Mikroskop Spiegelreflex - Unschärfe

Begonnen von Nando, September 20, 2015, 00:42:05 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Nando

Hallo miteinander,

mit meinem Mikroskop, dem Carl Zeiss KF-2, bin ich recht zufrieden. Fotos habe ich bisher mit einer Kompaktkamera über das Okular aufgenommen. Die Bildqualität finde ich ganz gut.


Jetzt versuche ich mich an Aufnahmen über eine Spiegelreflex (Nikon D5100), nur habe ich da meine Probleme. Die Kamera ist an Stelle des schwenkbaren/abnehmbaren Aufsatzes am Mikroskop aufgesetzt. Über HDMI habe ich ein gutes Bild. Wenn ich allerdings mit der Kamera Fotos aufnehme, sind die Bilder unscharf. Sie werden unschärfer, wenn ich die Belichtungszeit höher oder niedriger als ~1/3 Sekunde wähle. Als Beispiel ist die Aufnahmen bei einer Belichtungszeit von 1/200 Sekunde unschärfer als bei einer 1/3 Sekunde. Das Bild über HDMI ist gleichscharf. Eine Videoaufnahme mit der Spiegelreflex ist auch scharf. Es wird ein Foto also anders aufgenommen als ein Video oder die Ausgabe über HDMI.

Hat jemand in der Hinsicht schon Erfahrungen gesammelt und einen Tipp für mich? Muss ich einen genauen Abstand zum Okular oder eine genaue Belichtungszeit treffen? Brauche ich einen Adapter für eine Blende zwischen Mikroskop und Kamera?

Anbei noch eine Aufnahme mit meiner Kompaktkamera und zwei Aufnahmen mit der Speigelreflex (400-fache Vergrößerung).
Aufnahme mit Kompaktkamera (400-fache Vergrößerung)

Aufnahme mit Spiegelreflex (Nikon D5100) - Fotomodus


Aufnahme mit Spiegelreflex (Nikon D5100) - Videomodus


Habt ihr eine(n) Erklärung/Tipp für die Aufnahmen mit einer Spiegelreflex?
Spiegelvorauslösung bringt keine Besserung.

Zitat
Spiegelvorauslösung

Bereits minimale Erschütterungen während des Aufnahmemodus reduzieren die Mikrofotoqualität. Bewegliche Spiegel sind kameraintern eine der Hauptursachen für Verwacklungen.

Während der Belichtung wird bei einer Spiegelreflexkamera der Spiegel hochgeklappt. Dadurch wird der Lichtweg auf den Vorhangverschluss freigegeben und nach dem Öffnen eine Belichtung des Sensor Chips ermöglicht. Leider hat der Spiegel eine beträchtliche Masse. Durch das Hochklappen des Spiegels entstehen Schwingungen, die auf das ganze System weitergeleitet werden. Diese Vibrationen führen meistens zu Verwacklungen und eine mehr oder weniger starke Reduktion der Bildschärfe ist die Folge. Für die Mikroskopie optimale DSLRs haben die Funktion ,,Spiegelvorauslösung". Nach dem Auslösen wird zuerst der Spiegel hochgeklappt und danach erfolgt die Belichtung. Bei einigen Modellen ist die Verzögerung  zwischen dem Spiegelhochklappen und dem Öffnen des Vorhangverschlusses in Sekunden einstellbar.


viele Grüße,
Nando

Peter V.

#1
Hallo Nando,

Du beschreibst sehr schön DAS Problem mit Spiegelreflexkameras schlechthin! Über das bekannte Phänomen gibt es Hunderte von Threads in diesem Forum. Darüber wurden auch schon vor 20,30,40 Jahren zahlreiche Artikel in Mikroskopzeitschriften geschrieben. Das von Dir geschilderte Verhalten ist "normal" für Spiegelreflexkameras, da sie durch die mechanischen Komponenten Verschluss und Spiegel vibrieren. Das hat sich auch bei den digitales SLRs nicht geändert und ist noch genau so ein Problem wie zur analogen Zeit. Mittlerweile weiß man auch, dass Spiegelvorauslösung das Problem nicht beseitigt, da auch der Verschluss der Kamera mehr Vibrationen erzeugt, als man früher erwartet hat. Und bei den meisten Kameras beseitigt nicht einmal der "Live View"-Modus das Problem, weil auch in diesem Modus der mechanische Verschluss noch aktiv ist. Unser Mitglied Peter Höbel hat das durch eindrucksvolle Messungen nachgewiesen. Hier beispielsweise zeigt er das Verhalten einer Canon EOS 650 D im für Mikroskopiker geeigneten verschlussschlagfreien LIve-View-Modus gegenüber den anderen Aufnahmemodi. Die andere Modi entsprechen dem Verhalten der meisten DSLRs und wohl auch dem Deiner Nikon. Es gibt nur einen Hersteller und eine Kameraserie, bei der es dieses Problem nachgewiesenermaßen nicht gibt und die deshalb seit ein paar Jahren quasi der "Standard" für die Adaption einer DSLR an da Mikroskop ist: Die Canons der Serien EOS 450. 500, 550, 600, 650 (vielleicht noch ein paar mehr). Aber auch nicht alle Canon-Modelle! Dass die oben genanten Modelle keine Vibrationen erzeugen, liegt daran, dass der mechanische Verschluss im Canon-Live View-Modus nur am Ende aktiv ist, also dann, wenn die Aufnahme bereits "im Kasten" ist. Bei den anderen Kameras ist der Verschluss auch am Anfang der Live-View-Aufnahme aktiv und die von ihm erzeugten Schwingungen verschlechtern dann eben die Aufnahme.

Es bleiben nur folgende Lösungen:

1) Andere Kamera (siehe obige Canon-Modelle, die es zu Teil bei Ebay als reines Gehäuse gebraucht recht preiswert gibt)

2) Die Kamera mittels einer Stativkonstruktion über dem Mikroskop befestigen, sodass kein direkter Kontakt zwischen Kamera und Mikroskop entsteht. dafür werden oft bei Ebay alte gebrauchte Stative von Vergrößerungsgeräten aus der Dunkelkammer genommen, man muss aber ein wenig basteln können. Siehe hier

3) Einen Mikroblitz verwenden, was aber in der Regeln recht aufwändig ist.

Was mir aber fast schlimmer auffällt als die Unschärfe: Wieso ist das Bild so inhomogen ausgeleuchtet? Hast Du die Kamera mit der Hand über das Mikroskop gehalten und dabei (was sich vermutlich gar nicht vermeiden lässt) gegenüber der Bildebene verkippt?

Herzliche Grüße
Peter


Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

UPSi

Moin Nando,
ich schließe mich da voll den Erfahrungen von Peter an. In der analogen Zeit habe ich mit dem Olympus OM-System gearbeitet (Checkkartenmethode), um dem Phänomen der Verwacklung auszuweichen. Heute setze ich auch eine Canon EOS im Live View Modus ein. Ich bin mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Beim ersten Bild fallen mir die Farbsäume, insbesondere am Rand des Fadenwurms, auf. Diese Farbsäume mit dem Verlauf von violett nach grün sind das Zeichen für eine deutliche chromatische Aberation. Ich denke, hier kann noch optimiert werden. Die Optimierungsversuche betreffen den abbildenden Starhlengang. Hier kann ggf. ein besser korrigiertes Objektiv oder ein anderes Projektiv schönere Ergebnisse liefern.

Herzliche Grüße
Ulf   

the_playstation

Hallo Ulf.
Denke auch, daß ein besser korrigierendes Okular hier einen großen Vorteil bringt. Mach doch mal ein Foto deiner momentanden Adaption. Wenn die Kamera keine vibrationsfreie Aufnahme ermöglicht, mußt Du eventuell versuchen, die Halterung der Kamera stabiler hinzubekommen und oder die Kamera mit Gewichten zu stabilisieren.

Blöd gesagt: In einem 20kg Schraubstock eingespannt wären die Vibrationen wesentlich geringer.

Beste Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Lupus

Zitat....oder die Kamera mit Gewichten zu stabilisieren. 
Blöd gesagt: In einem 20kg Schraubstock eingespannt wären die Vibrationen wesentlich geringer.
Wohl wahr, ziemlich blöd gesagt!  ???

Hubert

Oecoprotonucli

Hallo zusammen,

Zitat von: Lupus in September 20, 2015, 10:57:40 VORMITTAG
Zitat....oder die Kamera mit Gewichten zu stabilisieren. 
Blöd gesagt: In einem 20kg Schraubstock eingespannt wären die Vibrationen wesentlich geringer.
Wohl wahr, ziemlich blöd gesagt!  ???

Hubert

ich find's ganz anschaulich.

Aber was ich eigentlich sagen wollte:

Linkliste Kameraadaption ist ge-updated.

www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=23920.msg177768

Dort sind jetzt auch mehr Links zur Verschlussproblematik integriert.

Das war's für heute für mich.

Viele Grüße

Sebastian
Ich benutze privat:
Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

Peter Reil

Hallo Nando,

nimm für die Bilder am KF-2 weiterhin die Kompaktkamera und freue dich an den damit entstehenden Bildern - die sind ja gut. Die geringen Farbsäume sind für Pilzler eh' unerheblich.

Die Nikon Spiegelreflex in Verbindung mit deinem Mikroskop wird nicht gut harmonieren. Die Probleme hat Peter V. schon aufgezeigt.
Ich würde darauf verzichten und die Kombination Spiegelreflex/Mikroskop auf später (anderes Mikroskop/andere Kamera) verschieben.

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Peter V.

Hallo,

ich kann Peter nur in vollem Umfang beipflichten. In manchen Fällen ist sogar eine Handy-kamera besser als eine DSLR. Zumal Du ja die Kamera - wenn ich es richtig verstanden habe - ohne Tubus und Okulare "angeschlossen" hast. Das gibt auch noch erhebliche Farbfehler.
Die Bildqualität mit deiner Kompakten finde auch ich recht gut.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

the_playstation

Hallo Lupus.
ES ist halt nun einmal so, daß man Vibrationen nur durch eine Gegenbewegunbg oder durch zusätzlich Masse mindern kann. Wenn man die Kamera auf einer Bleiplatte montieren würde, würde das die Vibrationen reduzieren. Ähnlich wie im 20kg Schraubstock. Beide Peter haben aber wesentlichere Punkte angesprochen.

Beste Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Lupus

Hallo Jorrit,

ich versuche mir nur gerade, den Aufbau mit der auf dem KF-2 montierten Nikon vorzustellen, während die Kamera in einem 20 Kg Schraubstock eingespannt ist.  8)

Hubert

the_playstation

Hallo Hubert.

Das war nur ein sinnbildlicher Versuch, den Einfluß von Masse auf die Vibration darzustellen. Wie man den mechanischen Aufbau realisiert. Z.B. durch ein Holz-Stativ + eine Bleiplatte ist eine andere Sache. Da kann man sich kreativ austoben.

Beste Grüße Jorrit
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Nando

Hallo miteinander,
zuerst mal herzlichen Dank, für die ausführliche Beschreibung zu der Ursache meines Problems!

Ein Versuch mit der Nikon an einem Stativ, brachte als Bestätigung ein scharfes Foto.
Versuche mit Spiegelvorauslösung blieben erfolglos. Zwar wird 1 Sekunde Zeit zwischen Spiegelklappen und Auslösen gegeben, aber in meinem Fall brachte es leider nichts. Die Fotos waren wieder leicht unscharf. Ein Beitrag (Link folgend), ließ mich noch einen Versuch mit Nikon-Software Camera Control Pro 2 starten. Ich dachte im Life-Modus werden die Fotos ohne Vibration aufgenommen, leider funktionierte es auch nicht.

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10745.0;wap2
Zitat von: Klaus Wagner
ich verwende seit ein paar Monaten die Nikon D5100 zusammen mit der Nikon-Software CameraControl Pro 2. Die Kamera wird vollständig im Life-Modus betrieben. Beim Auslösen höre ich den Verschluß, er sorgt aber in keinster Weise für Verwacklungen. Wie viele Pixel das Vorschaubild hat, kann ich nicht sagen. Bei bewegten Objekten oder Bewegung des Präparats kann ich keinerlei Bildruckeln erkennen. Außerdem kann ich in das Vorschaubild reinzoomen und so für exakte Schärfeneinstellung sorgen. Bei mir läuft das allerdings unter Win7 und einem einigermaßen -noch- modernen PC. Einziger Wermutstropfen: Obwohl die Kamera mit USB mit dem PC verbunden ist, wird sie nicht per Kabel mit Strom versorgt. Auch habe ich kein Netzteil gefunden, mit welchem man die Nikon dauerhaft ans Stromnetz anschließen kann. Also: Ein 2. Akku kostet im Fachhandel ca, 70€, bei Amazon so um die 50.

Adaptierung mittels Projektiv und einem "Distanzrohr" mit T2-Adapter. Ich bin jedesmal wieder begeistert.

@Klaus Wagner
Ist es bei dir sicher, dass du kein schärferes Bild, Live über HDMI oder über Video-Aufnahme hast?


Als nächstes nehme ich nochmal Fotos mit meiner kompakten auf und vergleiche die Qualität der Aufnahmen. In einem Beitrag füge ich das Ergebnis an.


Viele Grüße,
Nando