Fragen zum Sehfeld, Mikrofotografie und andere

Begonnen von Baldrian, September 25, 2016, 19:38:12 NACHMITTAGS

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Baldrian

Hallo, beim Untersuchen mehrerer Mikroskope und nach dem Lesen einiger Schriften zum Thema sind für mich als Fotograf einige Fragen zu Begriffen aus der Mikroskopie offen geblieben. Wie brauchbar sind diese Erkenntnisse?

1.    Aus der Fotografie ist mir der Begriff Bildkreis geläufig. Sehe ich mir im Fototubus der Mikroskope die Bildkreise der Mikroskopoptik an, haben sie Durchmesser von rund 20mm. Ältere oder einfache Objektive haben einen kleineren, bzw. durch ihre Fehler und Bildfeldwölbung nur kleineren nutzbaren Bildkreis. Hochwertige Mikroskopobjektive haben einen größeren Bildkreis,  bis ca. 25 mm.  Kann man das als Basisinfo so stehenlassen?  
 
2.   Die Sehfeldzahl gibt an, welcher Durchmesser des Bildkreises verwendet wird. Deshalb zeigt ein 10x/18 ein kleineres Bild als ein 12x/18, das den gleichen Bildausschnitt vergrößert abbildet. Stimmt das?

3.   Die Optik in einem Fotoadapter heißt Relaisoptik. Ihre Zahl, wie 2,5x für Kleinbild (24x36mm) gibt an, um welchen Faktor der Bildkreis vom Objektiv vergrößert oder verkleinert wird, um ihn der Größe des Aufnahmeformats anzupassen.
2,5x ergäbe bei einem 20 mm Bildkreis eine Erweiterung auf 50 mm. Das passt zum Kleinbild, das eine Diagonale von 43 mm hat.
1,6x ergäbe bei einem 20 mm Bildkreis eine Erweiterung auf 32 mm. Das passt zu APS-C mit knapp 29mm Diagonale.
0,5 x ergäbe bei einem 20 mm Bildkreis eine Erweiterung auf 10 mm.

4.   Was bedeuten aber die hohen Angaben auf Projektiven?
4x / 6x / 12 x  ... Sind die für Mittelformat und Großformate aus der analogen Fotografie gedacht? Oder soll z.B. das 4x Projektiv nur einen kleinen zentralen Teil des Bildkreises eines Objektivs mit mäßiger Randabbildung auf das Aufnahmemedium werfen?

Tom


           
 
 
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JB

#1
Hallo Tom,

1) Ja, wobei auch einige alte Objektive bei grossen Bildfeldern am Rand noch ein gutes Bild erzeugen koennen (nur eben nicht plan, fokussieren ist noetig). Planobjektive koennen auch bei Bildfeldern um 30 mm noch brauchbar sein. CF250 Unendlich-Objektive GF von Zeiss-Jena waren ausdruecklich bis 32 mm plan, das ist das groesste garantiere Bildfeld das mir bei Mikrosokopen einfaellt. Lupenobjektive (Zeiss Luminar etc.) hatten ebenfalls sehr grosse Bildfelder.

2) Ja. http://www.mikroskopie.de/kurse/glossar/glossart.htm

3) Ja, wobei die Nutzung von "Relais" hier im Forum umstritten ist  ;D Man muss unterscheiden zwischen
a: Afokale Adaption (Okular erzeugt Bild im Unendlichen, Kameraobjektiv/Relaisoptik, auf unendlich fokussiert, erzeugt dann das Bild auf dem Sensor/Film)
b: direkter Projektion (mit Projektiv direkt auf den Sensor/Film in einem vom Hersteller bestimmten Abstand. Der Vergroesserungsfaktor ist immer auf eine bestimmte Kameralaenge bezogen (die vom Hersteller vorgesehene Kameralaenge; bei Olympus-Projektiven, z.B., 125/150 mm http://www.alanwood.net/photography/olympus/photo-eyepieces.html#125 )

4) Kommt darauf an. Bei Olympus NFK und Zeiss Jena MF (echte Projektive) ist es tatsaechlich der Vergroesserungsfaktor fuer 125 mm Kameralaenge. Das ist in der Mikrofibel sehr schoen erklaert http://www.klaus-henkel.de/mikrofibel.pdf   Bei Leitz dagegen wurden "Projektive" fuer Mikroskop-Projektoren hergestellt, die ein Bild in weiter Entfernung an der Wand (praktisch bei Unendlich) erzeugten. Sie funktionieren also wie Okulare und es ist die Okularvergroesserung angegeben (2x, 4x usw.). Die Leitz-"Projektive" lassen sich auch als Photookulare verwenden, aber nur mit Relaisoptik (afokale Adaption).

Die grossen Vergroesserungen bei Olympus- und Zeiss-Jena Projektiven waren meines Wissens fuer (entsprechend grosse) Photoplatten vorgesehen.

Beste Gruesse,

Jon

Baldrian

Danke Jon, das hilft mir sehr weiter. Manchmal muss man seinen Wissensstand hinterfragen, um nicht in die falsche Richtung zu galoppieren.

Tom 
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JB

Hallo Tom,

Auf dieser schoenen Seite http://www.mikroskopie.de/pfad/dokumentation/acht.html koennen Sie Sehfeld und Vergroesserungsfaktor eingeben und das Ergebnis begutachten.

Fuer die afokale Adaption berechnet man den Vergroesserungsfaktor V:

V = Okularvergroesserung x Kameraobjektivbrennweite/250 mm , also z.B. fuer ein Okular 10x und ein Festbrennweitenobjektiv 50 mm

V = 10 * (50/250) = 2


Fuer die direkte Projektion (Olympus, Jena) geben Sie einfach den Vergroesserungsfaktor auf den Projektiv ein, also z.B. fuer das Olympus NFK 3.3x

V = 3,3

Baldrian

Ich lege noch mal einige Aussagen nach. Stimmen die oder fehlt etwas Wesentliches?

1. Die Kamera 'blickt' mit eigenem Objektiv in das Okular des Mikroskops. Dafür geeignet sind flach gebaute Fotoobjektive mit Normalbrennweite wie 50 mm für 24x36mm oder sogenannte Pancake Objektive mit 40mm Brennweite für APS-C geeignet, bzw. rund 20mm bei MFT und das flache Nikkor 10-30mm  am kleinen CX-Format des Nikon 1 Systems.

2. Am Mikroskop befindet sich ein Adapter mit integrierter Optik, dem Projektiv. Es passt den Bildkreis des Mikroskops der Sensorgröße an, ebnet das Bild und korrigiert im Idealfall zusätzliche Abbildungsfehler.

3. Die Kamera nimmt direkt das Bild des Mikroskopobjektivs auf, welches Zwischenbild genannt wird.
- Probleme:
Meistens wird dieses Bild im Inneren des Mikroskops erzeugt und ist nicht direkt auf den Sensor vieler Kameras zu projizieren.     
Das Bild des Mikroskopobjektivs eignet sich ohne zusätzliche Optik durch eine starke Bildfeldwölbung nicht für fotografische Zwecke.
Dafür geeignet sind nur Objektive mit  .... Eigenschaften, die im unteren bis mittleren Preisbereich nicht anzutreffen sind und somit nur einem kleinen Anwenderkreis zur Verfügung stehen.
Frage dazu? Wie teuer ist ein geeignetes Objektiv? Wie heißt es und wer stellt es her?   
Mit speziellen Mikroskopkameras, die wie Okulare im Tubus versenkt werden, ist das sogenannte Zwischenbild erreichbar. Sein Bidlkreis ist mit rund 20 mm jedoch so groß, dass die kleinen Sensoren solcher elektronischer Okulare mit Abmessungen von rund nur einen kleinen Teil der nutzbaren Fläche erfassen können. Daher sind solche Kameras üblicherweise mit Optiken ausgestattet, die den Bildkreis entsprechend reduzieren.   

Adaptierung am Mikroskop
1. Fotoanschluss am Mikroskopstativ
Ein Strahlenteiler oder eine Strahlenumlenkung leiten Licht in den Fotoanschluss. Die Verbindung der Kamera mit dem Mikroskop ist relativ stabil.
2. Fotoanschluss am Trinokular
Dies entspricht der Standard-Adaptierung im mikroskopischen Alltag. Je nach Hersteller und Typ kann die Verbindung aus Kamera und Stativ sehr gut und solide sein oder etwas wackelig.   
3. Fotoanschluss am Okular
Hat die Kamera weder am Stativ einen Fotoanschluss noch einen Trinokular für zwei Okular und eine Kamera, gibt es Fotoadapter, die auf die Hülsen für die Okulare gesteckt und festgeklemmt werden. Mit leichten Kameras ist das in Ordnung, doch große, schwere Kameras sind eine starke Belastung für die Okularhalter.   
4. Fotoanschluss durch Reprosäule
Die stabile Reprosäule ist oft besser als eine Adaptierung der Kamera am Trinokular oder an der Okularhülse. Die Reprosäule erlaubt die einfache Verwendung vieler unterschiedlicher Kameras, die mit eigenem Objektiv in ein senkrecht nach oben ragende Okular, z.B. im Fototubus des Mikroskops blicken. Zudem kann man mit der Reprosäule den Abstand zwischen Objektiv und Okular am besten einstellen, um eine gleichmäßige Ausleuchtung des Bildes zu erhalten. Bei anderen Adaptierungen ist diese Möglichkeit oft gar nicht gegeben.
Mikroskope sind so schwer und rutschfest, dass sie - einmal korrekt unter der Reprosäule positioniert - in der richtigen Position bleiben.

Tom
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JB

Hallo Tom,

Das ist ein wenig viel oben. Wenn Sie einen Hersteller im Blick haben, koennte man schnellere Beratung geben.

Zitat von: Baldrian in September 26, 2016, 17:39:45 NACHMITTAGS
3. Die Kamera nimmt direkt das Bild des Mikroskopobjektivs auf, welches Zwischenbild genannt wird.
- Probleme:
Meistens wird dieses Bild im Inneren des Mikroskops erzeugt und ist nicht direkt auf den Sensor vieler Kameras zu projizieren.     

Ja, das ist eine Option. Man montiert die Kamera so, dass der Sensor genau in der Zwischenbildebene sitzt. Das ist, je nach Hersteller, 10 mm unterhalb der Okularrohr-Oberkante (DIN und die meisten modernen Unendlichmikroskope), manchmal auch tiefer (Zeiss Jena CF250: 13 mm); siehe Mikrofibel.

Oft ist das Zwischenbild nicht erreichbar, manchmal funktioniert es aber!

Zitat von: Baldrian in September 26, 2016, 17:39:45 NACHMITTAGS
Das Bild des Mikroskopobjektivs eignet sich ohne zusätzliche Optik durch eine starke Bildfeldwölbung nicht für fotografische Zwecke.

Nein, die Bildfeldwoelbung es Zwischenbildes wird nur selten von den Okularen korrigiert. Planobjektive erzeugen auch ein gut nutzbares, planes Zwischenbild, das ist also kein besonderes Problem.

Zitat von: Baldrian in September 26, 2016, 17:39:45 NACHMITTAGS
Dafür geeignet sind nur Objektive mit  .... Eigenschaften, die im unteren bis mittleren Preisbereich nicht anzutreffen sind und somit nur einem kleinen Anwenderkreis zur Verfügung stehen.
Frage dazu? Wie teuer ist ein geeignetes Objektiv? Wie heißt es und wer stellt es her? 

Nikon CF- und CFN-Planobjektive (160 mm Tubuslaenge) http://www.krebsmicro.com/Nikon_CF.pdf haben ein planes, farbkompensiertes Zwischenbild. Die sind teurer als Zeiss oder Leitz, aber noch immer im mittleren Preissegment. Wenn Sie Nikon CF-Objektiven an einem Zeiss Standard mit Teilerwurfel und selbstgebautem Tubusrohr verwenden, kommen Sie sogar an das Zwischenbild heran.

Ausserdem erzeugen moderne Unendlichmikroskope ein auskorrigiertes Zwischenbild, einschliesslich der Systeme: Zeiss Jena CF-250, Zeiss West ICS, Olympus UIS und NIKON CFI60. Sogar Leica HC ist anscheinend geeignet (wurde hier im Forum mal gezeigt).

Aufgrund der Groesse des auskorrigierten Zwischenbildes (um die 22-30 mm) eignen sich sind besondere m4/3 und APS-C-Kameras dafuer.

Zitat von: Baldrian in September 26, 2016, 17:39:45 NACHMITTAGS
Mit speziellen Mikroskopkameras, die wie Okulare im Tubus versenkt werden, ist das sogenannte Zwischenbild erreichbar. Sein Bidlkreis ist mit rund 20 mm jedoch so groß, dass die kleinen Sensoren solcher elektronischer Okulare mit Abmessungen von rund nur einen kleinen Teil der nutzbaren Fläche erfassen können. Daher sind solche Kameras üblicherweise mit Optiken ausgestattet, die den Bildkreis entsprechend reduzieren.   

Da gibt es aber grosse Qualitaetsunterschiede bei den Zwischenoptiken. Die meisten farb-kompensieren nicht, so dass auch sie ein auskorrigiertes Zwischenbild (also Nikon CF oder ein Unendlich-Mikroskop) erfordern. Billige Zwischenoptiken erzeugen eine starke Bildfeldwoelbung. Sie sollten genau herausfinden, was sie kaufen.

Beste Gruesse,

Jon