Zoophagus insidians - Ein räuberisch lebender Pilz

Begonnen von Martin Kreutz, Juni 25, 2017, 20:59:17 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

ich möchte über meine Beobachtungen an Zoophagus insidians berichten, einem räuberisch lebenden Pilz, der sich hauptsächlich von Rädertieren ernährt. Dieser Pilz wurde erstmals von Sommerstorff im Jahre 1911 beschrieben (s. Literatur unten). Auch im ,,alten" Forum, wurde über diesen merkwürdigen Pilz berichtet:

http://www.mikroskopie.de/mikforum/read.php?1,11574,11574#msg-11574

Ich konnte eine Population von Zoophagis insidians aus dem Simmelried sehr gut auf schwimmenden Deckgläsern untersuchen. Dazu habe ich ca. 20 – 30 ml Probe in eine Pertrischale gegeben und Deckgläser auf die Wasseroberfläche gelegt, wo sie wochenlang schwimmen. Nach ca. 7 Tagen hat sich dort mitunter eine reichhaltigen Flora und Fauna angesiedelt. Nimmt man dann die Deckgläser runter auf einen Objetträger, hat man beste Beobachtungmöglichkeiten, da die Objekte förmlich am Deckglas kleben.

Auf einigen dieser Deckgläser konnte ich nach ca. 7 Tagen mehrere Millimeter große Mycel von Zoophagus insidians entdecken. Man erkennt diesen räuberischen Pilz sofort. An einem ca. 5-6 µm dicken Hyphe, zweigen in Abständen von ca. 50 µm kleine Seitenäste mit einer Länge von 10-20 µm im Rechten Winkel ab. An den Enden dieser Seitenäste hängen üblicher Weise mehrere ,,Leichen" von Rädertieren und bei meiner Popolation waren auch viele Gastrotriche dabei:



GA = Gastrotriche
RA = Rädertiere

In den Hyphen des Pilzes ist eine rege Plasmeströmung in beiden Richtungen zu beobachten:


ZK = Zellkerne (?)

Wie schafft es nun der Pilz diese schnell schwimmenden Metazoen einzufangen? Der Fangmechanismus verbirgt sich in den Seitenästen des Pilzes. Man erkennt schon bei kleinen Vergrößerungen, dass diese Seitenäste hochbrechend sind. In ihnen bilden sich Vakuolen, welche mit einem hochbrechenden "Schleim" gefüllt sind. Die separaten Vakuolen in den Seitenästen zu erkennen, ist gar nicht so leicht, da diese oft dicht gepackt vorliegen:


Vac = Vakuolen mit klebrigem Schleim gefüllt

Berührt nun ein Rädertier oder Gastrotrich die Enden dieser Seitenäste mit der Mundöffnung, so erfolgt eine spontane Freisetzung des ,,Schleimes", was dazu führt, dass die Opfer sofort daran festkleben. Die Zusammensetzung des ,,Schleimes" muss also sehr spezifisch sein, dass es mit der Oberflächenstruktur der Opfer so schnell reagieren kann, dass keine Flucht mehr möglich ist. Ich konnte mehre Rädertiere beobachten, welche bereits gefangen waren, jedoch noch aktiv waren und versuchten sich zu befreien. Das Schicksal, welches ihnen widerfahren wird, wird jedem Horrorfilm gerecht. An der ,,Klebestelle" beginnt Zoophaus zuerst eine verbreiterte Basis auszubilden, ähnlich einer Synapse. Hier ein Opfer (wahrscheinlich Cephalodella), wo man dieser ,,Klebestelle" gut erkennen kann:


SA = Seitenast
KS = verbreiterte Kontaktstelle

Von dieser verbreiterten Basis aus wächst nun ein Mycelschlauch durch die Schlundöffnung in das Rädertier hinein, während das Tier noch lebt. Auf der folgenden Aufnahme kann man den Wachstumskegel gut erkennen (Pfeil):


MY = Mycel

Danach beginnt sich das Mycel zu verzweigen und durch ausgeschiedene Enzyme beginnt die langsame Verdauung des Rädertieres (oder Gastrotrichen). Es ist also ein sehr langsamer Tod.  In den leer gesaugte Hüllen kann man nach abgeschlossener Verdauung das verzweigte Mycel gut erkennen:


MY = Mycel
ETS = Eintrittsstelle

Zoophagus insidians ist ein sehr häufig vorkommender Pilz, dessen hoch spezialisierte Nahrungsaufnahme sehr interessant ist. Man kann ihn auf Agarplatten wohl auch gut züchten. Bei diesen Anzuchten hat man festgestellt, dass der Pilz keine alternative Nahrung zu sich nimmt. Bleibt eine Fütterung mit Rädertieren aus, so verkümmert und stirbt er.

Unten habe ich noch etwas Literatur zu Zoophagus insidians zusammengestellt.

Schönen Abend!

Martin


Lit.:

- Arnaudow, N. (1925): Untersuchung über den Tiere-fangenden Pilz Zoophagus insidians Som. Flora (Jena) 118–119, 1–16
- Meyer-Rochow, V. B. (1976): Mit ,,Fußangeln" und "Leim" auf Beutefang. Mikrokosmos 65/2.
- Powell, M. J., Heyburn T., Toadvine S (1990): Zoophagus insidians Has Reproductive and Cellular Morphology of a Zygomycete. Mycologia 82/4, 460 – 470.
- Sommerstorff, H. (1911): Österr. Botan. Z. 61, 372.



Michael L.

Hallo Martin,

ein großartiger Beitrag über einen äußerst interessanten Organismus, vielen Dank!

Viele Grüße,

Michael

Carsten Wieczorrek

Hallo,

Hut ab, bitte mehr von solchen Beobachtungen.

Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

Eckhard

Hallo Martin,

Wir finden Zoophagus auch sehr häufig. Hier sind REM Aufnahmen von einem ähnlichen Pilz (am Ende der Seite), der auf Amöben spezialisiert ist: http://penard.de/Explorer/Parasites/

Herzliche Grüße
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Michael

Hallo Martin,

vielen Dank für diese spannende Dokumentation!
Kennt man eigentlich den Auslöser für den Fang? Wie erkennt der Pilz seine Beute? Auf Anhieb fallen mir nicht viele Gemeinsamkeiten zwischen den Mündern von Gastrotrichen und Rädertieren ein.

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

Martin Kreutz

Hallo Michael,

zum Auslösemechanismus habe ich leider nichts gefunden. Aber in jedem Fall eine sehr spannende Frage! Ich kann mir vorstellen, das es entweder ein chemisches Signal ist, welches von Rezeptoren auf dem Pilz empfangen wird und dann durch eine Reaktionskaskade die Freisetzung der Vakuolen ausgelöst wird. Eine andere Möglichkeit ist eine mechanische Stimulierung durch die Cilienbewegung des Räderorgans. Aber letztendlich alles Spekulation!

Martin

Eckhard

Hallo,
,
Wenn der Pilz Acaulopage sich ausgebreitet hat, werden Amöben wie magnetisch angezogen. Der Pilz gibt chemische Signale, auf die die Anöben reagieren. Der Mechanismus, der den Wuchs des die Amöbe penetrierenden Hyphens auslöst, ist nicht bekannt. Der Pilz bildet das Hyphen nicht bei allen Amöben, manche Arzen kleben einfach fest und werden von Pilz "ignoriert". Andere Arten versuchen, wenn sie festkleben, dem Pilz durch Enzystierung zu entkommen. Diese Strategie ist i.d.R. erfolgreich.

Die Bewegung der Beute, um dem Pilz zu entkommen, löst also zumindest bei Acaulopage nicht die Ausbildung des Hyphens aus.

Herzliche Grüße
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Peter Reil

Hallo Martin,

toller Beitrag, besten Dank!

Einem "Pilzler" wie mir zeigt das wieder ganz neue Sichtweisen auf.

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Michael Plewka

hallo Martin,

wunderbarer Beitrag, vielen Dank!

beste Grüße
Michael Plewka