Botanik: Echter Wundklee Anthyllis vulneraria, ein Zauberkraut ? *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Juni 12, 2018, 09:59:52 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Echte Wundklee ist allgemein als Heilpflanze bekannt, die aktuelle Nutzung ist aber eher als unbedeutend zu bezeichnen.
Das Artepipheton vulneraria leitet sich vom lateinischen vulnerarius (= Wund-) ab.
Der Name weist auf die frühere Verwendung bei Wunden hin.

Der Echte Wundklee galt auch als Zauberkraut. In die Wiege gelegt sollte er kleine Kinder vor dem ,,Verschreien" (= Verhexen) beschützen, wovon sich auch der Name Schreiklee ableitet.

Bild 01 Echter Wundklee Anthyllis vulneraria

Diese Pflanze steht bei uns im Garten.
Foto: H.-J_Koch

Man nahm das frische, zerquetschte Kraut oder Teeaufgüsse zu Waschungen bei Hautleiden, offenen Beinen, Frostschäden und Geschwüren und zum Gurgeln bei Entzündung im Mund- und Rachenraum.
Die enthaltenen Gerbstoffe könnten hierfür eine Erklärung geben, die Wirksamkeit ist bisher aber nicht ausreichend belegt.
Die Schulmedizin macht keinen Gebrauch von der Droge.
Die  Wirkstoffe sind insgesamt wenig untersucht.
Anthyllis vulneraria enthält Saponine, Gerbstoffe  (0,6 %)  und Flavonoide,  vermutlich vom Catechin – Typ.
Catechine sind polyphenolische Pflanzenmetaboliten aus der Gruppe der Flavonoide und zählen daher allgemeinhin zu den sekundären Pflanzenstoffen. Besondere Bedeutung haben sie aufgrund eines hohen antioxidativen Potentials.
Der Echte Wundklee ist in fast ganz Europa, Vorderasien und Nord-Afrika verbreitet.

Bild 02 Echter Wundklee Anthyllis vulneraria

Foto: H.-J_Koch

Die mehrjährige, krautige Pflanze ist eine ausdauernde Halbrosettenstaude mit bis zu 30 cm hohem, aufsteigendem Stängel, der mit gefiederten, graugrünen, seidig behaarten Blättern besetzt ist.
Diese Pflanzenart hat ein kurzes, mehr oder weniger ästiges und vielköpfiges Rhizom.

Bild 03 Blütenköpfchen,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria

Urheber: Fornax

Gelbe oder orangefarbene Blüten bilden endständige Blütenköpfchen.
Im Mittelmeergebiet sind die Blüten rot.
Der häufig, an der Basis wollige Kelch schwillt nach der Blüte bauchig an.
Die Grundblätter sind rosettig, häufig einfach oder wenig gefiedert, mit großen Endblatt.
Das Blumenköpfchen ist umgeben von handförmig gelappten Hochblättern.
Der Kelch ist zottig behaart.

Alle zehn Staubblätter sind trotz Nektarbildung zu einer Röhre verwachsen, die somit nur langrüsseligen Insekten wie Hummeln oder Schmetterlingen zugänglich ist.
Die Blüte besitzt einen Pumpmechanismus:
Beim Herunterdrücken des Schiffchens durch den Bestäuber wird durch den Griffelkolben der Pollen entleert. Die Narbe ist erst nach dem Abwetzen der zarten Oberflächenzellen klebrig.

Bild 04 Illustration von Anthyllis vulneraria

Quelle: www.biolib.de
Dieses Bild ist gemeinfrei.

Systematik:

Ordnung: Schmetterlingsblütenartige (Fabales)
Familie: Hülsenfrüchtler (Fabaceae)
Unterfamilie: Schmetterlingsblütler (Faboideae)
Gattung: Wundklee (Anthyllis)
Art: Echter Wundklee
Wissenschaftlicher Name: Anthyllis vulneraria
Volkstümliche Bezeichnung:
Apothekenklee, Bärenklee, Bartklee, Frauenkäpeln, Gelber Klee, Goldknopf, Hasenklee, Kretzenkraut, Russischer Klee, Schafszähn, Sommerklee, Tannenklee, Watteblume, Schreiklee und Wollklee.

Die ca. 3 cm langen Spross – Stücke enthalten viel Luft, sie schwimmen im AFE III Gemisch alle an der Oberfläche.
Damit die Fixierlösung ganz eindringen kann, habe ich eine kleinen Vakuum - Pumpe eingesetzt.

Bild 05  Vakuum – Pumpe


Die Nadel mit einer Zange um 90 Grad biegen.
Der Holzrundstab verhindert, dass sich der Kolben der Spritze wieder zusammenzieht und der Unterdruck erhalten bleibt.

Bild 06 Pflanzen – Proben in AFE III


Die Luft entweicht und die Stücke sinken langsam auf den Boden.

Spross, Querschnitt, 25 µm

Zunächst einmal sechs  Bilder von ungefärbten Schnitten.

Bild 07 Übersicht,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 08 Vergrößerung,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 09 Abschulssgewebe,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 10 Vergrößerung,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 11 Autofluoreszenz,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 12 Autofluoreszenz,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 13 Negativ Aufnahme,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert
Arbeitsablauf :
1. Schnitte liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung  8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 15 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 1 Minute und 30 Sekunden.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis  4 : 1
verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10 Einschluss in Euparal.

Ergebnis :
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.

Fotos: Nikon D5000.

Bild 14 Übersicht, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 15 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


MP =  Markparenchym, H = durchgehender Hohlraum, T = Trachee, XY = Xylem, RP = Rindenparenchym, EP = Epidermis, K = Kambium, PH = Phloem

Bild 16 Vergrößerung, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 17 Trichom,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 18 Vergrößerung,  Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 19 Vergrößerung, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 20 Xylem, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 21 Vergrößerung, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 22 Spaltöffnung, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Der Gasaustausch hat vor allem die Epidermis als Abschlussgewebe als Barriere. Für den Gasaustausch stehen nur die Spaltöffnungen zur Verfügung.
Das Problem dabei ist, dass der Gasaustausch über Diffusion erfolgt. Die diffundierenden Stoffe dabei sind H2O-Dampf, O2 und CO2.
Eine Barriere für Wasser ist dabei auch eine Barriere für CO2. Das heißt die Cuticula als Wasserundurchlässige Schicht verhindert auch den Gasaustausch von CO2, was die Spaltöffnungen notwendig macht.
Bei der CO2 Aufnahme verdunstet auch Wasser, was dazu führt, dass bei dauerhaftem Gasaustausch entweder genug Wasser, aber zu wenig CO2 verfügbar wäre, oder aber genug CO2 zur Verfügung stände, die Pflanze jedoch bei ungünstiger Witterung auszutrocknen drohte.
Dies macht einen regulierbaren Gasaustausch notwendig.

Bild 23 Trichom, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 24 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 25 Trichom, Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Bild 26  Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Echter Wundklee Anthyllis vulneraria


Quellen und weiterführende Informationen:

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
,,Welche Heilpflanze ist das ? ", ISBN: 978-3-440-10798-0
,,Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen", ISBN: 978-3-89996-508-7
,,Heilpflanzen", ISBN: N 3-7043-9998-1
,,Das neue Handbuch der Heilpflanzen", ISBN: 978-3-440-12932-6


Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen. Texte werden anschließend individuell von mir selbst verfasst.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.
Doch zunächst einmal wünsche ich viel Freude beim Lesen.

Hans-Jürgen



Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Wutsdorff Peter

Halo Hans- Jürgen,
das ist wieder einmal SUUUperrr!
Gratulation!!
Ich bewundere immer wieder die interessanten Hintergrundinfos

Gruß   Peter

Hans-Jürgen Koch

Hallo Peter,

Danke für Dein Lob.
Ich beschäftige mich seit 1960 mit der Mikroskopie, in dieser Zeit haben sich viele Bücher bei mir angesammelte. Die älteren Fachbücher sind für mich immer interessanter als die Neuauflagen.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

Wutsdorff Peter

Guten Abend Hans-Jürgen,
aus Deiner  Vorstellung im Forum entnehme ich, daß Du jetzt im zarten Alter von 76 Jahren bist.
Ich bin ein wenig älter(78), und ich teile Deine Meinung, daß ältere Bücher oft besser als die neuen sind.
Ich kann es zwar nur bzgl. der Mathematik und Physik (bin aber nur Inschenör) beurteilen.
Die Autoren, die in den 70-iger Jahren und später Fachbücher geschrieben haben, stellen den Stoff didaktisch auch sehr selten besser dar. Der einzige Vorteil moderner Bücher ist, daß sie mehrfarbig gedruckt sind (Diagramme sind ansprechender zu lesen) und eventl. Fotos ebenfalls farbig erscheinen.
Aber für z.  B. alte Mathe-Bücher aus dem 19. Jhdt. interessiert sich kein Schwein.
Um im  Jargon der  anstehenden  Fußball-WM zu sprechen: ich bin ein Fan von Hans-Jürgen und freue mich immer über die Beiträge von Dir
Es grüßt Dich herzlich
                                                  Peter
                                 

Bob

Hallo Hans-Jürgen,
vielen Dank für diesen ausgesprochen lehrreichen Bericht!
Du stellst mit Deiner umfangreichen Darstellung von der Pflanze über die Arbeitsmethoden bis zum Detail dem Leser die Möglichkeit zur Verfügung, anschaulich dazu zu lernen, und selbst praktisch daran anzuknüpfen. Das war eine Menge Arbeit, aber ich bin mir sicher, dass Du damit viele Leser erreichst und einige zum weiterarbeiten bewegst.  Und dass ist dann schon ein großer Erfolg.

Ich freue mich immer über Deine ausgefeilten Beiträge.

Viele Grüße,

Bob

Hans-Jürgen Koch

Hallo Bob,

danke für Dein Interesse und das nette Feedback.

Es würde mich sehr freuen, wenn wir mehr "Pflanzenschnippler" im Forum hätten.

Die Pflanzenanatomie ist ein sehr interessantes Thema.


Gruß

Hans-Jürgen
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kare

Hallo Hans-Jürgen,

schließe mich hier gerne den Anderen an, lese deine Berichte mit Interesse und sehe natürlich auch die Bilder immer wieder gerne an. Für mich sind solche Beiträge immer wieder ein Ansporn - es gribbelt grade schon wieder in den Fingern. :-)

Viele Grüße,
Karl

Hans-Jürgen Koch

Hallo Karl,

danke für Deine Rückmeldung.
Da fällt mir gerade ein chinesisches Sprichwort ein:

,,Achte auf Deine Gedanken, sie sind der Anfang Deiner Taten".

Die Natur bietet gerade jetzt sehr viel Material für unser schönes Hobby.

Gruß

Hans-Jürgen
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Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

da hast Du wieder einmal eine interessante Pflanze für uns aufbereitet!
Der Wundklee kommt natürlich auch in die Botanik-Liste.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM