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Bewegungsdynamik

Begonnen von Peter Kerwien, Oktober 18, 2009, 18:50:48 NACHMITTAGS

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Peter Kerwien

Hallo Mikrofreunde,
ich habe mal versucht die Bewegungsdynamik der Volvoxkolonien unter dem Stemi im Bild festzuhalten.
Hier das Ergebnis:

Peter Kerwien

gern per "Du"
http://www.zauberhafte-natur.de

JoachimD

Hallo Peter,
das sieht sehr dynamisch aus, kommt gut rüber.
Wie schaffen es die Kugeln aber so gezielt in Rotation zu geratern. Was ist der tiefere Sinn dabei?

Gruß
Joachim

Michael Plewka

hallo in die Runde,
@ Joachim: 
Zitat....gezielt in Rotation zu geratern. Was ist der tiefere Sinn dabei


Ziel? Sinn? Das sind Begriffe, bei denen bei mir als Biologen die Alarmglocken klingeln. Jede Volvox-Zelle hat zwei Geißeln, welche schlagen. Machen das alle Geißeln von allen Zellen gleichzeitig völlig unkoordiniert, so entsteht (rein theoretisch bei einer unendlich großen Anzahl von Zellen) überhapt keine Bewegung, da sich alle Kräfte aufheben. Überwiegt zufällig die Bewegung in eine Richtung, entsteht ein Drehmoment, das zwangsläufig zu einer Rotationsbewegung führt. Etwas anderes als eine Rotation ist bei einer Kugel eben nicht möglich. Es ist ja nicht so, dass  es eine feste Achse gibt, um die Volvox rotiert.
beste Grüße Michael Plewka

JoachimD

Hallo Michael,
die Behauptung, dass die Rotation rein zufällig geschieht, kann ich nicht nachvollziehen. Schließlich sind bei einigen Volvoxarten die Zellen über Plasmabrücken miteinander verbunden, was u.a. dem Informationsaustausch dient und die Koordination des Geißelschlags der Einzelzellen erklären kann.

Gruß
Joachim

Peter Kerwien

Hallo zusammen,
also ein koordinierter Geißelschlag muß doch vorhanden sein, denn Volvox zeigt doch eine deutliche positive Phototaxis.
Peter Kerwien

gern per "Du"
http://www.zauberhafte-natur.de

Michael Plewka

hallo zusammen,


Zitatdie Behauptung, dass die Rotation rein zufällig geschieht...

Das  habe ich nicht behauptet. Meine Aussage ist vielmehr, dass allein die Rotation von Volvox  mit einer zufälligen Bewegung der Geißeln erklärt werden könnte,  es also keiner weiteren Erklärung bedürfte. Einzig um die Rotation geht  es ja auch zunächst in dem Bild. Ich möchte meine Aussage verstanden wissen als einen Gegenpol zu dem Postulat, in der Natur müsse etwas einen ,,Sinn" haben. Ein solcher Denkansatz  ist aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht vertretbar.

Diesem einfachen Erklärungsansatz steht aber sehr wohl die Behauptung gegenüber, nämlich dass die Plasmabrücken ....dem Informationsaustausch dienen .
Gibt es dafür Beweise?
Schaut man sich die Literatur etwas genauer an, so stellt man folgendes fest:

1.Die Cytoplasmabrücken dienen nicht dem Stoffaustausch zwischen somatischen Zellen, sondern  vermutlich dem Stofftransport  zu den Embryonalzellen. Siehe hier:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/bookshelf/br.fcgi?book=eurekah&part=A52939


2. Ein Informationsaustausch über die Cytoplasmabrücken zur Bewegungskoordination findet nicht statt. Das kann man schon allein daraus ableiten, dass, wie Joachim selbst schreibt, lediglich einige  Volvox-Arten diese Plasmabrücken haben, aber dennoch alle eine Phototaxis haben. Siehe hier:
http://www3.interscience.wiley.com/journal/119686417/abstract?CRETRY=1&SRETRY=0


3.Phototaxis.
Das Foto dokumentiert ja, wie schon oben beton, lediglich die Rotation. Diese sollte eben nicht mit der Phototaxis verwechselt werden. Zwar stehen beide Bewegungen miteinder im Zusammenhang, aber die Phototaxis ist  das Ergebnis der Orientierung und Position der Zellen innerhalb der Volvox-Kolonie sowie der Flagellenbewegung. Es ist sich ja zunächst leicht einsehbar, dass bei gerichteter Beleuchtung an einer kugelförmigen Kolonie ein entsprechender LichtGradient entsteht. Zusammen mit der wachstumsbedingten  rotationssymmetrischen Zellanordnung ergibt sich in Analogie zu einer einzelnen, z.B. Chlamydomonas-Zelle (die ja ebenfalls Phototaxis zeigt),  die Rotaton quasi  ,,von selbst", ohne dass eine weitere Koordination der Zellen erfolgen muss.

Link:  http://jcs.biologists.org/cgi/reprint/104/1/105.pdf



4. Synchronisation.
Hierzu möchte ich aus folgender Quelle: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18236120

folgendes zitieren...:
ZitatThe precise nature of the spatial and temporal coordination of these individual motors (gemeint sind die Dyynein-Moleküle in den Cilien) is still not completely understood.

Nach meinem Verständnis handelt es sich bei der Synchronie bzw. Metachronie von Cilien um ein System, das mit dem Schwarmverhalten bei Vögeln oder Fischen vergleichbar ist.
Charakteristisch für dieses Schwarmverhalten  ist in allen Fällen, dass es gerade keine zentrale Steuerung gibt, die ein Ziel definiert.
beste Grüße Michael Plewka


Eckhard

Hallo Michael,

der Link zum "Informationsaustausch über die Cytoplasmabrücken" funktioniert leider nicht.

Botanik Online der Uni Hamburg schreibt:

Alle Zellen reagieren phototaktisch, ihre Bewegungen sind durch den Lichteinfall synchronisiert. Es gibt daher ein bevorzugte Bewegungsrichtung der Kolonie. Zwischen den Zellen findet ein Informationsaustausch statt. Der sichtbare Ausdruck hiervon ist ein symmetrisch gebautes Netzwerk aus Plasmabrücken, durch die die Zellen untereinander in Verbindung stehen.

Botanik Online

Könnte es sich dabei nicht auch um eine Form der Phasensynchronisation handeln? Dann wären die Cytoplasmabrücken zum Informationsaustausch nicht notwendig.

Neugierige Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

JoachimD

Hallo miteinander,
die bisher zitierten Quellen sind meines Erachtens nicht eindeutig, erschwerend kommt hinzu, dass sich die einzelnen Volvoxarten doch ganz wesentlich in der Ausbildung ihrer Plasmabrücken unterscheiden und daher differenziert gesehen werden sollten. Die ganze Diskussion soll aber natürlich nicht die Schönheit der Volvoxkugeln in obiger Fotografie schmälern.

Grüße
Joachim

Jürgen H.

Wieso eigentlich Synchronisation? Nehmen wir an alle Zellen wären einzeln, nicht miteinander verbunden und jede phototaktisch, dann würden alle Richtung Licht schwimmen. Was ändert sich denn, wenn sie nun starr miteinander verbunden sind? Auch dann versucht doch jede Zelle, zum Licht zu gelangen? Ich glaube nicht, dass sich die Geißelbewegungen in ihrer Wirkung völlig aufheben, bloß weil die Zellen aneinander gekoppelt sind.

Mikrogrüße

Jürgen

Michael Plewka

hallo Eckhard,
ich habe den link mit zwei verschiedenen Versionen des Safari-Browsers getestet. Bei mir funktioniert der link.Der Titel des Artikels ist : "Do Protoplasmic Connections Function in the Phototactic Coordination of the Volvox Colony During Light Stimulation?", vielleicht diesen Titel mal googeln...

Das Zitat aus Botanik online ist Sekundär"literatur" (wer ist dafür eigentlich verantwortlich?); ich habe es für sinnvoller gehalten, Original-Literatur zu zitieren. Der Text ist in der Tat sehr ungenau, (welche Bewegungen sind gemeint? wie soll die Synchronisation funktionieren?). Die letzte Aussage (Informationsaustausch) bedeutet erst mal nichts bezüglich der hier in diesem Thread ursprünglich aufgeworfenen Frage bzw. Behauptung nach der "gezielten" Rotation durch Informationsaustausch über die Plasmabrücken. In dem von mir zitierten 1. link wird auf Versuche verwiesen, die diese im 19. Jahrhundert aufgestellte Hypothese  widerlegen. Genau weil eben Arten mit kugelförmigen Kolonien ohne Plasmabrücken ebenfalls eine Phototaxis zeigen, kann es nicht an der Kommunikation über  Plasmabrücken liegen. Genauso gibt es übrigens auch Arten, deren Kolonien eine Rotationsbewegung aufweisen, ohne dass sie eine Phototaxis zeigen (z.B. die häufig anzutreffende Sphaeroeca volvox).

ZitatKönnte es sich dabei nicht auch um eine Form der Phasensynchronisation handeln?

Um weitere Missverständnisse zu vermeiden: was genau ist mit "es" gemeint ?

beste Grüße Michael Plewka


Eckhard

Hallo Michael,

hast Du vielleicht Usernamen und Passwort in einem Seitencookie gespeichert? Da ich dort kein Abo habe funktioniert der Link bei mir nicht.

"Es" ist der anscheinend synchronisierte Geisselschlag. Ich habe Volvox noch nicht beobachten können. Aber bei Gonium pectorale sieht es schon so aus als wäre der Geisselschlag der einzelnen Zellen irgendwie koordiniert.

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
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Jürgen H.

Hallo liebe Volvoxianer,

Leider habe ich Volvox auch noch nie gesehen. Und dennoch will mir rein abstrakt gar nicht einleuchten, warum es da eine Synchronisation geben soll. Alle Geißelbewegungen können doch schlicht einzeln so gesteuert sein, dass nach der augenblicklichen Lage der Kugel jede Einzelzelle sich möglichst optimal auf die Lichtquelle hin bewegt. Demnach sähe der Geißelschlag der Zellen, die am nächsten der Lichtquelle sind, automatisch völlig anders aus, als der Geißelschlag der entfernteren Zellen. Eine Synchronisation, also eine zeitliche Abstimmung des Geißelschlages wäre kaum erforderlich, da jede einzelne Zelle Vortrieb in Richtung  Licht beisteuert. Es dürften dabei auch keine sich aufhebenden Geißelschläge stattfinden, weil jeder Geißelschlag jeder Zelle vor allem Vortrieb erzeugt. Die Koordination hingegen ergibt sich schlicht aus dem gemeinsamen Ziel, der Lichtquelle. Oder verstehe ich da etwas falsch?

Kann man bei Volvox die Geißeln erkennen und blitzen? Dann müsste man doch sehe was Sache ist, nämlich ob die Geißeln wie beim Pantoffeltier in abgestimmter Weise schlagen?

Mikrogrüße

Jürgen

Michael Plewka

liebe Volvox-Fans,
dass die Cilien von Volvox koordiniert schlagen, geht aus den von mir angegebenen Links hervor. Versuche hierzu sind schon vor mehr als 100 Jahren durchgeführt worden. Das IWF hat dazu sogar einen Film im Programm. Eine Vorschau kann hier eingesehen werden:

http://www.cells.de/cellseng/1medienarchiv/Zellfunktionen/Motilitaet/Flagellenbewegung/Einzeller/GA_Volvox/index.jsp

In diesem Film sieht man auch, dass die Cilien metachron schlagen (@Eckhard: Ist es das, was Du mit "Phasensynchronisation" meinst?).

Die zentrale Frage, die sich nun -nicht nur mir als Rädertier-Fan- die ganze Zeit stellt, ist jedoch diejenige: Wie funktioniert diese Koordination, sowohl bei Volvox, als auch bei Ciliaten als auch bei Rädertieren. Hierzu ist mein Kenntnisstand: Man weiß es nicht.

Sicher nachgewiesen ist dagegen eins: nämlich dass es weder die Cytoplasmabrücken bei Volvox, noch bei Ciliaten irgenwelche pellikulären Strukturen sind, die man z.B. von Paramecium aus verschiedenen Büchern (Ich erinnere mich noch an mein erstes Ciliaten-Buch aus der Grünen Kosmos-Reihe, in welchem die "Basalfibrillen" die Annahme nahelegten, die Cilien würden wie durch Hebel bewegt.)kennt, welche diese Koordination bewirken.
Bezüglich der Ciliaten beruht meine Kenntnis auf dem Buch von Hausmann/Hülsmann "Protistology" 2nd ed. von 1996. Auch in diesem Buch wird ebenfalls vermutet, dass die Koordination hydrodynamisch passiert. Insofern geht das Buch konform mit dem Artikel, aus dem das  o.a. Zitat:

ZitatThe precise nature of the spatial and temporal coordination of these individual motors is still not completely understood.
stammt

beste Grüße Michael Plewka