Diatomeen reinigen mit H2O2 + UV-Licht?

Begonnen von Carlos, April 13, 2017, 23:15:30 NACHMITTAGS

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Carlos

Hallo zusammen,
Zum ,,Reinigen" von Diatomeen werden in der Regel ,,aggressive" und in der Handhabung problematische Chemikalien (konzentrierte Schwefelsäure, Salpeter (Säure oder Salz), H2O2, Permanganat, Hypochlorit) eingesetzt.
Eine wesentliche Aufgabe der Chemikalien ist dabei die Zerstörung bzw. Oxidation aller organischen Bestandteile einer Probe, um letztlich nur das gereinigte Kieselsäure-Skelett der Diatomeen zu erhalten.
H2O2 nimmt dabei eine Sonderstellung ein, da es zwar sehr effizient organische Stoffe zerstören und z.T. oxidieren kann, wobei aber lediglich harmlose, nicht störende Folgeprodukte entstehen (vor allem Gase und Wasser).
Nachteilig ist allerdings, dass der Oxidationsprozess sehr lange dauert. Die oxidierende Wirkung von H2O2 ist zudem unzureichend, den die beiden Schalen der Diatomeen-Skelette zusammenhaltenden ,,organischen Binder" zu zerstören. 
Bekanntermaßen kann man jedoch die oxidierende Wirkung von H2O2 in Wasser erheblich steigern, wenn man gleichzeitig die wässrige Lösung mit UV-Licht bestrahlt. Damit müsste sich der Prozess erheblich beschleunigen lassen. Zudem ist es m.E. sehr wahrscheinlich, dass die Kombination von H2O2 und UV-Licht auch den ,,Binder" zerstört und die Schalen freisetzt.
Da heute hoch wirksame UV-LEDs verfügbar sind, sollte es mich sehr wundern, wenn dieser Weg von ,,Experten für Diatomeen-Reinigung" nicht schon mal probiert worden wäre.
Deshalb meine Frage:
Hat jemand diesen Weg mal probiert?
Gruß Carlos


Carlos

Hallo Sascha,
Die Verwendung von Strahlung generell und UV-Strahlung insbesondere anstelle reaktiver, chemischer Reaktionskomponenten zur (gezielten) Auslösung von chemischen Reaktionen hat mich schon sehr lange beschäftigt.
Besonders einfach ist dabei der Fall, dass nicht gezielt eine bestimmte chemische Reaktion durchgeführt werden soll sondern lediglich ,,organische Stoffe" vollständig zerstört werden sollen. Hiervon macht man seit langem, auch großtechnisch Gebrauch (z. B. Abwasserreinigung). 
Mit dem Thema ,,Diatomeen-Reinigung" beschäftige ich mich allerdings erst seit kurzem. Dabei habe ich mich an meine, vor langer Zeit durchgeführten Labor-Versuche zur gezielten Umsetzung chemischer Stoffe mit ,,aktiviertem Sauerstoff" (Ozon, OH-Radikalen aus H2O2 und UV-Licht) erinnert. (Der Vorteil des Verfahrens im Erfolgsfall für die ,,Diatomeen-Reinigung" liegt auf der Hand: Auf den Einsatz aggressiver Chemikalien und die Abtrennung der aus ihnen entstehenden Rückstände könnte vollständig verzichtet werden.)
Leider fehlt mir heute eine geeignete, gut handhabbare UV-Strahlungs-Quelle. Bevor ich nun auf die Suche nach einer derartigen Strahlungsquelle gehe, habe ich zunächst einmal hier im Forum nachgefragt, ob jemand bereits versucht hat, Diatomeen auf diese Weise zu reinigen.
Gruß Carlos

Werner

Hallo Carlos!

Zum Aufschluß brauchst Du ziemlich UV-Energie, eine UV-LED mit 5 W hat einfach zu wenig und noch dazu die falsche Wellenlänge (zu langwellig).
Die Aufschlußgeräte haben alle einen Quecksilberbrenner mit 50 - 100 - 400 W.

Ein solcher ist auch noch unbemerkt in vielen Haushalten vorhanden, nennt sich dann Höhensonne.  Wenn Du den (meist geraden) Brenner rausmontierst und in ein größeres Quarz-Reagenzglas steckst, hast Du eine UV-Tauchlampe, die dafür geeignet ist.
Für die elektrische Verbindung  nackte Lüsterklemmen oder Preßverbinder und als Isolierung Glasrohr (Raschigringe) oder Porzellan-Isolierperlen.
Zur Strombegrenzung müssen die Glühstrahler mitlaufen, der vorhandene Zeitschalter ist praktisch.

Der "Philips UVA" hat einen geraden 400-W-Brenner und ein passendes Vorschaltgerät im Fuß, da entfällt die Wärmestrahlung des Vorwiderstands.
Solch ein Teil hatte ich mal zur geplanten Brauchwasser-Entkeimung erbeutet.

Gruß   -   Werner

Carlos

Hallo Werner,
ZitatZum Aufschluß brauchst Du ziemlich UV-Energie, eine UV-LED mit 5 W hat einfach zu wenig und noch dazu die falsche Wellenlänge (zu langwellig).
Der Aufschluss geschieht nicht durch die UV-Strahlung, sondern durch das, von der UV-Strahlung ,,aktivierte" H2O2. Zwar zerfällt H2O2 auch spontan in OH-Radikale, wird dieser ,,Zerfall" aber durch UV-Strahlung ausgelöst, haben die Radikale deutlich höheres ,,Oxidations-Potential". Die energetische Leistung der LED ist dabei weniger bedeutend, bei geringerer Leistung dauert es halt etwas länger, wohl aber die Wellenlänge der Strahlung.  (So jedenfalls mein Wissen.)
Laut IN hat man heute, anders als vor wenigen Jahren, nicht nur UV-A LEDs, sondern auch UV-B und UV-C LEDs. Der Wellenlängenbereich dürfte also passen.
Hier im Forum arbeiten, wie ich den Beiträgen entnommen habe, mehrere mit UV-LEDs, auch neuerer Art. Deshalb meine Frage, ob schon mal jemand versucht hat, mit UV-LED-Strahlung und H2O2 Diatomeen zu reinigen.
Gruß Carlos

JB

#5
Zitat von: Carlos in April 13, 2017, 23:15:30 NACHMITTAGS
Hat jemand diesen Weg mal probiert?

Hallo Carlos,

- Swift, E. 1967. Cleaning diatom frustules with ultraviolet radiation and peroxide. Phycologia, 6: 161–163.

Der Artikel wird immer noch zitiert, das Verfahren scheint also gelegentlich im Gebrauch zu sein. Leider habe ich keinen Zugriff auf den Artikel.

- www.safrass.com/partners_area/BSI%20Benthic%20diatoms.pdf

"Cold hydrogen peroxide
Follow Method 1 but do not heat the beaker containing the sample. Instead leave the beaker (covered by a watch glass or similar) for at least four days. For acceleration of oxidation put the beakers in the sunlight or under an UV lamp."

Beste Gruesse,

Jon

Carlos

Hallo Jon,
Sehr interessanter Link. Er bestätigt, dass durch Sonnenlicht, wahrscheinlich UVA-Strahlung, die Wirkung von H2O2 verstärkt werden kann. Ich habe daraufhin mal im digitalisierten ,,Mikrokosmos" unter ,,Diatomeen" und ,,Wassersstoffperoxid" recherchiert. Habe dabei vieles neues gelesen, aber leider nichts zum Thema ,,H2O2 + UV-Licht. (Bin aber auch nicht der Fachmann für solche Recherchen, bin mir aber fast sicher, dass darüber im ,,Mikrokosmos" was zu finden ist.)
Übrigens: Auslöser für meine erneute Suche für den Zusammenhang von UV-Strahlung und Aktivität von H2O2 bei der ,,Reinigung" von Diatomeen war der Vortrag von Peter Höbel auf dem ,,Kornrade-Treffen". Dort hat er ein Bild eines durch UV-Strahlung deutlich ,,zerstörten" Diatomeen-Legepräparates gezeigt. Nicht die Diatomeen waren zerstört, wie auch, sondern das Eindeckmittel. Was wäre wohl passiert, wenn gleichzeitig H2O2 anwesend gewesen wäre?  Tage zuvor hatte ich versucht, die Aktivität von H2O2 durch Bestrahlung mit dem Lichtleiter einer Halogen Schott-Kaltlichtquelle, beide schon älter, zu steigern, allerdings mit nicht durchschlagendem Erfolg. Bei neueren LED Kaltlichtquellen mit Lichtleiter wird neuerdings damit geworben, dass sie ,,noch mehr UV-Strahlung" durchlassen. Danach lassen auch die alten Lichtleiter, wenn auch wenig, UV-Licht durch.
Egal wie, die Beobachtung von Peter zeigt, dass UV-Bestrahlung allein organisches Material ,,kalt" zerstören kann. Dazu muss das Material zunächst in einen ,,angeregten" Zustand übergehen und zerfällt erst dann. Auch H2O2 geht mit UV-Strahlung, bevor es zerfällt, zunächst in einen ,,angeregten" Zustand über. Beides zusammen, so jedenfalls meine Hypothese, sollte eine deutlich verbesserte ,,Reinigung" von Diatomeen ermöglichen.
Gruß Carlos

peter-h

Hallo Carlos,

zu dem Thema H2O2 + UV kann ich keinen Beitrag leisten. Nach der Behandlung mit den heißen Säuren und dem Waschvorgang bis pH ~ 7 , setze ich aber noch H2O2 ein. Allerdings über 1 - 2 Stunden bei leichtem "köcheln".
Nur so werden auch Reste von sehr widerstandsfähigem organischem Material entfernt. So meine Erfahrung.
H2O2 zu bekommen wird nach letztem Stand einer Verschärfung der Abgaberichtlinien auch problematischer. Ein Glück dass mein Kraterwasser aus dem Norden schon gereinigt ist und man das Ergebnis bei Wilfrieds tollen REM-Aufnahmen bewundern darf.

Schöne Ostergrüße
Peter

JB

Hallo Carlos,

UV-C funktioniert super fuer die Aktivierung von H2O2: www.waterrf.org/PublicReportLibrary/4040.pdf

Die gibt es als "germicidal lamp" von Philips oder Osram fuer etwa 20 Euro. Arbeitsschutz ist natuerlich beim Umgang mit diesen Lampen sehr wichtig. Man kann sie mit einem Schalter oder einer Zeitschaltuhr fernsteuern, so dass man nie der Strahlung ausgesetzt ist.  8)

Beste Gruesse,

Jon


anne

Hallo Carlos,

evtl. kann die Aktivität des Peroxids durch UV Licht gesteigert werden.
Jedoch muss doch erst überlegt werden, welches Ziel man hat.

Zudem ist jede Probe anders und benötigt oft individuelle Schritte.

Aus meiner Erfahrung und auch der Erfahrung vieler anderer geht hervor, dass mit Peroxid die organischen Anteile sehr gut zerstört werden können, jedoch werden  die Schalen nicht gespalten.
Wenn das Ziel eine Probe ist, bei der die organischen Anteile und Beimischungen zerstört sind, dann ist H2O2 sicherlich das Mittel der Wahl.
Wenn aber das Ziel ist die Schalen auch sauber zu spalten, wird die Methode wohl nicht ausreichen.

Zudem setzten Taxonomen ganz andere Maßstäbe wie z.B. Diatomisten die Präparate legen.

Das Beste ist immer eigene Erfahrungen zu sammeln und Proben zu reinigen.
In jeder Pfütze findet man genug Versuchsmaterial.

lg
anne

peter-h

Liebe Diatomeenreiniger / innen  ;D

als kleiner Beitrag aus meinem Kochstudio. Was macht man mit den Dämpfen ? Freien Lauf ins Freie / Abzug ?
Ein richtiger Rückflußkühler mit Wasseranschluß war mir zu umständlich. Zudem sind es nur geringe Mengen an Wasserdampf, bzw. den sonstigen Dämpfen. So habe ich mir von einer Glasbläserei einen nach meiner Zeichnung beschriebenen Luft-Rückflußkühler herstellen lassen. Funktioniert wunderbar !


In einen Weithals Erlenmeyerkolben wird die kleine Kühlbirne locker eingelegt. Rechts im Bild ein Teilstück vom Abluftrüssel. Durch den ständigen Luftstrom wird die Kugel ausreichend gekühlt und das Kondensat tropft wieder zurück. Die obere Eindellung verhindert gut dass zuviel Kondensat seitlich abläuft.  Für mich einfacher als eine kräftige UV-Quelle und zudem knacke ich die Schalen mit dieser Methode sehr bequem.



Nachbau gestattet  ;D Das besondere Osterei !

Peter


unkenheini

Moin ,
Man bekommt UV Lichtquellen in verschiedenen Stärken in der Teich oder Aquariumabteilung. Als UV Wasserklärer. Mit Gehäuse und Vorschalgerät sowie Schauchanschlüssen,oder die Brenner einzeln als Ersatzteil. In der Teichabteilung bekommt man auch mit Glück H2O2 bis 30% gegen Autogramm. Ist für den Oxidator der Firma Söchting(oder so ähnlich)
Viele Grüße Jörg
Mit freundlichen Grüßen
Jörg G.

p.s. Mir ist es lieber mit Du angesprochen zu werden als mit Sie.Danke.

Carlos

Hallo zusammen,
Dank der Hinweise habe ich viele Artikel im IN zur Aktivierung von H2O2, die Wirkung von UV-Strahlung auf organische Verbindungen, die (vermuteten) Struktur des ,,Kitts" , der die beiden Schalen der Diatomeen zusammen hält und die Art der zu entfernenden ,,Innereien" der Diatomeen gelesen. Alles sehr interessant, aber wofür habe ich ein Mikroskop? Wofür habe ich gelernt, im Mikromaßstab zu arbeiten?
Als zunächst ein ,,Vor-Test": Einen Tropfen einer ,,Watt-Schlick-Probe", die zur Reinigung bereits seit zwei Tagen mit 30%igem H2O2 behandelt wurde auf einen Objektträger und mit einem Deckglas abgedeckt, mit einem 10-fach Objektiv im Dunkelfeld bei gerade ausreichender Beleuchtung (3A entsprechend << 30W) betrachtet. Ergebnis: Man sieht einige (große) Diatomeen und es entstehen wenige Gasblasen, allerdings nicht bevorzugt an oder in den Innereien enthaltenen, Diatomeen sondern unvorhersehbar. Steigert man jetzt die Lichtstärke und verschiebt dadurch das Spektrum ins kurzwelligere (wohl kaum UV), nimmt die Gasentwicklung massiv zu. Offensichtlich reicht die Wellenläge des gebündelte Lichts des Kondensors, H2O2 zu aktivieren. (Einzelne Diatomeen allerdings sind ohne erkennbaren Grund geradezu ,,explodiert", der Rahmen der Schalen blieb erhalten, die das Muster tragenden Innenteile waren allerdings zerstört.)
Jetzt werde ich mal versuchen, einzelne, große Diatomeen mit Innereien auf dem Objektträger zu isolieren und mit H2O2 unter Mikroskop-Beleuchtung zu behandeln. Mal sehen, was passiert.
Gruß Carlos