Erfahrungsbericht über die Alterung von Mikropräparaten

Begonnen von Schrodt, Februar 01, 2016, 19:15:56 NACHMITTAGS

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Schrodt


Schrodt

Korrektur bei Lieder Präparaten: 25 Holzschnitte

Bei 16 Präparaten ( nicht 17 ! ) waren keine die Nutzung einschränkende Mängel vorhanden.

Mangelhaft:  36 % ! ( nicht 32 % ! )


limno

Hallo Jürgen,
wirklich ein hochinteressanter Bericht! Vielen Dank dafür. Aus meinen Anfängerjahren( Mitte der 80er Jahre) besitze ich eben eine jener Testplatten mit 8 Formen in Balsam von Göke. Bei mir ist dieses Präparat schon recht schadhaft und ich plane, es durch ein neues zu ersetzen. Schon ohne Mikroskop sieht man, dass der Balsam eine gelb-bräunliche Farbe angenommen hat. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass der Balsam vielfach zu tannenzweigähnlichen Gebilden auskristallisiert ist, viele Diatomeen nicht mehr in einer Reihe liegen und zerbrochen sind;das Deckglas jedoch dennoch keinerlei Sprünge aufweist! Die einstige Reihe dieser Kieselalgen wird bei meinem Präparat von größeren zentrischen Diatomeen "eingerahmt" die auf Deinem Foto nicht zu sehen sind.
Meine Fragen:
1.) Um welchen Balsam handelt es sich bei meinem Präparat und wie ist dessen Verfärbung zu erklären?
2.) Wie können diese Kristallbildungen/Verfärbung vermieden werden?
Mit herzlichen mikroskopischen Grüßen
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Michael L.

Hallo Jürgen,

eine sehr interessante Austellung. Jetzt wäre es noch wichtig zu wissen welche Einschlussmittel verwendet wurden, vermutlich fehlt aber diese Information. Ich denke die Lieder Präparate sind mit Kunstharz-Schnelleindeckmitteln eingeschlossen worden. Gibt es eine Literatustelle die die La zeithaltbarkeit unterschiedlicher Eindeckmittel beschreibt?

Viele Grüße,

Michael

Schrodt

Guten Morgen Heinrich und Michael,

über euer Interesse an dem Beitrag freue ich mich.
Bei meinen deutlich jüngeren Diatomeen-Präparaten von Göke aus den 90 er Jahren habe ich die von Heinrich beschriebenen Mängel der ca. 30 Jahre
alten Diatomeen-Testplatte aus den 80er Jahren bisher nicht festgestellt.
Für die Balsam-Präparate aus den 90er Jahren gibt Göke einen Brechungsindex 1,65 an, über die Zusammensetzung des Balsams macht er leider keine
Angaben.
Wie die Verfärbungen und kristallinen Ausscheidungen des verwendeten Balsams entstehen und wie sie sich vermeiden lassen, kann ich leider nicht
sagen.
Bei Kanadabalsam ( Brechungsindex ca. 1,52 ) ist bekannt, dass er im Alter nachhärtet und bei längerer Lichteinwirkung nachdunkelt.

Vielleicht wissen unsere Diatomeen-Spezialisten im Mikro-Forum mehr darüber, z.B. auch über die Eindeckmittel der Lieder-Präparate und die
Langzeithaltbarkeit ??

Beste Grüße
Jürgen aus Hemer

Schrodt

Nachfolgend noch einige für alte Präparate interessante Informationen:





















Mit freundlichen Mikrogrüßen
Jürgen aus Hemer

liftboy

#6
Hallo erstmal,

so will ich denn nun auch etwas zum Thema sagen.
Meiner Einer hatte in den 80er Jahren bei der microthek (Jungner) ein Abonnement abgeschlossen; jeden Monat ein Präparatekistchen aus dem Lieferprogramm. http://www.mikroskopfreunde-nordhessen.de/dateien/Jungner%20Praep.PDF
Konnte ich mir damals finaziell gerade so erlauben. So war ich denn irgendwann der stolze Besitzer von sage und schreibe 1728 Dauerpräparaten aus den verschiedensten Bereichen.
Nun kommts:
Bei einer Generaldurchsicht nach ca. zwei Jahren, musste ich feststellen, dass sich bereits einige Deckgläschen abgelöst hatten.
Bei einigen wenigen war auch das Präparat dadurch beschädigt und musste ersetzt werden. (Herr Frauenhoffer sen. von Jungner war so freundlich, mir die Einzelpräparate günstig zu beschaffen) Er konnte mir, nachdem er selbst Erkundigungen eingezogen hatte, Ratschäge zur Reparatur geben, was nicht ganz einfach war. Der Lieferant/Hersteller konnte oder wollte keine Angaben zum Einschlußmittel machen.
Das zur Reparatur empfohlene Einschlussmittel Eukitt brachte den gewünschten Erfolg; ich verwende es heute noch gerne.
Insgesamt muss ich zu den Jungner Präparaten sagen, dass die Qualität des eingebetteten Objektes nicht immer optimal war, der größte Teil der Präparate aber immer noch im guten Orginalzustand ist. (Keine Verpilzung, keine Deckglasabplatzer mehr).
Für zum Spaß ein Schnellschuß unbearbeitet, Präp. 1233 Kastanienblattstiel, Quer (die Randunschärfe ist dem Achromaten und dem 0,37 Fotookular geschuldet)



Grüße
Wolfgang

Nachtrag:
Meine Uraltpräparate von Dr. Sigmund sind übrigends noch total in Ordnung!
HDD hat da ein paar schöne Fotos auf seiner Seite eingestellt
http://hdds-mikrowelten.de/Pflanzen%20und%20Stiele/Historische%20Pr%C3%A4parate.html
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Michael L.

Hallo Jürgen,

danke für die interessanten Informationen. Ich habe mir vor einigen Wochen mal eine Übersicht über diverse Einschlussmittel gemacht. Ich würde diese hier mal einstellen bin mir aber nicht mehr sicher ob man auch PDF Dokumente hier uploaden kann. Wenn jemand eine Tipp hat wie es geht mache ich es mal.

Viele Grüße,

Michael

Heiko

Hallo Jürgen,

hier ein Beispiel für ,,unerwartete" Effekte im Präparat:



Obwohl ,,fabrikfrisch", hatte ich's nicht moniert, da der Schaden lokal sehr begrenzt ist.

Viele Grüße,
Heiko

Oecoprotonucli

#9
Hallo und schöne Pfingsten,

man darf auch nicht vergessen, die Präparate richtig zu lagern, also horizontal. Wobei ich übrigens finde, dass das regelrecht falsch angeregt wird allein schon durch die Bauweise der üblichen Präparatekästen, die eigentlich nicht zum Hochkantstellen animieren, und das habe ich auch nirgendwo bisher gesehen (mache es nun aber selbst).

Hinzu kommt bei folgendem extremen Beispiel sicher eine sehr dicke Schicht des Einbettungsmediums in Verbindung mit vermutlich zu kurzer Trocknungszeit. Außerdem lasse ich das Malinol durch nachträgliche Farbverstärkung schlechter aussehen, als es ist, aber das macht die Sache gut erkennbar...:





Besten Gruß

Sebastian

P.S.: Ich habe das Präparat geschenkt bekommen und die Sache auch erst später bemerkt - kann mich also nicht sicher erinnern, ob dieses Fließen schon in sehr frischem Zustand (also als ich es erhalten habe) oder erst mit der Zeit Zustande gekommen ist. Dass allerdings die Peridien so stark nach unten gesackt sind, spricht meiner Ansicht nach dafür, dass es erst allmählich geschehen ist.  Hätte man mir sonst solch ein Präparat geschenkt?  ;) )
Ich benutze privat:
Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

Peter V.

#10
Hallo,

ich habe vor ein paar Jahren 2 Präparatesätze Botanik und Histologie von der Firma 2k-manufacturing gekauft. Die Präparate sind gut, dünne Schnitte, gut gefärbt. Allerdings darf man sie (von Anfang an!) nicht im Pol betrachten, da zeigen sich reichliche Kristallisationen. Das sogar noch zu einem Zeitpunkt, als die Kästen noch heftig Lösungsmittel ausdünsteten - also auch bei ziemlich frisch hergestellten Präparaten.



Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

liftboy

Hallo Sebastian,

das Problem hatte ich auch! Der Teuerling ist halt sehr dick, selbst jetzt, nach über einem Jahr, wandern die Objekte noch. Da hilft nur flach lagern.
Wenn Du mir das Präparat schickst, repariere ich es Dir.

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Oecoprotonucli

Hallo Wolfgang,

so etwas kann man also noch reparieren, interessant. Lohnt sich das? Dann komme ich gern darauf zurück, aber vielleicht warten wir noch ein bißchen, vielleicht kann ich Dir ja noch mehr als einen Objektträger schicken (nicht zum Reparieren, aber als weiteres Tauschmaterial, also irgendwann in nächste Zeit färbe ich ja meine Wacker-Schnitte, mal sehen, wie das wird).

Viele Grüße

Sebastian
Ich benutze privat:
Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

güntherdorn

#13
über 800 lieder´s hab ich mich im alten forum schon mal "geäussert".
stimme mit schrodt voll überein.
hr.schrodt sie haben eine PN, denn ich möchte mich hier nicht über lieder "äuslassen".
- gerne per du -
günther dorn
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=444.0
www.mikroskopie-gruppe-bodensee.de
gildus-d@gmx.de

JB

#14
Zitat von: limno in Februar 01, 2016, 20:45:34 NACHMITTAGS
2.) Wie können diese Kristallbildungen/Verfärbung vermieden werden?

Hallo,

Viele der Einschlussmittel neigen zum Auskristallisieren. Das kann sehr lange dauern, aber irgendwann setzt sein ein.

Den Einschlussmitteln wird uebligerweise ein Weichmacher zugesetzt, der das verhindern soll. Wasserloesliche Einschlussmittel enthalten oft Glycerol, DPX enthielt Trikresylphosphat, Euparal enthaelt Camsal und Balsam enthaelt die harz-eigenen kurzkettigen Weichmacher. Da die Weichmacher mobiler sind als das Harz koennen sie ueber die Jahre verdunsten oder werden langsam chemisch oxidiert, so dass am Ende die Kristallisation des eigentlichen Harzes einsetzt. Selbst Bernstein verwittert auf diese Weise, ueber Jahrhunderte, wenn es der Luft ausgesetzt ist.

Es halfen also nur die Verwendung von langlebigen Einschlussmitteln (mit den besten Weichmachern) und Lichtabschluss. Sauerstoffabschluss ist mit Hausmitteln wohl nicht machbar.


Zitat von: Michael L. in Februar 02, 2016, 09:50:14 VORMITTAG
Gibt es eine Literatustelle die die Langzeithaltbarkeit unterschiedlicher Eindeckmittel beschreibt?

Ja, letztlich ist die Frage, wie lange es halten soll. wenn es nur ein paar Jahre sind, geht vieles. Fuer 50+ Jahre gibt es weniger Optionen (Trockenpraeparat, Kanadabalsam oder Euparal):

http://www.natsca.org/sites/default/files/publications-full/The-Biology-Curator-Issue_supp.pdf

Hier ist noch die von NHM erwaehnte Umfrage: http://www.nhm.ac.uk/hosted-sites/acarology/archive/summary.html

Beste Gruesse,

Jon