Rätselhaftes Handmikroskop

Begonnen von Alfons Renz, Februar 19, 2015, 18:36:57 NACHMITTAGS

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Alfons Renz

Liebe Rätselfreunde,

Dieses kleine Messing-Handmikroskop wirft einige Fragen auf, zu deren Beantwortung meine Phantasie nicht ausreicht!

Es sieht so einfach aus:


Links eines noch in der Pappdose, rechts ein zweites Exemplar.


Hier liegen Beide nebeneinander und sehen fast gleich aus. Fast: Denn das Rechte hat nur einen bogenförmige Öffnung, das linke Zwei (nicht zu erkennen, da auf der Rückseite)



Die Optik besteht aus einer schwachvergrößernden Linse (links), deren Fokus auf dem Boden des Gitterkäfigs liegt, und einer in Kork und Pappe gefassten Stanhopeschen Lupe, mit Fokus auf der Glasfläche des Glaskubus. Eine solche Lupe besitzt eine stark gekrümmte Linse deren Korpus so lang ist, dass ihr Brennpunkt auf der gegenüberliegenden Glasfläche liegt. Solche Lupen waren in Verbindung mit Mikrofotografien eine Zeit lang in Mode.



Man kann also ein Objekt 'mit Spuke' auf die Würfelfläche kleben und gegen das Licht betrachten. Soweit ist alles klar.

Auch der Messingkäfig erinnert an die Flohgläser oder 'Botanischen Taschenmikroskope' des 18. Jahrhunderts, jedoch fehlt der Glaseinsatz und die Linse lässt sich nicht fokussieren. Ihr Gewinde ist dazu viel zu kurz. Man sieht also nur den Boden des Käfigs scharf.

Und: Weshalb diese halbkreisförmigen Bögen der Öffnungen oben und unten? Nur auf der einen Seite bei dem einen Gerät rechts, beidseitig beim Linken. Ohne dass jedoch die Öffnungen im Messingtubus mit den Bögen des Käfigs übereinstimmen würden: Da passt weder ein Präparat (Objektträger) oder Glasröhrchen noch eine Aufspiesnadel dazwischen, wie man sie bei ähnlichen (französischen) Taschenmikroskopen kennt. Auch die untere Bördelung des Käfigs würde nur dann Sinn machen, wenn man z.B. ein rundes Plättchen mit einer rechteckigen Öffnung als Fadenzähler einlegen könnte. Aber eben dies gelingt nicht, da ein solches Plättchen zu groß im Durchmesser für die Öffnungen des Käfigs wäre.

Es gibt auch keine Kombination, für welche ich mir den Nutzen des Messingtubus erklären könnte. Hier hoffe ich nun auf das Wissen und die Phantasie der Forenmitglieder!

Für sachdienliche Hinweise wird gedankt!


Mit herzlichen Mikrogrüßen,

Alfons



plaenerdd

Hallo Alfons,
könnte man mit den seitlichen Fenstern im Tubus vielleicht ein schräges Auflicht realisieren, indem man da rein leuchtet? Die Ähnlichkeit derBögen über den Öffnungen und im Korb finde ich sehr auffällig, als ob man sie zur Deckung bringen könnte.
Räselnde Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Alfons Renz

Hallo Gerd,

Vielen Dank für die schnelle Antwort!

Es stimmt, die Aussparungen im Tubus und im 'Käfig' passen genau übereinander. So als könnte da eine Art 'Träger' eingeschoben werden. Das macht aber keinen Sinn, weil die Fokus-Ebene weit darunter liegt.

Irritierend ist, dass es ähnliche Kleinmikroskope gibt, bei denen (fast*) Alles stimmt und funktioniert:

http://www.lecompendium.com/dossier_optique_110_microscope_universel_et_accessoires/microscope_universel_et_accessoires.htm

Kurz: Das Rätsel harrt noch seiner Lösung!

Herzliche Grüße,

Alfons

*) Im Text wird beschrieben, dass die Fenchelsamen, die dort so schön im Glas liegen, eigentlich gar nicht scharf für's Auge eingestellt werden können: "Toutefois, la difficulté est bien présente lorsqu'il s'agit de visionner. Les objets placés sur le fond de ce tube sont encore plus proches de la lentille que dans le cas du compte-fils. Nous avons pratiquement dû détacher l'oeilleton de son support cylindrique ajouré pour éloigner convenablement la lentille et obtenir cette image ..."

Jürgen H.

Lieber Alfons,

ein wunderschönes Teil! Es scheint mir eine sehr frühe Form des "Mifalu" zu sein. Schau einmal hier: http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fi.ebayimg.com%2F00%2Fs%2FNjQ4WDM4OA%253D%253D%2Fz%2F2XQAAOxy3zNSkiLF%2F%2524_72.JPG&imgrefurl=http%3A%2F%2Fkleinanzeigen.ebay.de%2Fanzeigen%2Fs-anzeige%2Fmifalu-fadenzaehler-lupe-mikroskop%2F160992686-250-3811&h=375&w=225&tbnid=yPmrfFEaZXFW7M%3A&zoom=1&docid=dr_3OKh8z4LneM&ei=MejmVIesEcX-ywOtqoLoBg&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=1751&page=1&start=0&ndsp=33&ved=0CCUQrQMwAQ

Also schlicht zwei Vergrößerungsmöglichkeinten in einem "Mikroskop" zusammengefasst: Die Betrachtung des mit "Spucke" aufgeklebten Präparates ist von beiden Seiten des Mikroskopes mit unterschiedlicher Vergrößerung möglich. Leider ist in meinem Link die Betriebsanleitung nicht so recht lesbar...

Schöne Grüße

Jürgen

reblaus

Hallo -

müsste nicht ein zusammengesetztes Mikroskop entstehen, wenn man den Käfig mit der Lupe auf die (im Foto nicht sichtbare) Unterseite der Stanhopeschen Lupe setzt, durch die man normalerweise direkt schaut?

Viele Grüße

Rolf

Alfons Renz

Lieber Jürgen, lieber Rolf,

Ich denke, das MiFaLu kommt dem Ziel am nächsten: Mikroskop mittels Stanhopescher Lupe, Fadenzähler über Einlegeplättchen (so diese passen) und Lupe, wenn man den Käfig alleine verwendet.

Schaut man durch das zusammengesetzte Gerät:

- Von der großlinsigen Lupenseite aus, so sieht man auf die flache Seite des 'Glasquaders' der Stanhopeschen Lupe, der jedoch schon jenseits der Schärfenebene liegt und durch den Quader und dessen Linse hindurch ein verkleinertes, umgekehrtes Bild der Umgebung, was aber 'nichts bringt'. Genau so wenig, wie wenn man
- durch die Stanhopesche Lupe schaut und ein minimal vergrößertes Bild der nahen Umgebung sieht. Zwar interessant, um optische Gesetze zu verdeutlichen, aber weder als 'zusammengesetztes Mikroskop' noch Fernglas nutzbar.

Ich fürchte, das Ganze war ursprünglich ganz gut gedacht, aber liederlich umgesetzt und zählt letztendlich zur Kathegorie 'Christkindleskruscht'.

Aber vielleicht feht mir doch die Phantasie ... und die Gebrauchsanleitung des MiFaLu's.

Herzliche Grüße,

Alfons



reblaus

Hallo Alfons -

war nur so eine Idee, weil die Dimensionen des zweiteiligen Mikroskopaufsatzes hier ähnlich sind:

http://www.ebay.co.uk/itm/Case-Mounted-Simple-Compound-Microscope-By-Carl-Zeiss-/331484239380?pt=UK_Antiques_Science_RL&hash=item4d2e001614

Das französische Modell hat aber auch diese Bögen in den Fenstern. Ist wohl eine Verzierung, die damals in Mode war. Aber offensichtlich kann man bei diesem diese Fadenzählerschablonen durchs Fenster einlegen, auch wenn nachher nichts stimmt. Habe ich recht verstanden, dass bei Deinem Modell die Fenster dafür zu klein wären?

Viele Grüße

Rolf

beamish

Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Alfons Renz

Vielen Dank, ich glaube, wir nähern uns der Sache:

Taschenmikroskope, oft als 'Trichinenmikroskope' deklariert, findet man recht häufig:



dazu die Beschreibung:



Alle diese Geräte besitzen einen seitlichen Schlitz zum Einführen zweier Objektträger für das Muskel-Quetschpräparat. Aber eben dieser Schlitz fehlt. Bei meinem 'MiFaLu' könnte man allenfalls eine Nadel mit aufgespießtem Objekt entlang der seitlichen Schlitze enführen.

Der Urvater solcher Taschenmikroskope ist eine Version des Flohglas (oder botanischen Handmikroskops):



Bei Nichtgebrauch lassen sich die Teile ineinanderschrauben, ähnlich wie eine Dose für Objektive. Der Boden ist undurchsichtig.



Bei diesen Lupen lässt sich die Objektivlinse in ihrer Messingdassung weit genug herausdrehen, um auf kleinere Objekte auf dem Boden des Fangglases zu fokussieren.

Herzlichen Dank & Grüße!

Alfons



beamish

#9
Hallo Alfons,

hier haben wir so eins, wie deine:
http://for-sale.yowcow.com/listing/77056891/
"The Universal Microscope - popularly called Floroscope"
Leider gibts kein Bild von der Innenseite der Gebrauchsanweisung. Aber immerhin hat das Kind jetzt einen Namen...
hier eine Anzeige von 1932 mit Beschreibung der Anwendung:

Grüße
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Jürgen H.

Zitatand is capable of magnifying 500 times

Wirklich? Kann man das Teil doch als zusammengesetztes Mikroskop benutzen indem man das Untersuchungsobjekt auf die Stanhopsche Lupe außen aufklebt und dann durch die große Linse hindurchschaut?

Schöne Grüße

Jürgen

reblaus

Man beachte in der Anleitung zum Mifalu III:

"50 fache Linear gleich 2500 quadratische Vergrößerung"

die Reklametricks waren auch vor eBay die gleichen.

Gruß

Rolf

Alfons Renz

Nochmals herzlichen Dank

an alles Diskutanten und für die zielführenden Beiträge!

Es handelt sich offenbar um den Type des 'Floroskops', also eines Mikroskops für speziell botanische Beobachtungen von Blüten, Blättern, Pollen. Erstere kann man mit einer feinen Nadel aufspießen, diese in den seitlichen Führungsschlitz einführen und betrachten, während man das Objekt drehen und wenden kann. Pollen und feinere Objekte können direkt auf die flache Seite der Stanhopeschen Lupe aufgebracht werden.

Die Benutzung einer Nadel zum Aufspießen des Objekts war den Mikroskopikern damals so vertraut bei der Benutzung eines Mikroskps wie uns heute der Glas-Objektträger mit Deckglas. Andere Zeiten, andere Sitten!

Nicht ganz klar ist (mir) noch immer die bogenförmige Aussparung, nur auf der einen Seite bei dem ersten, auf beiden gegenüber liegenden Seiten beim zweiten Instrument. Möglicherweise eine barocke 'Anmutung', wie dass die Kunsthistoriker so nennen... Denn zur Lichtführung für Auflicht ist sie zu klein. Aber vielleicht zum Einführen der Probe und zu deren Manipulation beim Betrachten. Obwohl das viel besser mit der Lupe allen ohne des 'Tubus' gelingen sollte.

Mit freundlichen Mikrogrüßen,

Alfons


beamish

Es gab offenbar ziemlich viele Varianten. Hier noch eine Edelversion mit Beleuchtungsspiegel und einsetzbarem Glasbehälter:
http://www.lecompendium.com/dossier_optique_110_microscope_universel_et_accessoires/microscope_universel_et_accessoires.htm

Grüße
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D