Kameramikroskop MeF 2 von Reichert

Begonnen von Holger x, September 30, 2017, 10:54:24 VORMITTAG

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Holger x



Hallo,

in den letzten 3 Jahren habe ich immer mal wieder ein MeF 2 Kameramikroskop von Reichert aus der Zeit der 50-iger bis 70iger Jahre aufgesammelt. Die Teile standen meist 15 bis 25 Jahre irgendwo unbenutzt im Abseits. Kürzlich konnte ich dann eines reinigen und soweit in Ordnung bringen, dass bei klarem Durchblick jetzt wieder alles geschmeidig läuft. Nur mal nebenbei: allein den durch den Zeitfaktor im Harz erstarten Tisch wieder gangbar zu machen, war äußerst nervig. Es schien ein wenig, als wenn die extreme Präzision sich wie eine eitle Madonna mit Bewegungslosigkeit für die Zeit der Vernachlässigung rächt.


Bild 1: MeF 2 auf Grundplatte mit Prismenführung und Zeilampen-Aggregat BINOLUX", mit Nierdervoltleuchte, 30 W und HBO

Das Mef 2 kommt wie aus einem anderen Zeitalter daher, in dem Werte wie Präzision, Qualität und Dauerhaftigkeit ihre fröhlichen Auswüchse feierten. Zum Beispiel wird auf einer massiven Grundplatte aus Metall die ca. 18 Kg schwere Beleuchtungseinrichtung auf Prismenführung, die an eine hochpräzise optische Bank erinnert, je nach den verwendeten Objektiven - vermutlich zum Fokussieren der Beleuchtung - leicht verschoben während eine alternativ eingesetzte Niedervoltleuchte am Seitenarm aus Alu ? mal Daumen nach Auge waagerecht auf den Lichteinlass des Opakilluminator auszurichten ist. Da kommen echte Zweifel an der Sinnhaftigkeit der aufwendigen Konstruktion auf. Die rechtsseitig anzusetzende Phasenkontrasteinrichtung (Benutzung nur über gesondertes Okular) bedarf übrigens einer genauso aufwendigen rechtsseitig anzusetzenden Prismenführung.
Beim dem zuletzt eingetroffenen MeF aus einer britischen Metallschmiede musste ich mich nach dem Auspacken erstmal von all dem Edelschrott abwenden, da mir der typische abgestandene Werkstattgeruch und die aufdringlich schwere Materialität des Metalldinosauriers echt auf den Geist gingen - so faszinierend das andererseits sein kann. Zur Betrachtung der Mikrowelt ist man da mit ausufernder Materieanhäufung (mit Vorschaltgerät knapp 100 Kg) konfrontiert und das ist überhaupt nicht mikro.
Dieses Kameramikroskop mit Balgenauszug wurde offensichtlich sehr spezialisiert auf Materialuntersuchungen insbesondere für die Metallogie konzipiert und scheint aufgrund diese Spezialisierung (+Größe + Gewicht) nicht sonderlich gefragt – ich hab es jedenfalls jeweils mit reichlich Zubehör zu moderaten Preisen erstehen können. Auch scheint es in Deutschland weniger verbreitet als z.B. in Großbritannien.
Ich beschäftige mich mehr aus Neugier denn einer konkreten Anwendungsvorstellung mit dem MeF2. Eigentlich dachte ich das Gerät neben ein paar kleineren (dabei soll es bleiben) Ausflügen in die Metallogie eventuell auch als inverses Mikroskop in der Biologie benutzen zu können. Nachdem ich das Gerät schon mal etwas angetestet habe, tun sich mir da aber Zweifel auf, ob das Mikroskop hierzu sinnvoll einzusetzen ist. Für die Untersuchung meiner Holzproben ist der Opakilluminator, wie bei allen andern Mikroskopen auch, denkbar ungeeignet (Holzanschliffe lassen sich besser diffus oder schräg beleuchtet untersuchen). Für Proben aus dem Tümpel müsste ich mir noch ein paar Schälchen mit unterseitigem Deckglas fertigen. Aufgrund der hohen Lage des Drehtisches (schnelle Kreuzverstellung oder Gleiteinrichtung gibt's leider nicht) erscheint mir die Verwendung als inverses Mikroskop in der Biologie wenig komfortabel. Sonstige Proben kann man zwar auch kopfüber mit dem Deckglas nach unter einhängen, das ist wiederum denkbar unbequem und bei den beschränkten Durchlichtmöglichkeiten gleichfalls wenig sinnvoll – von frischen Einbettungen mal ganz abgesehen.
Daher meine 1. Frage: hat jemand mit dem MeF2 praktische Erfahrungen und kann mal berichten, wie er das Mikroskop einsetzt – Stärken/Schwächen/Nebenfunktionen.

Zu dem was sich angesammelt hat ein paar Bilder:


Bild 2: Drehtisch mit Durchlichtbeleuchtung, unterseitig Opakilluminator


Bild 3: Angesetzte Einrichtung für die Kleinbildfotografie


Bild 4: Remiphot Belichtungsmesser


Abb. 2: Katalogübersicht zu der Funktion des Universal-Opakilluminators


Bild 5: Universal-Opakilluminator mit Epilum-Achromate auf Prismenschieber


Bild 6: Universal-Opakilluminator mit Polarisator (linksseitig)


Bild 7: Universal-Opakilluminator mit Kompensator (rechtsseitig). Über die Skala am Gehäuse wird die Tischhöhe je nach Objektiv zum Fokussieren voreingestellt.


Bild 8: Objektivrevolver für die Durchlichtbetrachtung


Bild 9: Übersichtseinrichtungen für die Lupenfotografie


Bild 10: Links: Universal-Lampengehäuse LUX U" mit Nierdervoltleuchte, 30 W und HBO 200; am Tubus ein Korngrößen- und Gefügemeßokular


Bild 11: Aneinanderreihung von Okularen im Zubehörkasten – wofür braucht man eine derartige Vielfalt?




Was mich noch interessieren könnte

•   Zirkon- oder Natriumdampfbrenner, 100 W mit Seitenarm + Trafo

•   Mikrohärteprüfgerät
•   Phasenkontrasteinrichtung
•   Interferenzkontrasteinrichtung (vermutlich sehr teuer)
•   Tischeinlagescheibe aus Glas



Infomaterial, das ich noch suche

Da ich in den letzten Jahren weniger erfolgreich bei der Beschaffung von Infomaterial zu dem MeF 2 war (eine alte Betriebsanleitung von 1954, zwei Kataloge aus 1954 und 1962) fehlt mir noch etwas der Überblick. Ich suche daher noch etwas Infomaterial wie z.B.:
•   Informationen (Bedienungsanleitung) zu den HBO Beleuchtungen
•   Bedienungsanleitung zu dem Remiphot Belichtungsmesser
•   Bedienungsanleitung zum Mikrohärteprüfgerät
•   Bedienungsanleitung zur Phasenkontrasteinrichtung
•   Weiteres Prospektmaterial zum MeF 2
•   Übersicht zu den Objektiven und Okularen, die Reichert in der Nachkriegszeit gebaut hat.


Und noch eine zwei kurze Fragen
2.   Unter anderem habe ich jeweils ein Paar neuere WK 10 und PK 16 Okulare erhalten. Kann man die beliebig mit den alten Objektiven (Achromaten oder Epilum Achromate) kombinieren oder gibt es da notwendige Zuordnungen?
3.   Hat jemand Erfahrung mit der HBO Beleuchtung? Meine Vermutung ist, dass die außer bei der Fluoreszenzmikroskopie angesichts der Risiken und des Aufwandes nicht sinnvoll einzusetzen ist. Im Zusammenhang mit dem UV-Anteil im Licht ist das eventuell nicht mal für die ausnahmsweise Benutzung der Mattscheibe sinnvoll. Wie seht Ihr das?
Ich belasse es mal bei diesen Fragen und würde mich über Eure kompetenten Hinweise freuen.


ortholux

Hallo Holger,

die Reichert'sche Designsprache begeistert mich immer wieder. Hier folgt die Form noch viel konsequenter der Funktion als sie das bei anderen Herstellern tut. Überall gibt es verchromte kleine Hebelchen, Rädchen, Schieberchen und Knöpfchen, welche sich wohltutend vom von mir sehr geschätzten Runzellack abheben.

Eine Freude!
Wolfgang

Holger x

Hallo Safari,

Die Preise für die MeF's sind wirklich absurd. Danke für den Link. Unter:

http://www.science-info.net/docs/reichert/A4/

gibt es noch ein paar weiter PDF's zu den Mikroskopen von Reichert - leider alles jüngeren Datums.



Hallo Wolfgang,

sehe ich auch so. Manches wird aber auch überraschend filigran, wie die Bedienelemente am Opakilluminator (erinnert mich an ein kleines Uhrwerk) und das steht dann irgendwie im Gegensatz zu der Massivität von Grundplatte und Gehäuse.

Grüße Holger

koestlfr

Moin Holger!

Endlich wieder Reichert ... Gratulation!

Ich habe in meiner Chemiker-Jugend damit metallurgische Proben begutachtet und besitze auch ein Exemplar mit einigem Zubehör ...

Reichert hatte für das Univar eine Schaltung, bei der bei dunklen Lichtsituationen die HBO gezündet wurde und über eine Filterkombination in den Strahlengang eingespiegelt wurde - z.B. bei DIC. Vom MeF kenn ich das allerdings nicht.

Bei denen Bildern vermisse ich den DIC-Aufsatz, hast du den nicht?
Liebe Grüße
Franz

wilfried48

Hallo Holger,

Das ist doch mal wieder was feines für die Rubrik "Mikroskopiker stellen ihr Mikroskop vor !

Feinmechanisch ist das eine echte Augenweide.

Nur den Olympus Kleinbildkameraansatz solltest du gelegentlich durch etwas stilgerechteres ersetzen.

"neidische" Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Holger x

Hallo Franz,

den DIC-Aufsatz habe ich tatsächlich noch nicht. Das ist etwas schade, weil der sicherlich äußerst interessant wäre. Unter ,,Was mich noch interessieren könnte" hatte ich zum Ende meines Beitrages aufgezählt was noch fehlt. Vermutlich werde ich noch mal 3 Jahre warten müssen bis mir der Rest über den Weg gelaufen ist – ist aber kein Problem. Ich kan mich bis dahin eingehender mit dem beschäftigen was da ist. Ein paar offen Wünsch sind immer gut.

Benutz Du Dein MeF 2 noch gelegentlich und wenn ja wie und wofür?


Hallo Wilfried,

mit der Kamera hast Du Recht. Allein der Anschluss über einen im Käfig befindlichen Balgen mit lose hängendem Verschluss ist wenig überzeugend. Aber das ist halt erstmal ein Zwischenstand. Die eine oder andere Restauration ist auch noch nötig (korrodierte Kleinteile) - wenn man genau hinsieht. Aber zwischendurch ist das Mikroskop aufgebaut schon beeindruckend und kann echt Spaß machen wenn alles wieder funktioniert.

Viele Grüße
Holger

ortholux

#6
Zitat von: Holger x in Oktober 01, 2017, 22:45:55 NACHMITTAGS
Allein der Anschluss über einen im Käfig befindlichen Balgen mit lose hängendem Verschluss ist wenig überzeugend.

Bei Leitz gab es etwas ähnliches. Das kommt also in den besten Familien vor. Ok, die Frau von Reichert war, glaub ich, eine geborene Leitz, oder so ähnlich. Somit sind gewisse Ähnlichkeiten kein Zufall.
Dennoch: der lose Zentralverschluss verhindert die Übertragung von Auslöse-Erschütterungen des Verschlusses auf das System. Gar nicht sooooo blöd...

Wolfgang

Detlef Kramer

Lieber Wolfgang
ZitatOk, die Frau von Reichert war, glaub ich, eine geborene Leitz, oder so ähnlich
viel wichtiger, als Reicherts Familiengeschichte ist wohl die Tatsache, dass Reichert einige Jahre bei Leitz gearbeitet hatte, bevor er sich in Wien verselbstständigte. Er wr übrigen zweimal mit je einer Schwester von E. Leitz verheiratet.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

ortholux

Lieber Detlef,

danke für die aufklärende Ergänzung.

Wolfgang

koestlfr

Liebe Kollegen!

Bevor die Spekulationen die Oberhand gewinnen, Bilder der Originalteile ...



oder die neuere graue Version ...



denn ich glaube, die haben mit der Familiengeschichte wenig zu tun!

@Holger!

Nein, ich benütze es nicht mehr, es steht aber auf meinem Schreibtisch als Dekoration ...

PS: wenn Du willst, dann stelle ich auch noch ein Bild vom DIC ein, den muss ich allerdings erst ausgraben.
Liebe Grüße
Franz