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Calyptotricha

Begonnen von Martin Kreutz, Dezember 18, 2015, 21:35:07 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum

seit vielen Jahren finde ich den Ciliaten Calyptotricha pleuronemoides in meinem Fundort. Er kommt dort regelmäßig und recht häufig vor. Er ist eindeutig zu identifizieren, da er ein bauchiges, transparentes Gehäuse baut, welches ca. 50 µm lang ist. Der Ciliat selbst ist nach meinen Messungen 22 – 35 lang. Dies widerspricht allerdings den Angaben von Kahl (2), der für das Gehäuse eine Länge von 85 µm angibt und für den Ciliaten ,,durchweg 50 µm". Es ist theoretisch möglich, dass die Abmessungen von der Population im Fundort abhängig sind, wofür es aber keinen Beleg gibt. Die einzigen mir bekannten aktuellen Messungen an dieser Art wurden von Bill Bourland von einer Population in Idaho vorgenommen (http://pinkava.asu.edu/starcentral/microscope/portal.php?pagetitle=assetfactsheet&imageid=20739) und die meine Messungen bestätigen. Schon 1999 habe ich diese schöne Art zusammen mit Philipp Mayer im Mikrokosmos beschrieben (1). Die damals im Mikrokosmos gezeigten Bilder sind noch analog aufgenommen und stellen noch nicht das optimale Ergebnis dar, was mit dem Lichtmikroskop machbar ist. Inzwischen bin etwas versierter, was die Präparation dieses Objektes für eine Fotosession angeht. Vor einigen Tagen konnte ich folgende Fotos auf Tafel 1 und Tafel 2 von Calyptotricha pleuronemoides aufnehmen:




CC = Caudalcilie
KV = kontraktile Vakuole
Ma = Makronukleus
TE = Teilung einer symbiontischen Alge
UM = undulierende Membran
VW = verlängerte apikale Wimpern
ZO = Zoochlorellen

Man erkennt sehr schön, die segelartig aufgespannte undulierende Membran, welche durch ihre fächernde Bewegung einen Wasserstrom durch das Gehäuse erzeugt. Calyptotricha pleuronemoides besitzt nach meinen Beobachtungen stets 12 – 20 Zoochlorellen vom Chlorella-Typ. Diese kann man gut separieren und zählen, wenn der Ciliat bei zunehmenden Deckglasdruck das Gehäuse verlässt und dann durch Deckglasdruck fixiert werden kann (Tafel 2, rechtes Bild). Dieses Exemplar hatte 13 Zoochlorellen. Eine der symbiontischen Algen befand sich gerade in Teilung (TE).

Mit etwas Glück und Geduld ist auch eine apikale Sicht in die Gehäuseöffnung hinein möglich. Das Gehäuse hat einen Durchmesser von 35 µm:

[
UM = undulierende Membran 

So erkennt man die Platzverhältnisse im Gehäuse besser und wie die undulierende Membran angeordnet ist. Die undulierende Membran liegt fast der Gehäusewand an und bildet einen Spalt zum Zellkörper, in dem der Wasserstrom erzeugt wird.

Nachdem ich in den zurückliegenden Jahren ausschließlich Calyptotricha pleuronemoides fand, konnte ich kürzlich zum ersten mal eine weitere Art aus dieser Gattung identifizieren. Es handelt sich um Calyptotricha chlorelligera, welche erstmals von Lepsi (3) beschrieben wurde. Die Erstbeschreibung, welche mir nicht vorliegt, muss wohl sehr rudimentär gewesen sein. Erst 1987 hat Foissner (4) eine detaillierte Wiederbeschreibung gegeben. Die Art ist C. pleuronemoides sehr ähnlich und besitzt auch Zoochlorellen. Sie baut jedoch ein röhrenförmiges Gehäuse, welches stets mit Detritus belegt ist und nicht so scharf begrenzt ist, wie das von C. pleuronemoides. Die Art ist etwas schlanker und etwas größer als C. pleuronemoides. Foissner gibt 30 – 40 µm an. Mein (einziges) Exemplar war 32 µm lang, was dem entspricht. Meines Wissens wurde die Art bisher noch nicht fotografiert:



[
CC = Caudalcilie
UM = undulierende Membran,

Die Pfeilspitzen in Tafel 1 markieren die Röhrenöffnungen. Die Caudalcilie dieser Art (oder meine Exemplares) ist mit 29 µm außergewöhnlich lang, was Foissner nicht erwähnt. Das Gehäuse maß 82 µm in der Länge, was gut zu den Angaben von Foissner passt (85 µm). Ein wichtiges Bestimmungs- und Unterscheidungsmerkmal zu C. pleuronemoides ist die Lage der kontraktilen Vakuole. Bei C. pleuronemoides liegt sie terminal, während sie bei C. chlorelligera rechts subterminal liegen soll. Genau das erkennt man auf dem linken Bild von Tafel 1. Zum Vergleich hier die Zeichnungen von Foissner, welche ich aus seinem Artikel von 1987 entnommen habe:



Hier noch mal die Gegenüberstellung der beiden Arten im realen Größenverhältnis:



Gelegentlich findet man auch Exemplare der Gatttung Calyptotricha ohne Zoochlorellen. Das Gehäuse als auch das Erscheinungsbild des Ciliaten sind ansonsten scheinbar identisch mit Calyptotricha pleuronemoides. Diese Art wird nach Foissner et. al. (s. Lit. 5) als Calyptotricha lanuginosa bezeichnet:



Calyptotricha lanuginosa findet man auch oft frei schwimmend und der Ciliat ähnelt dann etwas Cyclidium oder Cristigera. Jedoch spreizt Cylaptotricha lanuginosa seine Cilien nicht, wie Angehörige der Gattungen Cyclidium oder Cristigera es tun.

Solche Funde finde ich sehr aufregend, weil sie auch zeigen, das ein Fundort immer was Neues hergibt und Überraschungen bietet. 

Viel Spass beim anschauen!

Martin


Literatur

1.) Kreutz, M. & Mayer, P. (1999): Calyptotricha pleuronemoides – ein Ciliat in einer Röhre. – Mikrokosmos, 88: 27–30.

2.) Kahl, A. (1931): Urtiere oder Protozoa. I. Wimpertiere oder Ciliata (Infusoria). 2. Holotricha außer den im 1. Teil behandelten Prostomata. – Tierwelt Dtl., 21: 181–398.

3.) Lepsi, J. (1957): Infuzori holotrichi din tinoavele de la poiana stampei (Raionul Vatra Dornei) [Infusoria Holotricha aus Hochmooren der Ostkarpathen
(Poiana Stampei, Bez. Vatra Dornei)]. Buletin sti. Acad. Repub. pop rom. 9, 5 -1 3 (in Rumänisch mit russischer und deutscher Zusammenfassung).

4) Foissner, W. (1987): Neue und wenig bekannte hypotriche und colpodide Ciliaten (Protozoa: Ciliophora) aus Böden und Moosen. —Zool. Beitr. (N.F.) 31:187–282.

5.) Foissner, W., Berger, H. & Kohmann, F. (1994): Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems. – Band III: Hymenostomata, Prostomatida, Nassulida. – Informationsberichte des Bayer. Landesamtes für Wasserwirtschaft, 1/94: 1–548.

Peter Reil

Hallo Martin,

einfach nur ganz toll, danke fürs Zeigen!

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

the_playstation

Hallo Martin.
Wow. Tolle Bilder. DIK (oder ähnlich) in seiner schönsten Form.
Liebe Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

vbandke

#3
Guten Tag, Martin,


Richtig tolle, beeindruckende Photos!  Vielen Dank fürs zeigen.


Mit besten Grüßen


Volker
P.S. Alle meine Bilder dürfen/sollen kommentiert, verrissen, gelobt, und zur Veranschaulichung in diesem Forum auch bearbeitet werden.

Bernhard Lebeda

Danke Martin

für den tollen Beitrag.

Hab ich noch nicht gesehen diese Ciliaten!

Viele Mikrogrüße

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Eckhard

Hallo Martin,

danke für die schöne Dokumentation.

Herzliche Grüße
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
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Michael L.

Hallo Herr Kreutz,

Ein toller Beitrag, so wird das Forum zur Publikationsplattform!

Viele Grüße

Michael

Martin Kreutz

Hallo zusammen,

vielen Dank für das Lob!

@ Michael: Ich würde dieses Forum gerne als Puplikationsplattform nutzen, aber es ist nicht besonders attraktiv für mich, da Google die meisten Forum-Beiträge nur als Text-Datei in formalisierter Form anzeigt (also ohne Bilder). Solche Beiträge wie "Calyptotricha" oder viele meiner früheren Beiträge machen viel Arbeit (außer Fotos zusammenstellen gehört auch noch Recherche dazu). Daher möchte ich, dass meine Beiträge auch von möglichst vielen Interessierten gefunden werden, die nicht im Forum aktiv sind. Früher (ich meine das "alte" Forum) hat das sehr gut funktioniert und ich habe auf viele meiner Beiträge Mails aus dem In- und Ausland erhalten, auf die viele meiner heutigen Kontakte beruhen. Auch die forumsinterne Suche funktioniert nicht und ich finde weder meine eigenen Beiträge noch solche, die ich gerne nochmal lesen würde. Ich habe früher schon die Admins kontaktiert, aber das scheint ein prinzipielles Problem der Forumssoftware zu sein. 

Allen einen schönen Abend!

Martin

Monsti

#8
Hallo Martin,

vielen Dank für die wie immer hervorragende Dokumentation. Ist abgespeichert (weil hier zu schnell im Untergrund entfleucht).

Du hast recht, über die Google-Suche erhält man i.d.R. eine Textdatei ohne Fotos. Ist frustrierend. Es wäre schön, wenn hier die Suche endlich wieder funktionieren würde ...

Herzliche Grüße
Angie

Ole Riemann

Hallo Martin,

ich schließe mich den anderen an: vielen Dank für die tollen Bilder, die man sonst praktisch nirgendswo so findet.

Beste Grüße

Ole