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Botanik: Die Cashew-Nuss *

Begonnen von Carsten Wieczorrek, Oktober 16, 2016, 20:49:21 NACHMITTAGS

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Carsten Wieczorrek

Hallo,

ich habe in meinem Urlaub von ein paar für westeuropa ungewöhnlichen Bäumen Aststücke für mikroskopische Schnitte mitgebracht. Diese werde ich hier in loser Folge vorstellen. Zum Probensammeln hatte ich ein paar Glasröhrchen mit AFE dabei. Als die aufgebraucht waren, mussten einige Ästchen in einer kleinen Mineralwasserflasche mit Cachaca vorlieb nehmen :-). Heute fange ich mit dem Cashew-Baum an.


Nüsse
Natürlich ist der Titel für alle Botaniker ein großer Fehler. Die Cashew ist keine Nuss, sondern eine Steinfrucht. Nüsse sind Früchte, bei denen alle drei Schichten der Fruchtwand (d. h. des Perikarps) verholzen. In dem Sinne haben wir nur wenige Nüsse in Deutschland: die Haselnuss ist eine Nuss, die Eichel ist eine Nuss. Die Kastanie ist eine Steinfrucht, genau wie die Mandel, die Kokosnuss, die Muskatnuss. Auch die Walnuss ist eine Steinfrucht, dachte ich. Bei der Recherche für diesen Artikel habe ich gelesen, dass ein Botaniker jetzt herausgefunden hat, das die grüne Hülle um die Walnuss gar nicht zur Fruchtwand gehört, sondern ein umgewandeltes Blatt ist. Damit wäre sie tatsächlich eine Nuss. Genau wie die Erdnuss, die zwar eine Hülsenfrucht ist, die sich aber mit der Reife nicht öffnet.


Die Cashew
Die Cashew ist eine Steinfrucht. Das, was wir als Nuss essen, ist nur der Kern der Frucht. Die Frucht selber wird zur Ölgewinnung verwendet. Bei der Reife verdickt der Fruchtstiel zu einer etwa faustgrossen Scheinfrucht (der Cashew-Apfel), die essbar ist. Da sie sehr druckempfindlich, extrem saftig und schnell verderblich ist, kommt sie nicht in den Handel und hat als Frucht nur lokale Bedeutung. Aber wer die Möglichkeit hat, eine zu probieren, sollte sie einmal essen.

Der Cashewbaum Anacardium occidentale ist ein immergrüner Laubbaum, der Wuchshöhen von 10–12 m erreicht. Er kommt ursprünglich nur in den Tropen Südamerikas vor. Mein Probenbaum wurde nicht intensiv beerntet (keine Plantage) sondern wuchs recht natürlich in einem Nationalpark. Er war nur etwa 6 m hoch. Bild 1 zeigt den Baum in Vollansicht, Bild 2 die Blätter im Detail. Eine unreife Frucht ist in Bild 3 zu sehen. Nach der Reife bildet sich eine gelb-rote Scheinfrucht, wie in Bild 4 zu sehen ist. Bild 5 zeigt schließlich eine aufgeschnittene Scheinfrucht auf meinem Frühstücksteller: es ist nur "Fruchtfleisch" zu sehen, keine Kerne, Samen oder dergleichen.

Bild 1 : der Baum



Bild 2 : die Blätter



Bild 3 : die unreife Frucht


Bild 4 : zwei reife Früchte



Bild 5 : die aufgeschnittene Scheinfrucht



Präparation und Färbung
Vor Ort wurde ein etwa 10 cm langes Stück eines etwa 5 mm dicken Astes abgeschnitten und sofort in AFE gelagert. Geschnitten habe ich auf dem Handmikrotom mit Leica-Einmalklingen im SHK-Klingenhalter. Die Schnittdicke beträgt rund 30 µm. Das Material ließ sich gut schneiden.

Die Schnitte wurden aus AFE heraus einmal mit 50% Ethanol gespült und dann 3 mal mit dest. Wasser ausgespült. Gefärbt wurde mit Wacker ASIM II bei 60°C für etwa 6 Minuten. Nach der Färbung wurde mehrmals mit Wasser gespült, bis keine sichtbare Farbe mehr abging. Anschließend wurden die Schnitte mehrfach mit 100% Isopropanol gespült/entwässert. Eingedeckt sind die Schnitte in Euparal, die Deckgläschen wurden 2 Tage beschwert.


Aufnahmen
Die Aufnahmen wurden mit CZJ Apochromaten und dem Projektiv PK 2,5 mit meiner Samsung aufgenommen. Das Übersichtsbild und die Übersichts-Fluoreszenzaufnahme sind gestitched aus 27 Kacheln. Jede Kachel ist in voller Kameraauflösung und besteht aus 10 bis 20 Einzelaufnahmen, die mit PICOLAY gestackt wurden. Die gestackten Bilder wurden mit Helicon Filter optimiert (geputz, weißabgleich). Zum Stitchen habe ich Image Composit Editor im automatik-Modus verwendet.


Fluoreszenz
Für die Fluoreszenzaufnahmen wurde Auflicht einer 3 Watt 430 nm LED verwendet. Gefiltert wurde mit dem CZJ-Filterwürfel 450-3 (enthält Anregungs- und Sperrfilter). Zusätzliche Anregungs- und Sperrfilter wurden nicht verwendet.


Übersicht
Bild 6 zeigt die gestitchte Übersichtaufnahme in 900 Pixel Breite. Das Originalbild ist 24170 x 26236 Pixel groß und kann hier herunter geladen werden (270 MB):

http://www.rheinflut1995.de/Fotos/Mikroskop/Cashew/Cachew_Sitch_gross.jpg

Bild 6 : Übersicht über der Astquerschnitt


Hier ist der Link zur zoombaren Ansicht :

http://www.rheinflut1995.de/Fotos/Mikroskop/Cashew/Cashew_stitch.html


Bild 7 zeigt die Übersicht in Auflicht-Fluoreszenz. Auch dieses Bild in 900 Pixel Breite. Das Originalbild ist 24995 x 26457 Pixel groß und kann hier herunter geladen werden (69 MB):

http://www.rheinflut1995.de/Fotos/Mikroskop/Cashew/Cachew_uv_Sitch_gross.jpg

Bild 7 : Übersicht über der Astquerschnitt



Legende
Was sieht man auf den Bilder? Ich versuche mal, einige Details zu bennenen, siehe Bild8.

Bild 8 : Legende



Details
Jetzt kommen einige Detailaufnahmen. Bild 8 zeigt den äußeren Rand des Schnittes.

Bild 9 : die Rinde



Bild 10 zeigt hoffentlich einen kleinen Phloem und Xylem Teil.

Bild 10 : Xylem


Bild 11 zeigt einige ölhaltige Zellen aus der Astmitte, Bild 10 in Fluoreszenz

Bild 11 : Mark mit ölhaltigen Zellen


Bild 12 : Mark im UV



Und noch vier weiter Bilder, vielleicht kann mir ja jemand noch einen Tip geben, was man da genau sieht. So einfach ist die Zuordnung für mich nicht. Wenn ich Fehler gemacht habe, bitte korrigiert mich.

Bild 13 : Xylem (nicht differenziert), Xylem und Mark



Bild 14 : Phloem mit Sekretgang



Bild 15 : ausdifferenziertes Xylem



Bild 16 : unten Phloem, darüber Sekretgang



Viel Spaß beim Betrachten,

Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

wejo

Hallo Carsten,
ich finde Deinen Beitrag zur Cashew-Nuss sehr interessant. Die Informationen darüber waren mir nicht bekannt, obwohl ich sie gerne esse.
Die Bilder gefallen mir ebenfalls sehr gut, aber bei den vier letzten Bildern kann ich Dir auch nicht helfen, da fehlen mir die Grundlagen. Danke für das Zeigen!
Ein Hinweis noch, Bild 8 tauch bei mir nicht auf.
Gruß
Werner

KlausB

Hallo Carsten,

vielen Dank für deine Bilder, ich esse die Nuss zwar gerne und oft.
Den Baum und die Früchte mit den Astquerschnitten etc. hatte ich
bisher noch nicht gesehen.

Sehr schöne Aufnahmen.

Vielen Dank

Klaus
Zeiss Phomi III im Einsatz
Zeiss OPMI als Stereo

Web-Seite:
https://www.freizeit2012undmehr.com/

cabo

Hallo Carsten

Sehr schöne Dokumentation!

Da wird einem auch verständlich warum "Caju"-Kerne relativ teuer sind: Ein Kern pro paprika-großer Frucht. Der daraus gewonnene Saft schmeckt übrigens auch hervorragend.

Darf ich fragen wo genau du in Brasilien warst?

Gruß

Christian

Rolf-Dieter Müller

Hallo Carsten,

Schnitt, Färbung und Mikroaufnahmen sind Dir sehr gut gelungen. Ich bin schon gespannt auf Deine Folgebeiträge.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Fahrenheit

Lieber Carsten,

da kann ich mich nur anschließen: eine schöne Präparation und schöne Aufnahmen von einer interessanten Pflanze!
Um die Reise und den Geschmackstest beneide ich Dich! ;)

Eine Kleinigkeit: Im Bild 6 sieht man Putzstreifen. :) Da hilft nur, alle präparatefreie Flächen mit der gleichen Farbe einzufärben, um eine homogene Fläge zu erhalten. Ich mache das in der Regel bei 300% Bildgröße mit einem großen "Pinsel" per Hand.

Bei Bild 8 bin ich mir nicht sicher, aber ich denke, wir sehen hier den Beginn der Bildung eines Periderms unterhalb der mit der Cuticula bedeckten Epidermis. Als Periderm würde ich die Farblosen Zellen direkt unterhalb der Epidermis ansprechen, es haben sich schon ein bis zwei Reihen Phellem gebildet und rechts am Rand sieht man m.E. quaderförmigen Zellen des Phellogens, die sich frisch geteilt haben. Das ist am Bild aber immer etwas schwierig zu beurteilen: Diskussion erwünscht. :)

Zu den anderen Bildern:
Bild 12 von links (Außenseite) nach rechts (Innenseite):
- frisches, noch nicht ausdifferenziertes Xylem, das aucf ein schnelles Wachstum schließen lässt,
- darauf folgend das ausdifferenzierte Xylem mit lignifizierten Zellwänden. Beide Bereiche mit Xylemparenchym, Tracheen und Markstrahlen.  
- dann primäres Xylem und Markparenchym mit Sekrettröpfchen in einigen Markzellen
- darin eingelagert einer der innen liegenden Sekretgänge ganz am rechten Rand

Bild 13:
- einer der äusseren Sekretgänge unterhalb der Sklerenchymkappe, also wohl umgeben von Phloemzellen.
- leider hat sich darüber das Sekret verteilt, so dass die Zellen schwer zu erkennen und zu bestimmen sind.

Bild 14:
- das erste voll ausdifferenzierte Xylem ausserhalb des primären Xylems - oben wäre dann innen.

Bild 15:
- mehr Sekretgänge unterhalb einer Sklerenchymkappe
- die rot gefüllten Zellen sind Präparationsartefakte

Zwei Vorschläge für sauberere Färbungen:
- Das Sekret bekommst Du durch eine kurze Spülung mit Eau de Javel weg, aushilfsweise tut es auch Klorix (Blaue Flasche!) 1:4 mit Aqua dest. verdünnt.
 Unbedingt mit der Lupe kontrollieren, bleiben die Schnitte zu lange in der Lösung, fallen sie auseinander.
- Manche Zellen färben sich dabei gelblich oder bräunlich. Das bekommst Du durch Bleichen mit Chloralhydrat-Lösung wieder weg (250g auf 100ml Wasser).
 Leider nicht ganz billig und als Schlafmittel in der Menge auch schwer zu bekommen. :(
 Ethanol 70% und Zeit helfen auch ... aber dann musst Du vor dem Färben natürlich wieder zurück ins Wasser.
 Mit der Bleiche wird auch die Gefahr der roten Präparationsartefakte geringer. Langes differenzieren (bis 24 Stunden) in Aqua dest. hilft hier auch manchmal.

Wenn Du magst, findest Du hier zusammengefasst alles zur Erstellung botanischer Dauerpräparate, was sich bei der MKB so angesammelt hat:
http://www.mikroskopie-bonn.de/themenseiten/erstellung_pflanzlicher_dauerpraeparate/index.php

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Natürlich habe ich Deinen Beitrag gelistet.
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Reinhard

Hallo Carsten,

großartige Bilder und sehr interessanter Bericht!

viele Grüße
Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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www.mikrochemie.net