattigen Gebirgswiesen in Europa vor.
Die Gattung Kälberkröpfe (Chaerophyllum) umfasst ca. vierzig Arten.
Chaerophyllum hirsutum wurde 1753 von Carl von Linné in Species Plantarum, Band 1, Seite 258, erstveröffentlicht. Carl von Linné war ein schwedischer Naturforscher, der mit der binären Nomenklatur die Grundlagen der modernen botanischen und zoologischen Taxonomie schuf. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet ,,L.".
Synonyme für Chaerophyllum hirsutum sind:
Bellia hirsuta (L.) Bubani, Chaerophyllum cicutarium Vill., Chaerophyllum pallescens C.Presl ex DC., Chaerophyllum palustre Lam. und Chaerophyllum umbrosum Jord.
Der Behaarte Kälberkropf wird  20 bis 120 cm hoch. Die Art ist eine mehrjährige krautige Pflanze (Hemikryptophyt) mit walzlicher, gegliederter oder etwas kriechender Grundachse. Der Stängel ist lang, rund, glatt oder etwas gerillt, abstehend behaart und oben ästig. Die Laubblätter sind im Umriss breit-dreieckig, dreizählig, im Vergleich zum Gold-Kälberkropf flächig, dunkelgrün, borstig-flaumig behaart, bisweilen aber auch ganz kahl. Die unteren Blätter und die Grundblätter sind lang gestielt, die oberen Stängelblätter sitzen oft auf der Scheide. Die Dolden sind vor dem Aufblühen überhängend und 10- bis 20-strahlig. Die Hülle fehlt oder besteht aus ein bis zwei hinfälligen Blättchen. Die Hüllchenblätter sind lanzettlich zugespitzt, breit weißhautrandig, bewimpert und ungleich geformt. Die Kronblätter sind verkehrt-herzförmig, etwas ausgerandet, am Rand deutlich bewimpert und weiß oder rosa gefärbt. Die Frucht ist linealisch, nach oben verjüngt, 6 bis 13 mm lang und reif gelb- bis dunkelbraun werdend. Die Blütezeit ist im hohen Sommer (Mai bis Juli).
Der Behaarte Kälberkropf ist eine ausdauernde Pflanze. Der wissenschaftliche Name leitet sich von griech. Chairein  = freuen und phyllos  = Blatt ab, und bezieht sich wahrscheinlich auf die schönen, frischgrünen Blätter. Gewöhnlich wird der griech. Name als ,,liebliches Blatt"  wegen Duft und Geschmack der Laubblätter gedeutet, was aber den Grenzen der griech. Wortbildung widerspräche. ,,Kropf" deutet vielleicht auf die unter den Knoten angeschwollenen Stängel vieler Arten hin.
Blüten mit unangenehmem Geruch nach Aminen. (Amine sind Verwandte des Ammoniaks, wobei ein, zwei oder drei Wasserstoffatome durch organische Reste ersetzt werden). Die proterandrischen Blüten werden deshalb häufig von Käfern und Fliegen aufgesucht.
Proterandisch bezeichnet in der Fortpflanzungsbiologie der Botanik und Zoologie unterschiedliche Reifezeitpunkte der weiblichen bzw. männlichen Geschlechtsorgane bei zwittrigen Pflanzen oder Tieren.
Neben der Klettverbreitung spielt die Verschwemmung der Samen eine Rolle bei der Ausbreitung.
Die vegetative Vermehrung erfolgt durch Rhizome, die zu einer ausgeprägten Polykormbildung führen können. Aus den Rhizomen, treiben also mehrere aufrechte Sprosse aus.

Bei der Bayerisch Landesanstalt für Landwirtschaft  gibt es diesen Hinweis.
Der Behaarte Kälberkropf wird bei verstärktem Auftreten zum Grünlandunkraut.
Die Pflanze hat einen geringen Futterwert und wenig Rohfasern, sie wird wegen ihres unangenehmen Geruchs ungern von Tieren gefressen. Massenhaftes Auftreten vor allem bei hohem Stickstoffangebot. Zurückdrängen durch Beweidung im Frühjahr, geringere Düngung, häufigeren Schnitt, Einsaat von Kahlstellen.
Direkte Bekämpfung erfolgt mit dem Unkrautvernichter: ,,Glyphosat".
Es ist eine biologisch wirksame Hauptkomponente einiger Breitbandherbizide und wird seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre in der konventionellen Landwirtschaft weltweit sowohl zur Unkrautbekämpfung als auch zur Beschleunigung der Erntereife von Nutzpflanzen (Getreide, Kartoffeln) eingesetzt.

Bild 01 Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)

Quelle:  Bothanic Garden in Poznan, Poland
Photo: Radomil

Systematik:

Familie: Doldenblütler (Apiaceae)
Unterfamilie: Apioideae
Tribus: Scandiceae
Untertribus: Scandicinae
Gattung: Kälberkröpfe (Chaerophyllum)
Art: Behaarter Kälberkropf
Wissenschaftlicher Name: Chaerophyllum hirsutum
Volkstümliche Bezeichnung: Rauhaariger Kälberkropf, Wimper-Kälberkropf, Bergkerbel oder Bach-Kälberkropf


Teil 1: Spross, Querschnitt, 30 µm

Meine Pflanzenproben habe ich an der Weser am ,,Badener Berg" gesammelt.

Bild 02 Schnittstelle, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)

Der Spross ist röhrig (blaue Pfeile), nur in den Verzweigungen zeigt sich das vollständige Markparenchym. Der Stängel ist unter den Knoten nicht deutlich verdickt.

Bei den Bildern 03 bis 07 handelt es sich um ungefärbte Schnitte.

Bild 03 Übersicht, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 04 Vergrößerung, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 05 Vergrößerung, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 06 Dunkelfeld,  Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 07 Dunkelfeld, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)



Arbeitsablauf :

1. Schnitte  liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung  8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.    15 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest.
7. Nachfärbung Astrablaulösung  1 Minuten.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis  3 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan

Ergebnis :

Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahmen wurden mit ,,MagniFlash" erstellt.


Bild 08  Übersicht, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 09 Übersicht, Negativ, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 10 Übersicht, Graustufen, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 11, Übersicht, Sepia, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 12  Schnittserie,  Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)

Schnittstellen 1 bis 3 (siehe Bild 2)

Bild 13  Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 14  Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 15 Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 16 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)

[/url

TR = Trichom, RP = Rindenparenchym, KK = Kantenkollenchym ??, EP = Epidermis, PH = Phloem, XY = Xylem, MP = Markparenchym

Bild 17 Vergrößerung, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)
[url=http://www.fotos-hochladen.net]


Bild 18 Trichome, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)

Als Haare oder Trichome bezeichnet man Anhangsgebilde der Epidermis, die durch Auswachsen einzelner Epidermiszellen entstanden sind.

Bild 19 Vergrößerung, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 20 Vergrößerung, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 21 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Teil 2: Blattscheide, Querschnitt, 30 µm

Bild 22 Schnitte in Xylol

Blattscheide und Spross sind zusammen geschnitten worden. Die Blattscheide konnte ich problemlos mit einem Pinsel vom Spross trennen.

Bild 23 Übersicht, Blattscheide, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)

Das Foto zeigt eine offene Blattscheide, die bei dieser Pflanze die Sprossachse röhrenförmig umschließt. Ist es ein Teil des Blattes.

Bild 24 Vergrößerung, Blattscheide, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)

Auffällig sind die großen Lakunen zwischen dem Leitbündel. Die offenen Blattscheiden überlappen sich oft und stützen den Stängel.

Bild 25 Vergrößerung, Blattscheide, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 26 Vergrößerung, Blattscheide, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 27 Leitbündel, Blattscheide, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)


Bild 28 Spaltöffnung an der Blattunterseite, Blattscheide, Behaarter Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum)

Die wichtigsten Photosyntheseorgane der Pflanzen sind die Blätter. Durch die mikroskopisch kleinen Spaltöffnungen (Stomata) werden die Gase zwischen dem Mesophyll und der Atmosphäre ausgetauscht.

Quellenangaben :

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
Encke, Buchbein, Seybold ,, Zander" ISBN: 3-8001-5072-7
Helmut Genaust ,, Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen" ISBN: 978-3-86820-149-9
Rita Lüder ,,Grundkurs Pflanzenbestimmung" ISBN: 3-494-01418-3
,,Was blüht denn da" ISBN: 978-3-440-11379-0

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

hajowemo

Lieber Hans-Jürgen,
wieder mal ist dir eine Dokumentation hervorragend gelungen.
Als sehr schwierig zu schneiden finde ich die Blattscheide.
Das ist dir sehr gut gelungen.
Danke für die Arbeit die du investierst.
Liebe Grüße
Jochen
Vorstellung
Homepage www.mikroskopie-hobby.de
Gerne per "Du"
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

...


Hans-Jürgen Koch

Hallo Jochen und Mario,

danke für Euer Feedback zum Bach-Kälberkropf.

Gruß

Hans-Jürgen
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Muschelbluemchen

Hallo Hans-Jürgen

Interessant deine Schnittstellen - ergibt wirklich bemerkenswerte Präparate mit interessanter Anatomie.
Wieder eine Anregung üfr mich - danke!

mit herzlichen Mikrogrüßen
Leo

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für den schönen Beitrag, den ich natürlich gelistet habe.
Wie Leo finde ich den Verlauf der Leitbündel in der Gabelung sehr interessant.

Herzliche Grüße
Jörg
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Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Guten Morgen Leo und Jörg,

bei dem Querschnitt durch die Gabelung vom Spross war ich einfach nur neugierig.
@ Leo,
Deine Pflanzenschnitte sind perfekt.

Einen schönen Sonntag wünscht

Hans-Jürgen
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liftboy

Hallo erstmal,

dieses Präparat



hat Horst-Dieter sich zur Brust genommen; die Schnitte sind auf seiner Seite zu betrachten. Sie hier einzustellen wäre zu groß.
Es handelt sich um Kerbelsamen, der dem Kälberkropf verwandt ist.

Grüße
Wolfgang
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LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Hans-Jürgen Koch

Hallo Wolfgang,

ich habe nicht gewusst, dass der Kerbel mit dem Kälberkropf sehr nah verwandt ist.

Christian Ferdinand Hochstetter hat schon 1849 in seinem Buch ,,Fassliche Anleitung zur Kenntniss der Gewächse" folgendes geschrieben:
,, Der Kälberkropf (Chaerophyllum) ist dem Kerbel sehr nah verwandt; denn die Saamen sind ebenfalls länglich und bisweilen mit einem kurzen Schnabel versehen; die allgemeine Hülle fehlt, die  besondre besteht aus 5-7 zurückgeschlagenen Blättchen".

Populäre Botanik: oder, Fassliche Anleitung zur Kenntniss der Gewächse, Band 1
von Christian Ferdinand Hochstetter

1849 schrieb man Saamen vermutlich mit zwei ,,aa".

Hier noch die Webseite von Horst-Dieter Döricht:

http://www.hdds-mikrowelten.de/Pflanzen%20und%20Stiele/Historische%20Pr%C3%A4parate.html

Gruß

Hans-Jürgen

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