Pflege von antiken Mikroskopen

Begonnen von mikro123, September 02, 2009, 13:18:53 NACHMITTAGS

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mikro123

Hallo,

ich baue zur Zeit mehr oder weniger meine antike Mikroskop Sammlung auf. Jetzt die Frage, wie reinigt und pflegt Ihr vorallem die Messing-Mikroskope? Also damit alles wieder glänzt und schön zum "angucken" ausschaut :)

Viele historische Grüße,

René

Bernhard Lebeda

Hallo Rene

ich würde hier mal anfragen:

http://www.musoptin.com/


Und Herr Medenbach hier in Bochum hat da auch viel Erfahrung, frag ruhig mal an!

http://homepage.ruhr-uni-bochum.de/Olaf.Medenbach/



Tschüss

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Dr. Timo Mappes


Mikroskop Carl Zeiss Jena Nr. 774 / 1552, ausgeliefert am 5. Juli 1871
an Prof. Friedrich Mühlberg (1840-1915) in Arau, dem späteren Naturkundelehrer
von Albert Einstein (1879-1855).
Mikroskop und Kasten zeigen typische Spuren des Gebrauchs:
http://www.musoptin.com/zeiss_1552.html


Liebe Leser,

Danke für den Verweis auf meine Seite! Ich möchte an dieser Stelle ein paar Gedanken zum Erhalt und der Pflege der antiken wissenschaftlichen Instrumente teilen – im Sinne der Erhaltung dieses Kulturguts.

Für die Pflege und Erhaltung von Antiquitäten und antiker Objekte aller Art gilt allgemein: Den vorgefundenen Zustand so gut als irgend möglich bewahren.

Während es natürlich jeden Sammler und jedes Museum ganz besonders freut, wenn man ein antikes Objekt erwerben kann, welches sich in fabrikneuem Zustand befindet, so haben auch jene Instrumente mit sichtbaren Hinweisen auf den über Jahrzehnte dauernden fachgerechten Einsatz der Stücke ihren ganz eigenen Reiz und sind in gleicher Weise sammel- und erhaltungswürdig.

Gewisse Spuren des Gebrauchs machen den Charakter eines antiken Mikroskops aus und belegen im Ende dessen ehemaligen Einsatz in den Laboren der Forschung und Lehre, Naturwissenschaft und Medizin oder der Hobbymikroskopie.

Die glänzenden Messingoberflächen der antiken Mikroskope wurden in den Werkstätten der Hersteller zwischen 1800 und 1930 ursprünglich poliert, meist gebeizt und dann mit einem getönten Lack versehen. Dieser Lack war in der Rezeptur von Hersteller zu Hersteller verschieden und reichte von Schellack bis zu Nitrolacken. Umwelteinflüsse wie UV-Strahlung des Sonnenlichts, Wärme, Feuchtigkeit oder der Schweiß und das Fett der Finger des Benutzers hinterließen im Laufe der Jahrzehnte ihre typischen Spuren. Manchmal haben zudem im Labor verwendete Chemikalien die Oberfläche der Instrumente angegriffen. All diese Spuren spiegeln den fachgerechten Einsatz der Mikroskope wieder und sind daher als solche auch zu erhalten.

Museen und ernsthafte Sammler werden immer versuchen, diesen meist recht weichen und leicht zu verkratzenden Lack so gut als irgend möglich zu bewahren. Falls er wirklich so verschmutzt sein sollte, dass eine Reinigung nötig wird, sollte man ihn nur mit einer leichten Seifenlauge und einem weichen, fusselfreien Baumwolltuch sanft abwischen. Auf keinen Fall andere Reiniger oder gar Metallputzmittel bzw. Spiritus/Alkohol verwenden, dies zerstört den Lack vollständig. Die fachgerechte neue Lackierung mit Lacken der Originalrezepturen und dem herstellertypischen Farbton ist fast unmöglich – und selbst wenn dies gelingt, fehlen die auch bei ,,perfekt erhaltenen" Stücken typischen Alterungen der Oberfläche.

Die Mikroskope mit Baujahr nach 1900 wurden meist mit Nitrolack versehen. Hier heißt es in der zeitgenössischen Anleitung zum Gebrauche der Mikroskope aus der optischen Werkstätte von Ernst Leitz Wetzlar (Verlag Fr. Richter, Leipzig 1905):

Schmutz am Stativ entfernt man ebenfalls mit weichem Leinwand oder Rehleder, wobei man dem Striche der Politur zu folgen hat, nicht quer über dieselbe wischen soll. Unter keinen Umständen darf Spiritus mit gelbem Lack in Berührung kommen, wohl aber eignet sich Benzin sehr gut zum Reinigen derartig lackierter Teile.

Doch Vorsicht: Benzin ist für viele Lacke vor 1900 nicht geeignet!

Bedauerlicherweise gibt es jedoch noch immer Flohmarkthändler, die meinen ,,Messing muss glänzen" und die historischen Instrumente durch Polieren unwiederbringlich zerstören, im vermeintlichen Glauben so den Verkaufswert zu erhöhen. Man möchte gar nicht daran denken, wie viel Kulturgut derart zerstört wird.

Für mechanische Bauteile gilt übrigens ähnliches: Keine Schraube lösen, die man nicht unbedingt herausdrehen muss. Falls es doch notwendig sein sollte eine Schraube zu drehen, sollte man sich unbedingt stets den 100% passenden Schraubendreher anschaffen – denn die Köpfe der Schrauben werden durch falsche Werkzeuge der unsachgemäßes Ansetzen sehr schnell beschädigt und zeigen dann auf ewig die Spuren des falschen Gebrauchs.

Mein dringender Rat: Im Zweifel immer erst fragen, bevor man vorschnell ,,Hand anlegt". Gerne stehe ich hier jederzeit für weitere Hinweise zur Verfügung!

Beste Grüße
Timo Mappes








Prof. Dr.-Ing. Timo Mappes
Deutsches Optisches Museum
Carl-Zeiss-Platz 12
07743 Jena

*************************
privat:
Museum Optischer Instrumente
www.musoptin.com

Die erste vollillustrierte deutschsprachige Seite zur Geschichte der Mikroskope für die Wissenschaft im 19. & frühen 20. Jahrhundert

felix

Ein in Spiritus gelöster Lack für Messing, so wie er in der Zeit der Hufeisen verwendet wurde, ist unter dem Namen "Messinglack von 1882" bei Pigmente Kremer erhältlich.  Ich verwende ihn selbst für Messingteile von Mikroskopen und kann ihn sehr empfehlen: Er gibt den typisch Goldglanz, den die damaligen Hersteller beabsichtigten.
"Du" angenehm.

felix

Sorry, zehn Jahre später: "Messinglack von 1892".
"Du" angenehm.

Florian Stellmacher

Lieber Felix,

das ist ein toller Tipp, danke!

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

felix

Beliebiger feiner Pinsel dient dem Zweck.  Zuerst habe ich einen Ziegenhaarpinsel genommen, dann aber festgestellt, daß es mit einem Schulaquarellpinsel auch prima geht. Der Lack verläuft auf dem Metall.  Ein bißchen geschickt muß man mit der Abtropfbildung umgehen. Leider läßt sich das schlecht beschreiben.  Aber man sieht sofort worauf man achten muß, wenn man es einmal gemacht hat.
"Du" angenehm.

Kathleen

Hallo René,

es wäre schön, wenn Du das Ergebnis Deiner Restaurationsarbeit hier per Foto dokumentieren könntest!
Habe auch zwei "Pflegefälle" (nach meiner Schätzung auf 1900- 1920 zu datieren), aber so richtig traue ich mich an das Aufarbeiten noch nicht heran... das Beispiel einer geglückten Verschönerung wäre für mich sehr hilfreich  :)!

Liebe Grüsse von der Insel
Kathleen

Dr. Timo Mappes

Liebe Leser,

ganz allgemein habe ich ja schon versucht ein paar Gedanken zum Thema der Restaurierung einzubringen. Trotzdem vielleicht noch drei Beispiele:

(1) eines der einzigen beiden erhaltenen Präparierstative von Carl Kellner (1826-1855), dem Begründer der heutigen Leica Microsystems. Es befindet sich in dem sehr angesehen Wissenschaftsmuseum in Florenz Istituto e Museo di Storia della Scienza, direkt neben den Uffizien. Leider hat man vor vielen Jahren offenbar in diesem Museum einen Teil des Lupenmikroskops poliert und neu lackiert – die Messingsäule strahlt nun wie neu, der Tubus der Optik hat glücklicherweise noch den originalen, dunklen Lack: http://brunelleschi.imss.fi.it/museum/esim.asp?c=408031



Ein ähnliches Schicksal ereilte übrigens mehrere Mikroskopen in diesem Museum – Instrumente verschiedenster Hersteller haben nun alle den gleichen, tadellosen neuen Lack, dafür aber ihren Charme eingebüßt. Die feinen Unterschiede eben auch im Lack der Instrumente sind jetzt nicht mehr auszumachen.

(2) ein historisch bedeutendes Mikroskop, welches deutlich die Spuren des Gebrauchs zeigt: Das älteste erhaltene Mikroskop des Herstellers Engelbert und Hensoldt in Braunfels, No. 30. Es handelt sich hier um eines der wenigen Belegstücke der wechselhaften Geschichte der Firmen von Carl Kellner (1826-1855) und Moritz Hensoldt (1821-) – die sich in Teilen wie eine Groschenoper lesen: http://www.musoptin.com/engelbert_30.html



(3) das von dem 1863 frisch auf den Lehrstuhl für pathologische Anatomie an der Universität Freiburg berufenen Prof.Dr. Robert Rudolf Maier (1824-1888) erworbene Mikroskope von Fr. Belthle in Wetzlar. Den vielen Gebrauchsspuren kann man entnehmen, wie viele Wissenschafter und Studierende über die Jahrzehnte mit diesem einfachen Instrument arbeiteten; dieser Eindruck würde durch eine neue Lackierung gänzlich verloren gehen: http://www.musoptin.com/belthle_547.html



Daher die dringende Bitte: Keine antiken Mikroskope polieren und neu lackieren! Sie verlieren so den größten Teil ihres historischen, ideellen Wertes!

Beste Grüße
Timo Mappes
Prof. Dr.-Ing. Timo Mappes
Deutsches Optisches Museum
Carl-Zeiss-Platz 12
07743 Jena

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privat:
Museum Optischer Instrumente
www.musoptin.com

Die erste vollillustrierte deutschsprachige Seite zur Geschichte der Mikroskope für die Wissenschaft im 19. & frühen 20. Jahrhundert

liftboy

Hallo Timo,
per Zufall habe ich in Palermo im Botanischen Garten der Universität in einem Ausstellungsgebäude einige wundervolle Nicht! restaurierte alte Mikroskope bewundern dürfen. Sehenswert.
Gruß
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

felix

Lieber Herr Mappes,

ich glaube, hier handelt es sich um ein Mißverständnis.  Die, die hier danach gefragt haben, wie man alte Mikroskope wieder in einen ansprechenden Zustand versetzen kann, haben nicht an seltene Belegexemplare oder an das Handgerät von Haeckel gedacht, sondern an ganz gewöhnliche, einstige Standardware.  Das sind in der Regel Mikroskope aus dem frühen 20. Jahrhundert, die durch schöne Gestaltung und erstaunliches optisches Potential bestechen.  Um Gestalt und Optik wieder zur Geltung zu bringen, muß aber Hand angelegt werden.  Die Idee ist schlicht und einfach, diese Geräte so gut wie möglich in ihren Ursprungszustand zu versetzen.   Nur auf diese Weise erschließt sich der historische Wert dieser Objekte qua technischer Instrumente.  So verfährt man auch zurecht mit vielen anderen technischen "Altertümern", wie Uhren oder Lokomotiven.

Natürlich kann man ein altes Intrument auch anders darstellen wollen und manchmal muß man das:  ZB als persönliches Werkzeug eines berühmten Forschers, als Zeuge historischer Vorgänge oder sonstwie als Unikat.  Dann stehen nicht die technischen Aspekte des Geräts im Vordergrund, sondern andere Eigenschaften, deren Spuren zu bewahren sind.  Dann sind die restauratorischen Ziele andere.

Kurzum, manche (wenige!) alte Mikrosokope fordern viel restauratorische Zurückhaltung; andere (die meisten!) weniger.
Wenn Sie sich an den Spuren des Gebrauchs alter Mikroskope erfreuen, ist das schön und ich persönlich kann es gut nachvollziehen.  Aber ebenso schön und legitim ist es sich am Gebrauch alter Mikroskope zu erfreuen und sie möglichst in dem Zustand zu bedienen, in dem sie sich in ihrer Glanzzeit befunden haben.  Dazu darf man sich dann schon einmal erlauben, ein wenig zu polieren und Lack auszubessern -- in den Grenzen guten Geschmacks.

Nichts für ungut! -- Mit bestem Gruß /AF
"Du" angenehm.

Florian Stellmacher

#11
Lieber Felix, lieber Dr. Mappes,

mit einem historischen Mikroskop erwirbt man nicht nur ein glänzendes Schmuckstück, man bekommt auch ein Arbeitsgerät in die Hände, das vor einem selbst womöglich durch eine Vielzahl von Händen gegangen ist. Es zu benutzen heißt auch, einen Bogen zurück zu schlagen zu denen, die vor Jahrzehnten oder länger damit umgegangen sind.
Mir ist es dabei primär gar nicht mal so wichtig, ob der Vorbesitzer ein berühmter Mann war oder nicht; natürlich hätte auch ich an einem Mikroskop mit illustrer Historie meine Freude. Aber jedes Mikroskop hat seine Geschichte, die sich – jedoch nur selten – in Teilen offenbart.
Z.B. besitze ich ein STIASSNIE (ca. 1910), das aus Privatbesitz stammt und ursprünglich einer promovierten, unverheirateten Französin gehört hat, und das in einer Zeit, als in Deutschland Frauen der Zugang zu den Universitäten meines Wissens nach verwehrt war. Die Frau ist nicht berühmt geworden, trotzdem fühle ich mich ihr durch das Mikroskop verbunden. Ich könnte noch eine ganze Reihe weiterer Beispiele nennen. Dass man die Geschichte sieht, sie greifen kann, ist wunderbar und sicher wertvoller als eine glänzende Messingoberfläche.
Es gibt aber auch Mikroskope, die den Weg zu mir gefunden haben, obwohl sie von gutmeinenden Verkäufern mit viel ,,Brasso" oder ,,Pol blau" auf Hochglanz bearbeitet wurden. Gerade bei Onlineauktionen mit schlechten Bildern in der Anzeige kann dies schon einmal übersehen werden. Ein Beispiel: Ich habe vor Jahren einmal ein WATSON Praxis (datierbar auf 1918) über ebay ersteigert. Das Mikroskop war suboptimal fotografiert worden und ich staunte sehr, dass ich ein vollständig ,,verputztes" Instrument erhielt. Ich ärgerte mich zuerst darüber, entdeckte dann aber beim Herausziehen des Okulars eine Gravur, die darauf hinwies, dass das Mikroskop ursprünglich im ,,Dep. of Patol." eines weltberühmten Londoner Krankenhauses gestanden hatte. Da war dann wieder der Bogen, diesmal zurück zu einem ,,echten" Kollegen von mir. Aber: Der Lack des Mikroskops ist ruiniert, es steht einfach unglücklich zwischen den anderen. Nur in diesem besonderen Fall würde ich restaurieren, d.h. die bereits begangenen Fehler so gut wie möglich rückgängig machen.
In der großartigen Beck'schen Leica-Sammlung im Neuen Rathaus in Wetzlar kann man an verschiedenen Mikroskopen unmittelbar vergleichen, wie ein benutztes Gerät (durchaus mit historisch bedeutsamer Provenienz) im Vergleich zu einem neuwertigen historischen Instrument aussieht. Der Enthusiast möchte sicher beide besitzen!

An Mikroskopen sind jedoch nicht nur Gebrauchsspuren zu erkennen, oftmals gibt es auch Spuren unsachgemäßer Lagerung – günstigsten Falls Schmutz, im schlechtesten Fall Zersetzungen des Metalls. Diese Spuren zu beseitigen, halte ich prinzipiell für legitim, würde aber auch hierbei größte Sorgfalt walten lassen.

Herzliche Grüße,
Florian Stellmacher
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Dr. Timo Mappes

Guten Abend in die Runde,

Danke Dir Wolfgang für den Tipp ad Palermo und DANKE Florian für Dein Statement. Du sprichst mir aus dem Herzen!

(1) Bewahren was bewahrt werden kann – denn nur so behält ein Gerät seinen vollen Charakter. Die Gebrauchsspuren schlagen den historischen Bogen – ganz egal ob zu jener von Dir erwähnten Französin, einem Hausarzt der Jahrhundertwende, einem Hobbymikroskopiker der Zeit oder einem Nobelpreisträger.

(2) Bis zur Verrundung der Kanten des Messings und der Signaturen polierte Opfer von übereifrigen Verkäufern habe ich leider auch schon in Händen gehalten – und zwei stehen sogar bei mir; sie sind nur deshalb nicht online zu sehen, da ich hier auf keinen Fall ein vermeintliches Vorbild geben möchte.
Nur, und wirklich nur dann wenn jemand ein Stück schon derart ruiniert hat, dass all die erhaltenswerten Gebrauchsspuren für die Nachwelt verloren sind kann man darüber nachdenken, das Instrument zu restaurieren – doch das ist alles andere als rasch erledigt, denn es braucht unglaublich viele Versuche, wenn man den originalen Farbton des Lackes im trockenen Zustand treffen möchte, von den Lacknasen an Frästeilen gar nicht erst zu reden.

(3) Mit einem Instrument wie Deinem STIASSNIE zu mikroskopieren macht ungemein Freude. Es begeistert, wenn man die antiken Stücke gebraucht und vor allem ihre optische Leistungsfähigkeit vergleicht (wenn denn falsche Lagerung keinen Pilz hat entstehen lassen oder z.B. die Fluoritlinsen nicht hat trübe werden lassen etc.), und dies am Besten an alten Präparaten, deren Färbetechniken heute nicht mehr üblich, oder deren Objekte schlichtweg nicht mehr verfügbar sind.

(4) Zweifelsohne, am erstrebenswertesten ist es sicher sowohl die perfekt erhaltenen Instrumente, als auch jene mit Spuren eines langen Dienstes für die Mikroskopie zu zeigen. Die ersteren sind leider meistens teurer zu bezahlen als die letzteren - doch beide im Ende ideell von gleicher Bedeutung.
Sehenswert ist neben Wetzlar und dem Deutschen Museum in München auch übrigens auch unbedingt das pathologisch-anatomische Bundesmuseum im Wiener Narrenturm http://www.narrenturm.at – nur muss man sich für einen Besuch dieser Sammlung zuvor anmelden.

Herzliche Grüße
Timo
Prof. Dr.-Ing. Timo Mappes
Deutsches Optisches Museum
Carl-Zeiss-Platz 12
07743 Jena

*************************
privat:
Museum Optischer Instrumente
www.musoptin.com

Die erste vollillustrierte deutschsprachige Seite zur Geschichte der Mikroskope für die Wissenschaft im 19. & frühen 20. Jahrhundert

Florian Stellmacher

Liebe Freunde historischer Mikroskope,

weil es gerade so schön passt, hier noch ein Nachsatz; ich hatte von meinem STIASSNIE erzählt, und kurz darauf tauchte bei ebay genau das gleiche Mikroskop auf – allerdings in klassischer Weise ,,verputzt".
Das Angebot wurde zwischenzeitlich von ebay gesperrt, warum weiß ich nicht (http://cgi.ebay.fr/Microscope-collection-Stiassnie-1900-armee-francaise_W0QQitemZ140344157935QQcmdZViewItemQQptZFR_JG_Collections_Militaria_Accessoires?hash=item20ad29e6ef&_trksid=p3286.c0.m14).
Auch die einzigartigen Präparateklammern wurden durch neue Marke Eigenbau ersetzt, die anschließend mit Schrauben am Tisch befestigt wurden. Das Resultat darf wohl als perfektes Beispiel gelten, wie man es nicht machen sollte.
Zum Vergleich habe ich Fotos meines STIASSNIEs daneben gestellt. Dieses ist im Originalzustand. Die Präsentation ist sicherlich nicht mit Timos perfekten Bildern vergleichbar, aber ich denke, man sieht, worauf es ankommt: Der Gesamteindruck des Mikroskops ist durch den originalen Lack und die Gebrauchsspuren ein gänzlich anderer, das Mikroskop ist ein Stück Geschichte und kein Nippes-Objekt.

Hier das polierte Mikroskop:




Das gleiche Modell mit erhaltenem Lack:




Hier die originalen Präparateklammern mit Federmechanismus:




Zuletzt die einzigartige, verblüffend simple Höhenverstellung des Kondensors:




Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

felix

Der Verdacht, daß wir hier gar nichts Strittiges verhandeln, hat sich nach einem Besuch von Herrn Mappes virtuellem Museum bestätigt.  Wenn ich mir dort zB die Leitz-Seite ansehe, finde ich nur Mikroskope in exakt dem Zustand, den auch ich mir wünschen würde.  (Von den so gelobten Gebrauchsspuren ist an den dort gezeigten Mikroskopen übrigens herzlich wenig zu sehen. )

Ich gehe nach wie vor davon aus, daß hier niemand im Traum daran denkt, mit originaler Lackschicht versehene Tuben blank zu putzen.  Das machen vielleicht Antikscheunenbetreiber, nicht aber die hier versammelten Liebhaber der Mikroskopie. Wenn es dann aber einmal geschehen sein sollte, wie im von Florian gezeigten Fall, dann läßt sich doch noch einiges machen -- zB mit einem Messinglack nach alter Rezeptur.

Mit den Gebrauchsspuren ist das übrigens so eine Sache.  Ich zitiere:
ZitatAuch die einzigartigen Präparateklammern wurden durch neue Marke Eigenbau ersetzt, die anschließend mit Schrauben am Tisch befestigt wurden. Das Resultat darf wohl als perfektes Beispiel gelten, wie man es nicht machen sollte.
Auch solche Reparaturen sind Gebrauchsspuren.  Wenn Sie auf den Gebrauch des Geräts in einem Labor der Zeit verweisen, gehören Sie zur "Aura" wie die Fingerabdrücke -- gleichgültig wie einfältig die Reparatur oder wie schmutzig die Finger waren. (Gedankenexperiment: Angenommen Stiassnie hätte die üblichen, einfallslosen Präparateklammern verbaut und ein cleverer Mensch, der das Mikroskop noch täglich gebraucht hat, wäre auf die Idee gekommen, diese durch "einzigartige" gefederte Klammern "Marke Eigenbau" zu ersetzen.  Helles Entzücken in den Sammleraugen!)

Die Unterscheidung zwischen Schmutz und Patina, zwischen üblem Verschleiß und authentischem Gebrauch, zwischen Verhunzung und Modifikation erfordert in jedem einzelnen Fall Geschmack und Urteilsvermögen und oft ist die Grenze fließend.  Vielleicht können wir uns auf diesen Allgemeinplatz einigen ohne in jedem einzelnen Fall zum selben Ergebnis kommen zu müssen.

"Du" angenehm.