Botanik: Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, September 17, 2017, 10:42:10 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Stechende Hohlzahn ist aus zwei Hohlzahnarten durch Bastardierung entstanden, wobei die Chromosomenzahl verdoppelt wurde. Das konnte von dem schwedischen Botaniker Arne Müntzing (1903 – 1984) experimentell nachgewiesen werden, der durch entsprechende Kreuzungen ,,synthetische" Individuen erhielt.

Beim Stechenden Hohlzahn handelt es sich um einen Therophyten (eine krautige Pflanzenart von kurzer Lebensdauer, die eine ungünstige Jahreszeit (Winter oder Trockenzeit) als Samen im Boden überdauern). Der Begriff wurde 1905 von dem dänischen Botaniker Christen Raunkiær geprägt.

Bild 01 Galeopsis tetrahit


Dieses Foto habe ich mit einem Handy aufgenommen. Der Stechende Hohlzahn wächst am Ufersaum eines kleinen Baches an meinem Wohnort.

Der Gemeine - oder Stechender Hohlzahn gehört zu den Gewächsen, die irgendwo auftauchen, ohne wirklich wahrgenommen zu werden. Nesselartige Blätter erscheinen irgendwann im Frühjahr, zunächst noch klein und unauffällig. Die Pflanze bildet keine Rosette, wächst nach der kurzen Jugendphase gleich in die Höhe. In den Blattachseln erscheinen die in Scheinquirlen angeordneten Blüten, die sich aus den verwachsenen Kelchblättern hervorschieben. Die Kelchblätter sind am Rand mit spitzen Zähnen versehen.

Während der Blüte (Juni – Oktober) sind sie noch weich, aber wenn die Samen reifen werden sie trocken und hart, was sich beim Anfassen unangenehm bemerkbar macht. Die Samen sitzen jeweils zu viert in den offenen Klausen (einsamiges Teilfrüchtchen der Lippenblütler).

Die Tiere bleiben an den Borsten und dem stacheligen Kelch hängen, die elastischen Stängel biegen sich, schnellen dann zurück und schleudern die Früchtchen aus den Kelchen.

Bild 02 Galeopsis tetrahit

Foto: H.-J_Koch

Der Hohlzahn braucht offenen Boden für seine Entwicklung, er ist ein Kulturfolger, der sich den Ackerbau des Menschen zu Nutze gemacht hat.

Systematik:
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Lippenblütler (Lamiaceae)
Unterfamilie: Lamioideae
Gattung: Hohlzahn (Galeopsis)
Art: Gemeiner Hohlzahn
Wissenschaftlicher Name: Galeopsis tetrahit
Volkstümliche Bezeichnung: Dorn-Hohlzahn, Gewöhnlicher Hohlzahn, Stechender Hohlzahn, Stacheliger Hohlzahn oder Hanfnessel
Englischer Name: Common Hempnettel

Bild 03 Illustration, Galeopsis tetrahit

Quelle: Figure from Deutschlands Flora in Abbildungen at http://www.biolib.de
Urheber: Johann Georg Sturm (Painter: Jacob Sturm)
Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Bild 04 Galeopsis tetrahit

Foto: H.-J_Koch

Typisches Merkmal: Der vierkantige, steifhaarige Stängel bildet unterhalb der Blattknoten deutliche Verdickungen.

Der Hohlzahn als Heilpflanze:
Für die Verwendung in der Medizin werden die oberirdischen Pflanzenteile während der Blütenzeit geerntet. Die enthaltenen Wirkstoffe sind Gerbstoffe und Saponine. Diese wirken blutreinigend, blutbildend und außerdem schleimlösend.
Saponine sind oberflächenaktive Substanzen (Tenside), die in wässriger Lösung Schaum bilden; sie dienen der Herabsetzung der Oberflächenspannung.

Spross, Querschnitte 25 Mikrometer

Die Bilder 05 und 06, zeigen ungefärbte Schnitte

Bild 05 Übersicht, Stechender Hohlzahn, Galeopsis tetrahit


Bild 06 Vergrößerung, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert
Arbeitsablauf :
1. Probe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 1 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 4 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % )
10. Einschluss in Euparal.

Ergebnis :
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.

Bild 07 Übersicht, Spross mit vier primären Leitbündeln, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


Familienmerkmal der Lippenblütler ist der vierkantige Stängel. Die Kanten sind versteift. Oft sind die Stängelglieder hohl.
Ungewöhnlich ist das fast völlige Fehlen von Drüsengängen und Ätherischen Ölen, die bei fast allen Lippenblütengewächsen vorkommen.

Bild 08 Übersicht, Negativ-Aufnahme, Lentizelle, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


Bild 09 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


MP = Markparenchym, T = Trachee, PXY = Protoxylem, XY = Xylem, PH = Phloem, CU = Cuticula, EP = Epidermis, KLO = Kollenchym, RP = Rindenparenchym


Das luftfreie Xylem dient der Wasserleitung und den Transport Von Mikro – und Makronährstoffen. Es ist auch recht dickwandig, da der Transport fast ausschließlich durch ,,Sog" in Gang gehalten wird. So können die Pflanzen auch bei sehr angespannten Wasserverhältnissen nicht Kollabieren und der Wasserfaden reißt nicht ab.

Bild 10 Vergrößerung, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


Bild 11 Vergrößerung zentraler Hohlraum, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


Die Bilder 12 bis 15 zeigen angeschnittene und abgebrochene Trichome.

Bild 12 Trichom, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


Bild 13 Trichome, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


Bild 14 Trichome, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


Bild 15 Trichom, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


Als Haare oder Trichome bezeichnet man Anhangsgebilde der Epidermis, die durch Auswachsen einzelner Epidermiszellen entstanden sind, Die Haare sind mit dem unteren Teil, dem Fuß, in der Epidermis verankert. Den über die Epidermis hinausragenden Teil bezeichnet man das Schaft.

Bild 16 Trichom, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit


Bild 17 Trichom, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit 

Spitze eines mehrzelligen Haares.

Dieses Haar erinnert mich an ein Brennhaar mit Köpfchen einer Brennessel (Urtica) es besteht aber kein Zusammenhang dieser beiden Pflanzen.

Bild 18 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Xylem, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Bild 19 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Stechender Hohlzahn Galeopsis tetrahit

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10


Quellen und weiterführende Informationen:

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
,,Was blüht denn da ?", ISBN: 978-3-440-11379-0, Buch – Nr.: 03553-5
Conert, Hans-Joachim ,,Flora in Farben", 1962
Aichele, Dietmar ,,Was blüht denn da ?"
Nultsch, Wilhelm ,,Mikroskopisch – Botanisches Praktikum", ISBN: 3-13-440310-2

Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.
Doch zunächst einmal wünsche ich viel Freude beim Lesen.

Hans-Jürgen

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Schrodt

#1
Guten Tag Hans-Jürgen,

dies ist wieder eine sehr schöne Dokumentation. Vielen Dank für das Zeigen.

Jürgen aus Hemer

hajowemo

Lieber Hans-Jürgen,
es hat mal wieder sehr viel Freude gemacht deine Dokumentation zu lesen.
Herzlichen Dank für diese Arbeit.
Liebe Grüße
Jochen
Vorstellung
Homepage www.mikroskopie-hobby.de
Gerne per "Du"
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Wutsdorff Peter

Grüß` Dich Hans - Jürgen,
auch von mir Glückwünsche zu dieser wieder hervorragenden Dokumentation.
Deine Bilder sind  einfach suuper

Gruß Peter

Detlef Kramer

Lieber Hans-Jürgen,

wunderschön ausgearbeitet. Aber einer muss ja kritteln. Zu Abb. 9: was Du als Kambium bezeichnest ist tatsächlich das Phloem, übrigens, vor allem in dem Ausschnitt gut dargestellt. Das eigentliche Kambium ist, wohl jahreszeitlich bedingt, garnicht erkennbar. Das, was Du als Phloem bezeichnest hast, ist m.M. ein Parenchym.

Trotzdem: tolle Leistung, kannst schon mal nach einem Drucker Ausschau halten.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

wie immer sehr schöne Schnitte und toll fotografiert! Ich habe den Hohlzahn in die Liste Botanik übernommen.

Was Bild 9 angeht hat Delef Recht. Wenn man Bild 10 mit einbezieht, schaut das für mich so aus:
RP = Kol (ein Kollenchym, das man in den Sprossen der Lippenblütlern häufig findet)
Ph = RP (das Rindenparenchym unter dem Kollenchym, siehe Detlefs Kommentar)
K   = Ph (wie von Detlef auch schon angemerkt)
Darunter stimmt es dann wieder. Bild 10 zeigt, dass das Cambium nicht mehr erkennbar ist: der Spross hat das Wachstum eingestellt. Der Stechende oder Gemeine Hohlzahn ist ja einjährig und stirbt nach der Blüte am Ende der Wachstumsphase ab.

Interessant finde ich die Obliterationen des Markparenchyms unterhalb des Kollenchyms an den Ecken des Sprosses (die dunklen Streifen gequetschter Zellen).  Das ist mir bisher nicht aufgefallen und ich kenne es eigentlich nur vom Phloem. Vielleicht hat Dich das in die Irre geführt?

Das Phloem lässt sich eigentlich leicht erkennen: es besteht aus dicht gedrängten, vom Durchmesser her eher kleinen Zellen (den Siebelementen) oder bei den höheren Pflanzen ebenso geformten Siebröhren, zwischen denen aber die noch deutlich kleineren Geleitzellen sitzen. So ist es auch bei Deinem Hohlzahn. Dabei kann die vom Phloem eingenommene Fläche bzw. der Anteil am gesamten Querschnitt erstaunlich gering sein. Zwischen den Zellen des Phloems (auch Phloemparenchyme sind je nach Pflanzenart üblich, genauso wie die "Verlängerungen" der Markstrahlen) gibt es keine Interzellularen.
Siebplatten habe ich in Deinen Bildern leider keine gesehen, diese zu erwischen ist wegen der doch recht großen Länge der Siebröhren ein wenig glückssache, da sie meist annähernd in einer Ebene liegen bzw. nur einen geringen Versatz haben.

Das Rindenparenchym besteht in der Regel aus größeren, eher rundlichen Zellen (die im Längsschnitt auch nicht so lang sind, wie Siebelemente oder Siebröhren) und Interzellularen sind häufig zu finden.

Herzliche Grüße
Jörg
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Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

danke für das Interesse und Euer Feedback.

@ Detlef und Jörg,

herzlichen Dank für die Korrektur zur Bildbeschreibung (Bild 9).
Die Fehler sind jetzt berichtigt.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

super, dass Du das Bild 9 korrigiert hast. Aber leider ist es noch nicht sichbar - zumindest ich sehe noch das alte Bild.
Könnte es sein, dass Du versehendlich noch einmal die alte Version hoch geladen hast?

Herzlich eGrüße
Jörg
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Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

jetzt sollte das neue Bild sichtbar sein.

Gruß

Hans-Jürgen
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Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

ja, jetzt passts! Danke Dir!

Herzliche Grüße
Jörg
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Günter

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für die schöne Vorstellung dieser Pflanze, die ich seit langem aus der Anschauung kenne, aber derzeit nicht wußte wie sie heißt.
So lieferst Du mir den Namen und viele interessante Details.

Herzliche Grüße
Günter

PS: ich für meinen Teil der Leser freue mich immer besonders, wenn Du heimische Arten mikroskopierst und präsentierst.
über mich   
Folge denen, die die Wahrheit suchen.
zweifle an denen, die sie gefunden haben.