Euplotes muscicola(?) platzt?

Begonnen von CRegenschein, August 30, 2016, 23:13:15 NACHMITTAGS

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CRegenschein

Guten Tag,

heute entdeckte ich vermutlich ein Euplotes muscicola(?) bei 450facher Vergrößerung (20x Objektiv, Bino 1.5x, Okular 15x) in diesem Zustand:



An einer Stelle hat sich eine Art Blase gebildet, in die kontinuierlich Plasma einströmt. Der Rand der Blase ist ganz fein und zunächst erschien diese fast leer zu sein, abgesehen von den ersten Körnchen. Die vorderen Geißeln haben sich zu diesem Zeitpunkt noch rasch bewegt, die hinteren Schwanzgeißeln hingegen waren schon größtenteils wie "gelähmt". Der Euplotes selbst hat sich keinen Mikrometer bewegt. Da ich mir das Bild nicht erklären konnte, bin ich ein wenig dran geblieben.

Auch an einer anderen Stelle begann nun eine Ausbuchtung des Körpers:



Mit dem 40er Objektiv habe ich mal ins Detail der ersten Blase geschaut, wie hier nach und nach Plasma der Zelle in die Blase ausströmt:



Unterdessen hat sich die zweite Ausbuchtung bedrohlich aufgebläht:



Schließlich ist zuerst die oberste, dann die untere Blase geplatzt:



Und nach kurzer Zeit war nur noch Plasmagulasch zu sehen:




Der Vorgang von Bild 1 bis zu Bild 6 dauerte ca. 12 Minuten.

Was ist hier passiert? Konnte der Euplotes mit seinen Vakuolen nicht mehr den Zellmembrandruck aufrecht erhalten? Während der ganzen Zeit konnte ich keinen "Puls" mehr sehen (im Sinne einer pulsierenden Vakuole). Hat der Euplotes einfach das Ende seines Lebens erreicht, oder stimmten hier Umweltbedingungen auf dem Hohlschliffobjektträger nicht? Handelt es sich sozusagen um ein euplotisches Herzversagen?

schöne Grüße,
Danny

PS: Die beste Kamera (also die, die zur Hand war) war das Handy. Das Bild wird aufgelöst von 20er Achromaten bzw. 40er von Lomo durch ein Binokular mit 1.5x Eigenvergrößerung und durch ein 15x Okular. In Lightroom wurden Weißabgleich, Kontrast, Beschnitt und Skalierung fürs Forum durchgeführt.

PPS: Fundort ist eine Mischkultur / Heuaufguss mit Erde und Heu aus Überschwemmungsbereich des Werdersees Bremen.

Michael

Hallo Danny,

ich fürchte, Dein Euplotes hat dem steigenden Deckglasdruck nicht standgehalten. Durch die Wasserverdunstung sinkt die Schichtdicke unter dem Deckglas und die Probe wird - früher oder später - zerdrückt.

Der Vorteil der geringen Schichtdicke ist dagegen, dass die Bildqualität bei großen Vergrößerungen steigt. So ist z.B. im letzten Bild der bandförmige Zellkern sehr schön zu erkennen.

Viele Grüße

Michael

Gerne per Du

CRegenschein

Hallo Michael,

das wäre zunächst ein guter Erklärungsansatz, allerdings hatte ich ja einen Hohlschliff-Objektträger, der mit einem Deckglas abgedeckt wurde: in den ca. 5 Tropfen aus der Pipette tummelten sich auch noch eine Stunde später vergnügt Euplotes, Paramecien und Rädertiere usw., in der Mitte bildete sich langsam die durch Verdunstung entstehende Luftblase.

Da ich den oben gesehenen Euplotes ja schon kurz nach dem Auflegen gefunden habe, könnte es aber vielleicht auch sein, dass er beim Umsetzen mit der Pasteurpipette oder durch den Schlag beim Auflegen des Deckgläschens verletzt wurde? In Bild 1 ist die Zellwand ja schon lädiert.

schöne Grüße,
Danny

Michael

Hallo Danny,

Du hast recht - bei einem Hohlschliff-Objektträger sollte das nicht passieren.
Dennoch sieht es für mich so aus, als ob der Euplotes platt gedrückt wurde. Die Grundfläche erhöhte sich, also muss die Höhe kleiner werden. Bei der Ursache dafür bin ich aber auch ratlos.

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

CRegenschein

Hallo,

gestern habe ich in einer weiteren Probe drei weitere Exemplare der Gattung gefunden, von denen zwei auch so ein "Super-Vakuuole" Problem hatten: incl. Ausstülpungen des Körpers, die teilweise sehr gruselig aussahen. Diesmal konnte ich den Vorgang genauer beobachten, in einem Zustand, da die Zellen unverletzt sind: dass sich eine der Vakuolen entsprechend immer weiter füllte und so zur Deformation der Hülle führte.

Allerdings haben sich diese Aufblähungen nach einiger Zeit ganz plötzlich abgebaut und danach lebten die Euplotes noch munter in ursprünglicher Gestalt weiter. Dieses Mal waren die drei Gesellen auch ziemlich am Rand des Geschehens, sprich an der Wasser / Luft Grenze unterhalb des Deckglases. Sie waren aber auch nach der Blasenbildung noch mobil, hätten also auch woanders hinschwimmen können.

Ist das vielleicht so eine Art "Taucher-Krankheit", also dass der Wasserdruck in den Tröpfchen unter dem Deckglas anders ist als im 1-Liter-Aquarium? Oder der Sauerstoffgehalt nicht dem entspricht, wo sie sich bevorzugt aufhalten? Ich ziehe immer Wasser aus verschiedenen Schichten des Minibeckens (oben und unten).

Eine Foto-Dokumentation reiche ich noch nach.

schöne Grüße,
Danny

CRegenschein

Hier die fotografische Dokumentation.

Im ersten Bild sieht man einen Euplotes, bei dem sich die Hülle schon leicht deformiert, weil die Vakuole Platz braucht. Dieses Mal jedoch ist der Euplotes nicht ersichtlich äußerlich verletzt:



Die Vakuole möchte immer mehr Platz einnehmen:


Entspannt sich mitunter aber auch ein wenig, bzw. breitet sich in eine andere Richtung aus:


In dieser Übersicht sieht man oben links den betroffenen Euplotes, der andere rechts unten ist nicht beeinträchtigt:


Bald jedoch vergrößert sich wieder ein Bereich, Plasma strömt mit ein:


In der Übersicht sieht man wieder den betroffenen und den gesunden Euplotes:


Die Ausdehnung nimmt bedrohliche Ausmaße an, nur noch ein dünner werdender Streifen hält die Hülle zusammen:


Mittlerweile wird schon annähernd die Hälfte der Zelle aufgepumpt, es entsteht eine dünne Einschnürung:


Als ich schon dachte, gleich platzt es, hat sich ruckartig wieder alles beruhigt:


Schon wenig später konnte man dem Euplotes nicht mehr ansehen, dass dies alles passiert ist.

Von den drei Exemplaren waren diesmal zwei betroffen, eines gar nicht. Aber nur das hier gezeigte hat diese extreme Entwicklung genommen.

Ich rätsele weiter, was die Ursache sein könnte :-)

schöne Grüße,
Danny

CRegenschein


Michael Plewka

hallo Danny,

genau das ist der richtige Ansatz!
zunächst einmal sollte man sich bewusst machen, dass Vakuole nicht gleich Vakuole ist. Während bei praktisch allen (heterotrophen) Einzellern Nahrungsvakuolen vorkommen, zeichnen sich (Süßwasser-) Ciliaten wie z.B. Euplotes zusätzlich durch sog. Kontraktile Vakuolen (= pulsierende Vakuolen) aus. Diese optisch leeren Bereiche der Zelle sind in ihere Anzahl von Art zu Art verschieden (Euplotes hat eine, Paramecium z.B. 2) füllen und entleeren sich normalerweise in m.o.w. regelmäßigen Abständen, so dass sie im Mikroskop mal groß, mal klein erscheinen. Sie haben letztlich eine ähnliche Funktion wie die Nieren der Wirbeltiere (Osmoregulation), funktionieren also unter Energieverbrauch .  Diese Energie wird durch Atmung bereitgestellt, das Viech braucht also Sauerstoff. Wird dieser unter dem Deckglas knapp, funktioniert die Osmoregulation nicht mehr, der Ciliat nimmt immer mehr Wasser auf, bis er platzt (der obere Fall in deinen Fotos). Ebenso kann die Kontraktile Vakuole bei Platzmangel (= Schichtdicke unter dem Deckglas) andere Membransysteme in der Zelle berühren und somit ebenso Schaden nehmen oder aber sich verschieben und "normal" weiterarbeiten (der untere Fall in deinen Fotos).
Soweit mal als kurze Erklärung.

beste Grüße
Michael Plewka

CRegenschein

Hallo Michael,

Danke für diese fundierte Erklärung. Das deckt sich auch gut mit der Beobachtung, dass sich alle an der Luftgrenze aufgehalten haben.

Reichen die Bilder, um E. muscicola anzunehmen?

Schöne Grüße
Danny

Michael Plewka

hallo Danny,

aufgrund der Bilder kann ich leider keine Artbestimmun vornehmen. Da ist es natürlich besser, solche Exemplare zu fotografieren, die intakt sind.

beste Grüße
Michael Plewka

CRegenschein

Hallo Michael,

Danke, das habe ich befürchtet. Ich versuche es die Tage nochmal mit einem munteren Bild.

Schöne Grüße,
Danny