„Schiefe Beleuchtung“ und „Blendenspielereien“ bei Diatomeen

Begonnen von Carlos, Oktober 18, 2017, 17:23:32 NACHMITTAGS

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Carlos

Hallo,
Diatomeen, lebend ober fossil, sind faszinierende Objekte für die Mikroskopie. Zum Einen sind (selbst die ,,Großen") mikroskopisch klein, die man ohne optische Hilfsmittel nicht erkennen kann, zum anderen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ,,Kieselsäure-Skelette" haben, die in ihrem Aufbau äußerst filigran sind und unterschiedliche, oft überlagernde, (scheinbar) stark symmetrische Struktur-Muster aufweisen. Um die Feinstruktur von Diatomeen-Skeletten erkennen zu können, arbeitet man in der Licht-Mikroskopie oft an der Grenze des theoretischen Auflösungsvermögens und es bedarf  schon erheblichen, optischen Aufwands und ,,Tricks", dies zu erreichen.
Hier im Forum werden immer wieder faszinierende Bilder von Diatomeen gezeigt, bei denen man nur staunen kann, was ,,lichtmikroskopisch" möglich ist. Oft allerdings mit ,,optischen Komponenten" die meine Möglichkeiten (und ich vermute, die vieler anderer ,,Hobby-Mikroskopiker") deutlich übersteigen. Dennoch kann man auch mit einfachen Komponenten m.E. erstaunliche Ergebnisse erzielen.
Dies trifft insbesondere auf Mikroskopieren mit ,,schiefer Beleuchtung" zu. Bei dieser Art der Beleuchtung des betrachteten Objekts wird, wie üblich, die Leuchtfeldblende zunächst in der Objektebene abgebildet und anschließend dezentriert (an den Rand verschoben). Hierdurch wird in Teilen des ,,Sehfeldes" das Auflösungsvermögen deutlich erhöht (bei gleichzeitig sinkender  Auflösung in anderen Teilen des Sehfeldes). Die Wirkung der ,,schiefen Beleuchtung" ist dabei zum einen von der Richtung der Verschiebung und der Form der Blende abhängig, zum Anderen von der Struktur der betrachteten Objekte.  Dies ist lange bekannt und kann im Prinzip von jedem ,,Hobby-Mikroskopiker" eingesetzt werden, wenn man die Möglichkeit hat, die Leuchtfeldblende zu ,,dezentrieren" und in der Form/Größe zu verändern. 
Als Mikroskop verwende ich ein altes Leitz ,,Ortholux". Hier tritt die Beleuchtung (über eine große, runde, planparallele Glasscheibe) aus dem Stativfuß senkrecht unterhalb des Objekttisches aus. Auf diese Glasplatte kann man sowohl zum ,,Köhlern" als auch zur Einstellung ,,schiefer Beleuchtung" eine einfache, kleine, verstellbare ,,Irisblende" legen. (Derartige Blenden werden für ,,kleines Geld" für ,,Bastler" z.B. im IN angeboten.) Diese Blende wird ,,zugezogen", in der Objektebene mit dem Kondensor durch ,,heben/senken" scharf abgebildet. Zum ,,Köhlern" wird die Blende durch ,,Verschieben" auf der Glasscheibe per Hand zentriert, und, wie üblich, bis zum ,,Ausleuchten des Sehfeldes" ,,aufgezogen". Für ,,schiefe Beleuchtung"  wird die Blende(! Bei voll geöffneter ,,Aperturblende")  in die gewünschte Richtung zum Rand hin verschoben.     
Als Objektive verwende ich hauptsächlich alte Leitz-Achromat-Trocken-Objektive (Endlich-Optik, Tubuslänge 170 mm, Abgleichlänge 37 mm) und alte Leitz-Trocken-Kondensoren (max. A =0,9). Als Kamera verwende ich eine 5 MP Touptek-Okularkamera mit einer Tandem-Optik aus Leitz-10X GF- und 17 mm Plössl-Astro-Okular als Kamera-Objektiv. (Diese Kombination habe ich gewählt, weil ich damit das Zentrum des ,,Sehfeldes" erfasse und so hierfür die vollen 5MP nutze. Am Rande des Sehfeldes liefern Achromate ohnehin nur ,,mäßige" Abbildungsleistung.)
Für ,,schiefe Beleuchtung" verwende ich vor allem die ,,starken" Trocken-Objektive (40-fach, A=0,65 und 63-fach, A=0,85). (Das Verfahren funktioniert natürlich auch mit immergiertem Kondensor und immergiertem Objektiv und damit höherer Apertur.)
Bild1 Blende mit Grünfilter


Bild2 Blende auf Lichtaustritt beim Ortholux


Nachfolgend einige Bilder von Diatomeen, die die Wirkung der ,,schiefen Beleuchtung" m.E. gut belegen. Objekte sind Diatomeen aus dem Lago Maggiore, eingedeckt in ZRA X. Um welche Diatomeen es sich handelt, kann ich nicht sagen.
Alle Bilder mit Grünfilter und SW, Bildgröße 5MP
Die Bildbreite im Original: beim 40-fach Objektiv ist 165 µm, beim 63-fach Objektiv 120 µm. (Gemessen mit einem Objektmikrometer)
Bild3 40-fach, ,,geköhlert"


Bild4 40-fach, ,,schiefe Beleuchtung"


Bild5 63-fach, ,,schiefe Beleuchtung"


Bild6 63-fach, ,,schiefe Beleuchtung" (von links oben)


Bild6 63-fach, ,,schiefe Beleuchtung" (von rechts unten)


Gruß Carlos

Wutsdorff Peter

Grüß´Dich Carlos,
ich habe von einem Kollegen gelernt, die Blende im Kondensor zu dezentrieren.
Was ist nun der Unterschied?
Gruß  Peter

Carlos

Hallo Peter,
Zitatich habe von einem Kollegen gelernt, die Blende im Kondensor zu dezentrieren.
Das ist eine gute Methode, ,,schiefe Beleuchtung" zu erzielen. Dabei wird das ,,Hauptmaximum" der Beleuchtung an den Rand verschoben, ,,Nebenmaxima" wandern in Richtung Zentrum und werden für die Bilderzeugung wirksam.
Dazu benötigt man aber entsprechende Kondensoren, die eine ,,richtungsorientierte Dezentrierung" der Kondensorblende zulassen.  Bei meinen Leitz-Kondensoren (und bei den meisten Mikroskopen) ist das nicht möglich.
Nach meinem Verständnis von ,,schiefer Beleuchtung" kann man auch auf andere Weise die ,,Nebenmaxima" wirksam werden zu lassen. In der von mir beschriebenen Vorgehensweise wird durch Veränderung der Beleuchtungsquelle die ,,Überstrahlung der Nebenmaxima" durch das Hauptmaximum verhindert. Auch so können die ,,Nebenmaxima" werden ,,bildwirksam" werden.
(So jedenfalls verstehe ich das Kapitel ,,Bildentstehung im Mikroskop und Wellenoptik" im Buch:
,,Dieter Gerlach, Das Lichtmikroskop, Georg Thieme Verlag Stuttgart 1976" )
Hier noch ein Bild ohne Irisblende unter dem zentrierten Leitz-Phaco-Kondensor mit dem 63-fach Objektiv und mit der entsprechenden Phacoblende des Kondensors als ,,Schieflicht-Ringbeleuchtung".


Gruß Carlos

Carlos

#3
Hallo zusammen,
Eigentlich hatte ich gehofft, dass die ,,Experten" für Diatomeen mir sagen könnten, um welche Diatomeen es sich bei den Bildern handelt. Vor allem die besonders kleine Diatomee in Bild 1, 2 und 3, deren Feinstruktur für meine  Möglichkeiten an der Grenze  des Auflösungsvermögens für ,,Trocken-Mikroskopie" liegen, würde mich interessieren. Reichen die Details der Bilder für eine Bestimmung nicht aus?
Gruß Carlos         

Päule Heck

Hallo Carlos,
zu der "Kleinen":  Vermutlich Cocconeis placentula
Die "Nadel" mit der Verdickung in der Mitte : Eine Fragilaria (evtl. crotonensis?)
Die lange "Wurst". Diatoma ......

LG
Päule

Carlos

Hallo Päule,
ZitatCocconeis placentula
Danke für die Bestimmung der Diatomeen. Habe mal im IN nach Bildern von  Cocconeis placentula und Beiträgen gesucht. (Wenn man einen Namen hat, ist es natürlich sehr einfach, fündig zu werden.) Dabei habe ich sehr schöne Aufnahmen dieser Diatomee gefunden, die genau das zeigen, was ich am Mik gesehen habe. Bisher habe ich allerdings die Diatomee nur ,,trocken" (nicht immergiert, weder Kondensor noch Objektiv) betrachtet. Jetzt weiß ich, dass es Unterschiede von ,,Oberseite" und ,,Unterseite" gibt und dass das feine Linienmuster aus einzelnen ,,Punktelementen" besteht. Also werde ich versuchen, diese ,,nass" (Kondensor und Objektiv immergiert, mit wirksamer Apertur von ca. 1,25) mit der beschriebenen Methode ,,Schiefe Beleuchtung" auch zu finden. Mal sehen ob`s klappt.
Gruß Carlos 

Carlos

Hallo zusammen,
Hier, wie angekündigt, ,,Cocconeis placentula" jetzt mit ,,immergieten" Kondensor und 100-fach Objektiv unter Anwendung der oben beschriebenen ,,Blendenspielerei".
War nicht ganz einfach, da die Diatomee in dem Streupräparat der chemisch aufbereiteten ,,Planktonprobe" nicht sehr häufig vorkommt. Zudem habe ich im Präparat nach ,,freiliegenden" Exemplaren gesucht, die einmal die ,,Oberseite"  und einmal die ,,Unterseite" zeigen. (Ich bin mir nicht sicher, ob mir das gelungen ist.)
Hier die Bilder, Bildbreite jetzt 70 µm
Bild 1 Oberseite?


Bild 2, Unterseite?

Da ich ja schon mal Kondensor und Objektiv immergiert hatte, einige Bilder auch von anderen Diatomeen des Präparats. Zunächst eine der häufigsten, und zudem sehr kleinen, runden Diatomee des Präparates.
Bild 3

Bild 4

Zum Schluss eine Diatomee, die sich besonders für die ,,Blendenspelereien" lohnt.
Bild 5


Bild 6


(Um welche Diatomeen es sich handelt, weiß ich als Laie natürlich nicht. Kann man die anhand der Aufnahmen bestimmen?)
Die Bilder sind sicher keine ,,Meisterwerke", aber für mich dennoch ein Beweis für die Attraktivität von Diatomeen für Mikroskopiker.
Gruß Carlos

Wutsdorff Peter

Grüß´Dich  Carlos,
am besten gefällt mir Bild No. 5!!
Tolle Aufnahmen
Gruß Peter

Carlos

Hallo Peter,
Zitatam besten gefällt mir Bild No. 5!!
Mir auch! ;)
Gruß Carlos