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Wolframoxyd

Begonnen von Rolf, Mai 04, 2015, 16:08:40 NACHMITTAGS

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Rolf

Liebes Forum,

Ich hatte vor einiger Zeit ein Bild eingestellt wo auf einem Birnenwendel eine dicke Schicht Wolframoxyd zu sehen war.
Darauf schrieb mir Klaus Herrmann eine PN mit der Bitte hier in einem eigenen Thread über die Entstehung des Bildes zu berichten und das Thema zur Diskussion zu stellen, dem ich hiermit nachkomme.
Zuerst nochmal das Bild:





Zuerst wollte ich nur mal ausprobieren einen schwach glühenden Birnenwendel im Makrobereich zu fotografieren.
Einer halbwegs guten Schärfe stand dabei der Glaskolben im Wege, der kurzerhand vorsichtig im Schraubstock zerdrückt wurde, nachdem vorher an die zwei Kontaktfüße der 12 Volt Halogenbirne Kabel angelötet wurden.
Als Stromquelle diente ein Gleichstromtrafo wie er im Modellbahnbereich genutzt wird. Allerdings floß leider schon in der untersten Regelstellung zuviel Strom, sodaß der Wendel nur kurz aufleuchtete und dann durchbrannte, sodaß ich zu der gewollten Aufnahme gar nicht kam.
So beließ ich es bei der Abbildung der dicken Oxydschicht die sich wohl durch die Atmosphäre ohne schützenden Glaskolben gebildet hatte.

Die nächste Überlegung war dann ob es möglich wäre filmisch die Bildung dieser Schicht zu dokumentiern.
Zum Einsatz kam dafür meine Lumix FZ200 und ein Raynold Makrokonverter, der über einen speziellen Tubus mit der FZ verbunden wird.
Weiterhin wurde der Modellbahntrafo durch einen regelbaren Gleichstromtrafo mit 0,5 A, 1,5 - 7,5 Volt Ausgangsspannung ersetzt, um ein schnelles Durchbrennen des Wendels zu verhindern.

Damit entstand das nachfolgende Video was ich bei Gelegenheit nochmal wiederholen muß, da just beim Start der Aufnahme der Kleine meines Nachbars über mir anfing herumzuspringen und die dabei übers Fachwerk übertragenen Erschütterungen den Wendel in Schwingungen versetzte.
Ich denke aber man kann trotzdem erkennen wie sich die Oxydschicht langsam aufbaut und mit zunehmender Stromstärke der Wendel dann durchbrennt.
Für mich von Interesse wären Hinweise der Fachleute hier was sich da tatsächlich genau abspielt.

Das Video wurde in FullHD aufgenommen und sollte dahin auch bei YouTube umgeschaltet werden.

http://youtu.be/eaymHTbSa7I


Gruß

Rolf

Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

the_playstation

Hallo Rolf.
Faszinierendes Foto und ein sehr schönes Video. Wie lange hat der Vorgang insgesamt gedauert? Mr kam es so vor, als ob Du im Video mehrere Teile überblendet hättest? Hattest Du ein IR Filterglas vor der Optik?

Danke schon mal für die Antworten.
Liebe Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Rolf

#2
@ the_playstation

Hallo Jorrit,

Ja, ich habe mehrmals zu lange stehende Sequenzen gekürzt und überblendet. Ich habe da gut eine Minute rausgeschnitten. Dadurch das sich der Draht während des Erhitzens verformt nimmt er jeweils im Bild eine etwas andere Position ein, weshalb man das bei den Überblendungen dann sieht. Damit zusammen hängt auch das Problem der Auswanderns aus dem sehr geringen Tiefenschärfebereich. Da den Kameraschärfenachstellmodus zu verwenden wie ichs gemacht habe ist auch noch nicht die Lösung. Wurde von mir eingeschaltet wegen der Oxydschichtbildung, die dann aus dem Schärfebereich wandert.
Beim nächsten Versuch werde ich aber ein Mikroskopstativ mit der Feinverstellung nutzen, welches aber da noch nicht fertig umgebaut war.

Vielleicht kann mir noch jemand einen Tipp geben wie man hier YouTube Videos direkt einbindet.
Das was ich sonst gewöhnt bin, über die eckigen Klammern, funktioniert hier nicht.

Gruß

Rolf

Edit weil vergessen:
Nein einen IR - Filter habe ich nicht eingesetzt.
Meines Wissens befindet sich bei der Kamera, wie wohl bei den meißten, ein IR - Sperrfilter vor dem Chip.
Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

Heiko

Hallo Rolf,

schöner Versuch, vorbildlich dokumentiert.

Gruß, Heiko

Klaus Herrmann

Hallo Rolf,

das ist wirklich ein schön dokumentiertes Experiment. Ganz am Anfang sieht man die Anlauffarben der beginnenden Oxidation. Das WO2 ist braun, das "Endprodukt" WO3 ist zitronengelb. Wahrscheinlich schmilzt das Wolfram-Metall und bildet Kristalle, die aber gleich oxidieren, dadurch wohl die zerklüftete Form. Wenn der Draht durchoxidiert ist sollte er leicht zerbröseln, weil die WO3Kristalle ja kaum zusammenhalten.
Eigentlich mag ich bei solchen Filmen keine Musik, aber die Panflöte passt für meinen Geschmack wirklich gut!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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wilfried48

Lieber Klaus,

ich stimme deiner Analyse dieses schönen Experiments bis auf einen Punkt zu.

Auch wenn der Chemiker immer alles gern flüssig bzw. in Lösung hat, aber um Kristalle zu bilden muss das Wolfram nicht vorher schmelzen.  ;)

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Klaus Herrmann

Lieber Wilfried,

da habe ich mich wohl doch etwas schlampig verkürzt ausgedrückt. Klar ist, dass das Wolfram im gezogenen Wendel kristallin vorliegt. Aber diese Kristalle sind natürlich auch aus der Schmelze gewachsen, man sieht sie nur nicht. Ich meinte, dass durch die Erhitzung das Metall schmilzt und durch den Temperaturgradienten aussen größere sichtbare Kristalle herauswachsen, so wie das im geschlossenen Lampenkörper auch mit zunehmendem Alter passiert. In der Hal-Lampe finden allerdings auch noch Transportreaktionen statt. Verdampftes W reagiert mit I2, das dann am heißen Wendel wieder zersetzt wird und dabei können auch größere Kristalle aufwachsen.
Möglich ist aber auch, dass die "Schollen" dadurch entstehen, dass das WO3 ein größeres Volumen benötigt und sich das Ganze aufbläht, wie auf den Bildern schön zu sehen.
Die Kristalle eines gealterten Wendels habe ich mal gezeigt:(durchs Glas aufgenommen, das war nicht ganz einfach, besser wäre es den Glaskolben zu entfernen)

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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the_playstation

#7
Hallo Klaus, ...
Ihr macht immer so gute Bilder. Ich versuche mich auch gerade an einer Glühwendel. Aber irgendwie wird Die nicht so. Gibt es da Tricks?
Ebay 85,- Mikroskop 10x Objektiv + Tischlampe mit Energiesparlampe:

alternativ etwas entsätigt:


Liebe Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Alfred Schaller

#8
Hallo Klaus, hallo Forum,
eine kleine Anmerkung zu den Darlegungen:
Wolfram hat eine sehr hohe Schmelztemperatur, die Reaktion mit dem Luftsauerstoff erfolgt sicherlich bei geringeren Temperaturen. M. E. gibt es hier keine flüssige Phase.
Der Wolframdraht wird mit hohem Verformungsgrad gezogen. Dabei strecken sich die bei der Erstarrung ursprünglich meist rundlichen Körner. Diese gestreckte Kornstruktur ist auf der glatten Drahtoberfläche nicht sichtbar, kommt aber durch die Oxidation zum Vorschein. Als Metallograf würde ich das als (grobes) thermisches Ätzen bezeichnen.
Mit metallkundlichen Grüßen
Alfred Schaller
- gern per Du  / Vorstellung -

Rolf

Zitat von: Klaus Herrmann in Mai 11, 2015, 09:48:34 VORMITTAG
Hallo Rolf,

das ist wirklich ein schön dokumentiertes Experiment. Ganz am Anfang sieht man die Anlauffarben der beginnenden Oxidation. Das WO2 ist braun, das "Endprodukt" WO3 ist zitronengelb. Wahrscheinlich schmilzt das Wolfram-Metall und bildet Kristalle, die aber gleich oxidieren, dadurch wohl die zerklüftete Form. Wenn der Draht durchoxidiert ist sollte er leicht zerbröseln, weil die WO3Kristalle ja kaum zusammenhalten.
Eigentlich mag ich bei solchen Filmen keine Musik, aber die Panflöte passt für meinen Geschmack wirklich gut!

Hallo Klaus,

Danke fürs Lob. War mein erstes Filmchen dieser Art. Man lernt aus gemachten Fehlern. Irgendwann werde ich das wiederholen und den Versuchsaufbau optimaler gestalten. Die Musikuntermalung ist für andere Bereiche gedacht wo keine Wissenschaftler unterwegs sind. Beim Weißabgleich war ich sehr pingelig und die Oxydationsfarbe entspricht dem was man unter Tageslicht wahrnimmt.

Ich habe vorhin mal auf die Schnelle an einer Stelle die Oxydation entfernt, wobei diese sehr leicht zerbröselt. Man möge die Qualität der Aufnahme entschuldigen.
Darunter kann man den sehr dünn gewordenen Restdraht erkennen, der aber stabil ist und beim Entfernen der Oxydation noch federte.

Gruß

Rolf


Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

Rolf

Zitat von: Alfred Schaller in Mai 11, 2015, 14:20:38 NACHMITTAGS
....
Wolfram hat eine sehr hohe Schmelztemperatur, die Reaktion mit dem Luftsauerstoff erfolgt sicherlich bei geringeren Temperaturen. M. E. gibt es hier keine flüssige Phase.
....

Ja, ich hatte ebenfalls nicht den Eindruck einer Verflüssigung.
Leider steht mir nur ein Lasertemperaturmesser mit einem Messbereich bis 1000° zur Verfügung, dessen Meßpunkt den Weißabgleich zerhauen hätte.
Allerdings ist auf dem nachfolgenden SnapOn aus dem Film zu erkennen das die Oxydation schon zu Anfang bei niedriger Temperatur einsetzte.

Gruß

Rolf





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Klaus Herrmann

#11
Hallo zusammen,

die Frage Schmelzen oder nicht ist ein Hase und Igel-Spiel: wer ist schneller? Ich denke, dass das von der Prozessführung abhängt: bei rascher Energiezufuhr schafft man es problemlos den Wolframdraht zum Schmelzen, sogar zum Verdampfen zu bekommen. FP: ca 3400° KP ca. 5900°. Ab ca. 1130° oxidiert es an der Luft. Angaben aus Römpp Chemielexikon.

Verdampftes Wolfram habe ich mal gezeigt: Hier hat der Restwendel als Blende gewirkt und dadurch ist das Muster auf dem Glaskolben entstanden. Und zum Thema Schmelzen muss man sich nur mal das Ende eines Wendels anschauen von einer durchgebrannten Lampe. Da sieht man schöne Schmelzperlen.

Der dünne Restdraht im Kern ist so zu erklären: das WO3 hat eine Schutzwirkung, wenn kein Sauerstoff mehr an den Draht kommt stoppt die Oxidation.



Hier habe ich noch ein besseres Bild gefunden von den Kristallen auf einem gealterten W-Wendel. Durchs Glas aufgenommen und nicht gestackt!

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Klaus Herrmann

Hallo,

in meiner Präparatesammlung habe ich einige durchgebrannte Lampen. Bei einer ist die Schmelzperle schön zu sehen. Bei der anderen gewachsene Kristalle - nicht so schön durch das Glas, aber doch erkennbar.
Aufnahmen mit dem Stereomikroskop.



Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Alfred Schaller

Lieber Klaus,
Deine beiden Bilder zeigen sehr klar den Unterschied:
- einserseits lokalisiertes "Durchbrennen" der Glühwendel, das durch eine Werkstofftrennung infolge des Schmelzens eingetreten ist (verbunden mit der Ausbildung einer Schmelzperle)
- andererseits die chemische Korrosion eines längeren Abschnitts der Glühwendel infolge der Reaktion mit dem Sauerstoff ohne sichtbare vorangegangene Verflüssigung. (Anderenfalls wären die Oxidationsprodukte vermutlich rundlich)
Mit freundlichen Grüßen
Alfred Schaller
- gern per Du  / Vorstellung -

Klaus Herrmann

Lieber Alfred,

vollkommen d´accord! Ich hatte dich erst so verstanden, dass das Durchschmelzen gar nicht geht, weil der Schmelzpunkt so hoch ist.

Aber Rolf hatte auch beschrieben oder gezeigt, dass bei schnellem Hochfahren das Durchschmelzen statt findet. Deshalb mein Hinweis, dass es auf die Prozessführung ankommt. Wobei das Durchschmelzen trivial ist, das passiert täglich zum Wohle der Lampenhersteller. Was Rolf uns hier zeigt ist phantastisch und neu für mich. Das würde ich gerne noch langsamer und wenn möglich auch höher vergrößert sehen
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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