optisch aktive, zweiachsige Kristalle

Begonnen von Heiko, Dezember 29, 2017, 18:20:27 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Heiko

Wunderbar, lieber Klaus, des Staunens würdig ...

Viele Grüße,
Heiko

Klaus Herrmann

Danke Heiko,

natürlich etwas geschönt durch Kontrastanhebung und leichte Nachschärfung. Ist ein altes Präparat wie von Steeg und Reuter in Kork gefasst aber ohne Firmenschild Nr 135 Bezeichnung: "dick"; die Kristallplatte ist sicher 2 mm dick. Der Staub ist sicher auch alt! Wie die das weiche sehr spröde Material bearbeitet haben ist mir ein Rätsel.




Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Heiko

Ein musealer Schatz, lieber Klaus, Staub gehört dazu wie der Wurm in der Kommode ...

Viele Grüße,
Heiko

Klaus Herrmann

So ein wenig stört mich der Staub schon - noch mehr die ungeschützte Oberfläche der polierten Kristallplatte. Ich frag mich, warum die nicht eingedeckt ist. Die Glimmer- und die Gipspräparate sind es doch auch. Mir ist neulich ein altes Glimmer Präparat runter gefallen. das Präparat hat sich glatt vom  - oh Wunder - unbeschädigten OT abgelöst und hat sich nach langem Suchen auch wieder unbeschädigt gefunden. Ich habs mir vor dem Aufkitten angeschaut und dabei gesehen, dass die Glimmerschicht relativ dünn gegenüber dem Deckglas ist. Ist wieder aufgekittet und sieht neu-alt aus!
Also: darf man oder darf man nicht? Und wenn man darf, warum wurde es selten gemacht? Die Präparate waren ja damals schon teuer, da wäre das bissel Arbeit doch nicht ins Gewicht gefallen.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Heiko

Lieber Klaus,

Olaf hat mir schon etliche schöne Stücke überantwortet – sämtlich die ,,Sparvariante" ;) ohne Eindeckung. Woll'n seh'n, wie er sich herausredet.  ;D
Mir war aufgefallen, dass bei dicken Präparaten das Deckglas die konoskopisch förderliche Annäherung an den Kristall begrenzt.

Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Heiko, lieber Klaus

in diesem Falle ist das Herausreden denkbar einfach: ein Deckglas ist überhaupt nur in drei Fällen wirklich erforderlich:

  • Im orthoskopischen Strahlengang bei stärker vergrößernden Objektiven, weil es da rechnerisch als Bestandteil der abbildenden Optik mit einbezogen ist und ein Fehlen die Bildqualität beeinflusst.
  • Zusammen mit der entsprechenden Immersion bei der Untersuchung von Körnerpräparaten, um Grenzflächeneffekte zu unterdrücken.
  • Zum Schutz sehr empfindlicher oder hygroskopischer Präparate.

Beim Cerussit und den meisten "Dickschliffen" aus der Steeg & Reuterschen Produktion gibt es daher keine Deckgläser. Sie würden, wie Heiko schon treffend bemerkte, die Präparate nur unnötig noch dicker machen und die konoskopische Betrachtung weiter einschränken.

Klaus, keine Angst, den Cerussit kannst Du ganz einfach mit Deinem Wundbenzin und einem weichen Lappen (bzw. Wattestäbchen) reinigen. Er ist zwar weich, aber das hält er schon noch aus  ;D.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Heiko

Liebe Freunde des Weines, seiner Säure sowie deren Salze,

vieles aufhebend, finden sich auch einige Krümel Weinstein eines Weißweins. Mit heißem Wasser ,,reanimiert" kristallisieren aus der Lösung kleine aber feine Kristall-Exemplare. Besonders diese ,,Kopf-Lagen" hatten es mir angetan, sodass mittels schiefer Beleuchtung der Versuch räumlicher Abbildung unternommen wurde:





Zwar reichte die Größe gerade, um ein Achsenbild erhalten zu können – doch Fehlanzeige, bei allen infrage kommenden Exemplaren.

Ein weiterer Versuch mit diesem Weinstein, den ich vor einigen Jahren aus einem Rotwein fischte:





Die blättrigen Aggregate, da wir uns gerade mit Tartraten und deren Achsenbildern herumschlagen, zeigen tatsächlich Muster, allerdings ist der Winkel sehr groß. Mit zunehmender Dicke macht sich das eingelagerte Anthocyan des Rotweins bemerkbar:



Über die Kationen (H, K, Ca, Mg) ist bei diesem Naturprodukt wohl nur schwerlich eine Aussage zu treffen.

Viele Grüße,
Heiko

Heiko

Hallo,
Cerussit für Arme, einem Trümmerfeld entsprungen:



Spätestens jetzt wird offenbar, wie toll das Muster ist, das Klaus weiter oben gezeigt hat.

Gruß, Heiko

Florian D.

Zitat von: olaf.med in Dezember 30, 2017, 10:21:50 VORMITTAG
Lieber Heiko,

Du reibst mit Deinem Finger in einer tiefen mit Salz gefüllten Wunde. Das Thema ist so heikel, dass es in den meisten Kristalloptik-Lehrbüchern einfach unter den Teppich gekehrt wird. Normalerweise sieht man bei den optisch aktiven, zweiachsigen Kristallen ....... nichts davon!

Das liegt daran, dass die Richtung der optischen Achsen in zweiachsigen Kristallen nicht wirklich isotrop sind, sondern aus unendlich vielen einzelnen linear polarisierten Einzelstrahlen bestehen - bitte frage mich nicht nach Details, da braucht man wohl Kenntnisse der theoretische Physik und ich bin nur einfacher kleiner Anwender und vor allem Phänemenologe mit ausreichenden Kenntnissen der Grundrechenarten  ;D.
Herzliche Grüße,

Olaf

Wegen der theoretischen Physik Kenntnisse habe ich die letzten Tage meinen Landau-Lifschitz "Elektrodynamik der Kontinua" Band 8 des Lehrbuchs der Theoretischen Physik von 1982 herausgeholt, um zu sehen, was sich in den hundert Jahren seit Deinen Zitaten so getan hat.
Die Russen haben sich da in den 1960gern ausgiebig damit beschäftigt und so faszinierende Dinge wie negative Refraktion vorhergesagt. Leider wurde diese erst in den 80gern von Pendry an einem Spielzeugmodell aus kleinen Spulen experimentell nachgewiesen und wird jetzt marktschreierisch unter dem Titel "Metamaterialien" angepriesen.

Um es vorweg zu nehmen, - die Zitate die Du gebracht hast beschreiben das Geschehen anscheinend immer noch korrekt.
Andererseits habe ich da zwar viele schöne Formeln aber nichts von einer hochkomplizierten Unendlichkeit linearpolarisierter Einzelstrahlen gefunden. Ganz so kompliziert ist es also auch nicht.

Zusammenfassung:
Die optische Aktivität ist relativ zur linearen Doppelbrechung ein sehr kleiner Effekt, der normalerweise nur dazu führt, dass die beiden Strahlen, die zu einer Richtung des Wellenvektors gehören, nicht mehr exakt linearpolarisiert sind, sondern eine leichte elliptische Polarisation aufweisen.
Die einzige Ausnahme von dieser Regel tritt ein, wenn man die Ausbreitung sehr nahe der optischen Achsen betrachtet, wo die beiden Polarisationen "entarten". Die optische Aktivität führt dann dazu, dass man 2 zirkularpolarisierte Lichtstrahlen beobachtet, für die die Brechungsindices leicht verschieden sind. Dies ist analog zur Situation in einem Polarimeter, wo man dann ja auch eine Drehung der Polarisationsebene beobachtet, wie Ihr sie in so wunderschönen Bildern dargestellt habt.
Im Unterschied zur optischen Aktivität in Flüssigkeiten ist die spezifische Drehung jedoch nicht mehr richtungsunabhängig, sondern anisotrop. D.h. der Drehwinkel kann (je nach Symmetrie des Kristalls) für die beiden optischen Achsen verschieden sein. In dem Artikel den Du zitiert hast, sind ja auch 2 verschiedene Drehungen für die beiden Achsen von Rohrzucker beobachtet worden.

Die Russen haben damals übrigens versucht, in tiefkalten Kristallen nahe an Absorptionslinien ein Regime zu finden, wo die optische Aktivität die Grössenordung der normalen Refraktion erreicht. Leider sind sie in natürlichen Materialien da nicht fündig geworden, siehe "Crystal Optics with Spatial Dispersion, and Excitons
von Vladimir M. Agranovich,V. Ginzburg" wo nicht nur die Theorie, sondern auch die Experimente beschrieben sind.

Viele Grüsse,
Florian


Heiko

Lieber Olaf,

das Kaliumtartrat-Hemihydrat betreffend https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=30440.30 bin ich verspätet und über den Umweg Bernsteinsäure zur ,,gestörten Einsicht" gekommen.
Das erste Isogyrenkreuz einer erstarrten Schmelze möchte man fast noch deuten wollen, die ,,hängenden Flügel" machen aber stutzig. Das zweite Muster spricht Bände (Aufhellungen und Verlaufsabbrüche) und laut GROTH ist nur ein Austritt zu sehen, woran sich die Kristalle, die aus der Lösung erhalten wurden, ausnahmslos halten, drittes Muster:



Viele Grüße,
Heiko