Botanik: Forsythie, Spross mit Plastiden Korrektur: Ca-Oxalatkristallen *

Begonnen von Klaus Herrmann, Juni 16, 2009, 13:42:27 NACHMITTAGS

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Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

gestern Abend hatte uns Hubert Ott in Göppingen einen tollen Abend geboten. Festigungsgewebe war das Thema. Er hat uns durch die Beispiele gehetzt, dass ich mir jetzt noch den Schweiß von der Stirne tupfen muss. ;D
Ich hatte den (falschen) Ehrgeiz jedes mal gleich ein Dauerpräparat anzufertigen und nebenher der unterstützenden Aufgabe gerecht zu werden für die anderen Teilnehmer Schnitte zu machen... dem entsprechend wurden die Präparate >:(

Aber eines finde ich in einem Detail so bemerkenswert, dass ich es hier zeigen möchte: Ein junger Spross der Forsythie. Lässt sich übrigens sehr gut schneiden. Die Übersicht ist nur zur Orientierung, da muss man nochmal ein ordentliches Präparat machen. Bitte um Nachsicht für die schlechte Qualität!
Aber im Mark gibt es Plastiden, die mir nicht nach Stärke aussehen und mit ihrer 8-eckigen Form fremd vorkommen. Ich habe auf die Schnelle nichts in meiner Literatur gefunden. Vielleicht hat jemand eine Idee?





Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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H. Ott

Lieber Klaus,

bei der Vorbereitung war ich so auf die Kollenchyme und Sklerenchyme fixiert, dass ich mir den Schnitt durch die Forsythie gar nicht komplett angeschaut habe. Aus der Ferne, d.h. ohne nochmals ins Mikroskop zu schauen, könnten Leukoplasten vorliegen, also 'Plastiden' ohne Chlorophyll und damit keine Fotosynthese treibend. Wenn diese Leukoplasten Stärke enthalten, nennen sie sich Amyloplasten (z.B. in der Kartoffel). Andere Leukoplasten enthalten Öle (dann Eleioplasten) oder Proteine. Vielleicht doch Amyloplasten (Lugolsche Lösung!)? Komme heute nicht dazu, mich damit nochmals zu beschäftigen, da die Gmünder Mikroskopiker sich heute Abend treffen ('Parasiten bei Mensch und Tier').

Beste Grüße


Hubert Ott

Detlef Kramer

Lieber Klaus,

auf Grund der Doppelbrechung: Amyloplasten. Das ist auch völlig normal im Mark. Übrigens für etwas später: an der Forsythie kann man sehr schön das Periderm mit den Lentizellen studieren (beim Schneiden unbedingt etwas Glycerin verwenden, als Schmiermittel). Ich werde versuchen, darauf zurück zu kommen.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Klaus Herrmann

Hallo Zusammen,

nun habe ich die Verifizierung versucht, die ich hätte gleich machen sollen! Ich habe frische Schnitte mit Lugol versetzt und dabei keine Reaktion mit den vermeintlichen Amyloplasten gefunden.
Angefärbt werden immer im gleichen Zellverbund kleine Körner, die ich als Aleuronkörner ansprechen würde, nach dem Hinweis, den ich im Nultsch: Mikroskopisch-Botanisches Praktikum gefunden habe. Danach färben diese sich dunkelbraun.

Die Kristalle im Mark würde ich nun als Ca- Oxalat ansehen, besonders, weil sie durchsichtig sind und doppelbrechend und nach einigem Suchen fand ich auch einen oktaedrischen Einzelkristall. Sie bleiben absolut farblos - die Farbe kommt vom DIC mit Lambda und Lambda/4tel, das ich zur Kontrast-Verbesserung eingesetzt habe.

Der Sprossquerschnitt zeigt immer diese "Wappenform":









Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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H. Ott

Lieber Klaus,


das sieht für mich auch nicht (mehr) nach Stärke aus - und dein Lugol scheint ja zu funktionieren (alles andere würde mich beim Chemiker auch wundern!). Ich werde mir die Forsythie in den nächsten Tagen erneut unters Messer legen.

Nochmals Danke für deine schnittige Unterstützung in Göppingen, hat enorm geholfen.

Beste Grüße

Hubert Ott


Klaus Herrmann

#5
Hallo zusammen,

nun habe ich noch einen weiteren Versuch gemacht zur Verifizierung, dass es tatsächlich Oxalatkristalle sind. Frische Handschnitte wurden 2 h lang in AFE fixiert anschließend mit Etzold grün gefärbt.

Im Pol-Kontrast sieht man, dass die Kristalle teilweise aufgelöst sind. Das Muster ist immer gleich: in der Mitte löst sich der Kristall konzentrisch auf, so dass sie alle längliche Löcher bekommen:







Das letzte Bild ist 16x digital vergrößert und dadurch schon arg gequält. Hätte statt des dem 40 besser das 63 nehmen sollen.
Aber das Eindeckharz ist noch frisch, da ist die Immersion etwas kritisch.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Mark

Lieber Klaus,

erkläre mir doch bitte, wieso Oxalate von Essigsäure angegriffen werden sollten.
Das paßt nicht in mein Weltbild und auch nicht in das Konzept der starken und schwachen Säuren.
Beide Dissoziationsstufen sind doch vom pKs niedriger als Essigsäure ?

Oder ?

Gruß

Mark

Klaus Herrmann

Hallo Mark, nun hast Du mich erwischt:

Zitaterkläre mir doch bitte, wieso Oxalate von Essigsäure angegriffen werden sollten.
Das paßt nicht in mein Weltbild

In der Verzweiflung habe ich meinen alten Jander-Blasius rausgeholt ( von 1966). ;)

Dort steht auf Seite 195 unter Ca-Nachweise: Ca-Oxalat weißer kristalliner Nd., schwerlöslich in Essigsäure. Man arbeitet in schwach essigsaurer Lösung, deren Acidität noch durch festes Acetat abgestumpft ist...

Das wäre meine Erklärung, die ich natürlich vor meinem Post schon mal überpüft habe! Die Kriställchen sind ja sehr fein und da gibt es offensichtlich schon einen merklichen Angriff. Schwerlöslich bedeutet eben nicht unlöslich.

Wenn Du Chemikus bist, dann kannst Du ja mal einen Mikroversuch starten. Ca-Oxalat lässt sich sehr leicht herstellen!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Mark

Hallo Klaus,

ja, den Jander - Blasius habe ich auch, von 1989, und es scheint immer noch so zu sein, wir Du schreibst, auch nach >30 Jahren.  :D
Meine Kenntnisse bzgl. Trennungsgang scheinen so abgestumpft zu sein wie der Acetatpuffer ...
Ich werde also den Lehrsatz "die stärkere Säure verdrängt die schwächere aus ihrem Salz" ergänzen müssen :
"auch die schwächere Säure verdrängt die stärkere ein bissschen aus ihrem Salz, wenn man nur genau genug hinguckt"  ;D


schwerlösliche Grüße
Mark

Klaus Herrmann

"Grau lieber Freund ist alle Theorie..."

Mal im Ernst, das wäre doch einen kleinen Versuch wert: Winziges Kristallhäufchen auf Objektträger und etwas HAc durchziehen und dann beobachten. Natürlich mit großem Deckglas drauf.

Echte Mikrochemie!

Ich habe früher Schmelzpunktröhrchen als Mikroreagenzgläser verwendet. Die Pipetten waren ausgezogene Schmelzpunktröhrchen. Alle Manipulationen unterm Stemi!

Dem Chemikant ist nichts zu riskant! ;D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Bernhard Lebeda

Zitat von: Klaus Herrmann in Juni 18, 2009, 20:41:13 NACHMITTAGS


Das wäre meine Erklärung, die ich natürlich vor meinem Post schon mal überpüft habe! Die Kriställchen sind ja sehr fein und da gibt es offensichtlich schon einen merklichen Angriff. Schwerlöslich bedeutet eben nicht unlöslich.



Hallo die Herren Chemikusse

jetzt ist der Musikus aber überrascht!!  Bisher hab ich dem Herrn Nultsch immer geglaubt. Da liest man, dass gerade die (Un)löslichkeit in Essigsäure eine Unterscheidungsmöglchkeit zwischen Ca Oxalat und Ca Carbonat darstellt. Letzteres löst sich in Essigsäure UND in Salzsäure, ersteres NUR in Salzsäure und NICHT in Essigsäure.

Heisst "schwerlöslich" soviel wie "ein bisschen schwanger", und "unlöslich" wäre dann "richtig schwanger" ??  ???

Ich bitte um etwas Chemie Nachilfe.

Viele Mikrogrüsse

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

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Klaus Herrmann

#11
Guten Morgen Bernhard,

ZitatHeisst "schwerlöslich" soviel wie "ein bisschen schwanger", und "unlöslich" wäre dann "richtig schwanger" ??  

Ich bitte um etwas Chemie Nachilfe.

Ja genau so etwa ist das zu verstehen! :D

Wenn in der Analysenvorschrift steht:
ZitatMan arbeitet in schwach essigsaurer Lösung, deren Acidität noch durch festes Acetat abgestumpft ist...
wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass in nicht gepufferter Essigsäure die Fällung des schwerlöslichen Oxalats behindert wird, weil das Gleichgewicht auf die Seite der gelösten Substanz verschoben wird.

Ich empfehle einfach den von mir vorgeschlagenen Versuch mal zu machen und dann weiter zu diskutieren.

Ansonsten bin ich natürlich offen für weitere Erklärungsversuche, denn im Moment liegt ja nur ein Indizienbeweis vor:

1.) Kein Amyloplast, weil Lugol keine Farbveränderung bewirkt.
2.) Kristalle in Pflanzen sind sehr häufig Ca-Oxalat dafür spricht auch die starke Doppelbrechung und die - geringe - Löslichkeit in essigsaurer Lösung.
3.) Ca-Carbonat wäre aus chemischer Sicht zwar möglich, aber in Pflanzen habe ich es noch nicht angetroffen. Hätte allerdings auch eine hohe Doppelbrechung!

Na da ist doch Musike drin! :-*
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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H. Ott

Lieber Klaus, liebe Chemikusse (?),


jetzt freut es mich doch etwas, was so ein simpler Schnitt durch einen jungen Forsythienzweig, ausgeführt von einem genau hinschauenden Chemikus bei einem kleinen Kursabend in Göppingen, für eine umfangreiche Diskussion auslösen kann...und ich lerne dazu.

So solls sein!

Grüße


Hubert Ott

Klaus Herrmann

Lieber Hubert,

so entsteht Wissenschaft: durch konstruktive Erörterung. Wenn die Genies zur Zeit als es nur die Postkutsche zur Briefbeförderung gab schon die schnelle Möglichkeit des Internets gehabt hätten, dann wären wir vielleicht schon weiter in der Erkenntnis... :D

Aber zurück zum Thema:

Ich habe gerade mal Ca-Oxalat gefällt aus Ca-Acetat-Lösung plus Oxalsäure-Lösung: die Kristalle sind so fein, dass sie bei 200fach noch nicht aufgelöst werden. Nun versuche ich durch Kochen in Essigsäure größere Kristalle zu bekommen. Es ist doch nicht so einfach, wie gedacht! ;D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

Die Versuche durch Umkristallisation aus heißer Essigsäure größere Kristalle von Ca-Oxalat zu bekommen waren nicht so toll.

Nun hatte ich im letzten Jahr im französischen Forum ein Pilzthema, wo auch Ca-Oxalat sicher nachgewiesen werden sollte. Da kamen wir auf Coerulein, auch Anthracengrün genannt, das Ca-Salze spezifisch grün anfärben soll. Der Farbstoff ist nach vielen Recherchen nur noch sehr teuer zu bekommen, so dass ich ihn hier und im Le Naturaliste gesucht habe. War allerdings nix. Dann habe ich in einem Chemieforum nach einer Herstellvorschrift gesucht und alte Literatur von 1890 gefunden.

Letztlich wurde er als Praktikumspräparat an einem Uni-Chemieinstitut hergestell. Der erste Versuch mit unbefriedigendem Ergebnis und nach Monaten nun der 2. mit ordentlichem Material. Herzlichen Dank an den freundlichen Praktikumsleiter und die beiden Kandidaten!

Dies ist jetzt die erste Praxisanwendung: Ich habe heute früh noch ein paar Schnitte gemacht und daraus Kristalle isoliert. Diese mit einer alkalischen Lösung des Farbstoffs versetzt und nach einigen Minuten haben sich die Kristalle schön grün verfärbt.

Hellfeld PlanNeo 40, Weißabgleich manuell


Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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