Natriumpyrophosphat und Diatomeen

Begonnen von peter-h, Oktober 26, 2009, 11:50:45 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

peter-h

Liebe Diatomeen-Präparatoren,

nun bin ich nach einiger Pause mal wieder dabei den schwarzen Schlick von Salzwiesen aus Borkum aufzubereiten.

Ein sonniger Oktobertag auf Borkum

Die Zerstörung der organischen Teile ist kein Problem und auch nicht die Frage.

Aber die Trennung der feinsten Ton ( ? ) Teilchen oder anderer Partikel in praktisch gleicher Größe wie die Diatomeen bereitet bei diesen Schlickproben immer noch Kopfzerbrechen.
Nun gibt es die Hinweise, dass mit dem Emulgator oder Anti-Verklumpungs-Mittel Tetranatriumdiphosphat Na4P2O7 eine bessere Trennung, bzw. weniger Anhaftung der "Störpartikel" an Diatomeen erreicht werden kann. Soweit so gut.

Leider finde ich aber keine halbwegs gültige Beschreibung solcher Verfahren.
- Wann und in welcher Konzentration anwenden?
- Bei welchem Aufbereitungsschritt einfügen?
- Erleichtert es die Siebung mit 20µm , 30µm , 50µm Sieben wesentlich?
- Doch nur sedimentieren und Dekantieren?

Viele Fragen, aber sicher sind im Forum auch Kenner dieser Thematik und so hoffe ich über diesen Hilfeschrei einen Tipp zu bekommen.
Da ich das Material nicht in Kg-Mengen habe sind die Versuchsreihen bei mir sehr begrenzt.  :-[

In hoffnungsvoller Erwartung  ;)
P. Höbel

Nachtrag:
das Rohmaterial nach Säurebehandlung, ohne Trennungsversuche sieht so aus:


TPL

Lieber Peter,
ich habe ja eine ganze Reihe von Literatur-Hinweisen, wie man diese lästige Kontamination durch kieselschalige Algen beseitigen kann schon früher geliefert ;). Da Du aber hartnäckig ausgerechnet diese Verunreinigung anreichern möchtest habe ich einmal mit einem Produktnamen recherchiert, der mir dabei einfiel (die Chemiker mögen mir meine Ignoranz verzeihen).
Einige Ergebnisse:
http://data.aad.gov.au/metadata/geoscience/palaeo/Silica_Method.html
http://www.jyi.org/research/re.php?id=144 Einen der Betreuer kenne ich und kann auch nachfragen...
http://dx.doi.org/10.1016/j.dsr.2004.05.012

Viel Erfolg!

peter-h

Lieber Thomas,

ja wir hatten schon früher dieses Thema. Nun aber herzlichen Dank für die Links, welche doch sehr präzise Angaben enthalten. Also werde ich nun weiter arbeiten. Mal sehen was heraus kommt.

Nochmals danke !
Viele Grüße
Peter

felix

Hallo,

ich bin kein Chemiker aber habe schon eine ganze Menge Diatomeenproben gereinigt.  Das Material aus Borkum kenne ich zufällig auch.  Es ist typisch für Proben aus dem Wattenmeer.  Wichtig ist u.a., daß man nicht zuviel Material auf einmal bearbeitet.  Die Probe nimmt bei mir max. 10ml im Becherglas ein.  Der Flüssigkeitsspiegel bei den u.g. Schritten steigt dann auf 20 bis max. 40ml.  Gut ist eine Heizplatte, die man auch mal 2h bei einigermaßen konstanter Temperatur allein lassen kann.

Ich verfahre in folgenden Schritten:

1. Kalk entfernen (mit HCl ca. 15%). Gut auswaschen.
2. Organisches entfernen (mit H2O2 ca 15-20% heiß, etwa 1h)
3. "Entflocken".  Das ist der Schritt, der Dich interessiert.  In das Resultat von (2) (20ml) -- das Peroxid muß noch perlen -- gebe ich "einige" (5-8) Tropfen Soda 10% sowie eine Messerspitze Pyrophosphat.  Umschwenken und weitere 30m  (ggf. bis 1h) auf der Heizplatte lassen.  Das Gemisch muß weiter perlen, ggf. wenig H2O2 nachgeben.
4.  Mit Wasser auffüllen und wenn das Peroxid verbraucht ist durch ein 30um-Sieb geben.  Dabei schon schweren Bodensatz (Sand!) möglichst im Becherglas lassen. Das Sieben mit einer Sprühflasche (warmes Wasser) unterstützen bis Abtropf klar ist.  Beide Fraktionen aufbewahren.
5. Die feine Fraktion läßt sich durch mehrfaches Dekantieren klären: Mit Wasser auffüllen, setzen lassen, abpipettieren.
6. Die gröbere Fraktion sollte jetzt nur aus Diatomeeen bestehen.  Ggf. ein- oder zweimal dekantieren um letzte Sandkörner zu beseitigen.

Mit etwas Glück ist man jetzt fertig.  Meist ist das Glück nicht hold.

7. Falls noch organische Einschlüsse vorhanden sind, verfahre ich, je nach Fall so:
a) Peroxid (15%) 30m heiß; dann einige (wenige!) Kristalle Bichromat.  Auswaschen wenn Reaktion abgeklungen ist.
b) Salpetersäure (25%) 1h heiß.
c) Schwefelsäure (konz.) 20m heiß; dann Salpeter (KaNitrat oder Säure) -- das bekannte Verfahren.
Gut auswaschen.

a und b sind etwa gleich gut, c ist wesentlich  aggressiver und bei Wattmaterial m.E. nicht notwendig.
Achtung:  Bichromat ist giftig; die Säuredämpfe bei b und c sind es auch.  Wer sich der Risiken der Verfahren a, b oder c nicht voll bewußt ist, sollte es an dieser Stelle einfach noch einmal mit heißem Peroxid versuchen und die Finger von den potentiell übleren Substanzen lassen.

Hört sich aufwendig an aber nach vielen Versuchen habe ich feststellen müssen, daß reines Material "billiger" nicht zu haben ist. Ich mache das meist nebenher über 2 Tage.

Zum Schluß:  Warnung vor Kaliumhydroxid!!  Das entflockt zwar wunderbar zerstört aber auch in Sekundenschnelle und daher praktisch unkontrollierbar die Kieselsäureschalen  >:(.

Viel Erfolg!
felix
"Du" angenehm.

peter-h

Hallo Felix,

danke für diese Hinweise und die diversen Punkte. Kalk entfernen, Organisches entfernen, das ist kein Thema, es funktioniert immer gut.
Nur die Entflockung war bei mir immer ein düsteres Kapitel. Versuche mit Calgon gingen manchmal. Mit Pyrophosphat hatte ich noch keine großen Erfolge, aber das lag sicher daran, dass ich nicht wie unter (3.) gearbeitet habe.

Das unter 7.a) erscheint mir auch sehr vielversprechend, bisher ohne Bichromat angewendet, aber mal sehen. Der Umgang mit diesen Chemikalien ist mir vertraut!

Schönen Tag und Grüße
Peter

felix

Hallo Peter,

vielleicht sollte ich noch hinzufügen, daß der eigentliche "Pfiff" beim Entflockungsschritt in der Kombination von Pyrophosphat und Sieben (ggf. auch Dekantieren) liegt.  Ohne Sieben (oder etwas Äquivalentem) bringt Phosphat nichts: Die gelösten Flocken bleiben in der Probe und setzen sich beim Auswaschen des Phosphats wieder an die Schalen.  Gleiches dürfte für Calgon gelten, das möglicherweise genausogut wie Pyrophosphat ist.  (Früher nahmen einige Diatomisten "Seifenflocken".)

@Thomas: Nichts für ungut, aber ich würde nicht allzuviel auf Reinigungsvorschriften aus Universitätslabors geben.  Die meisten machen Streupräparate, die aus Sicht eines Amateurs (= Liebhabers) kaum akzeptabel wären.  Nur Liebhaber können sich halt den Aufwand leisten, der über den engeren botanischen Zweck hinausgeht.

In diesem Sinne weiterhin guten Erfolg!
felix
"Du" angenehm.

TPL

Zitat von: felix in Oktober 26, 2009, 21:51:24 NACHMITTAGS@Thomas: Nichts für ungut, aber ich würde nicht allzuviel auf Reinigungsvorschriften aus Universitätslabors geben.  Die meisten machen Streupräparate, die aus Sicht eines Amateurs (= Liebhabers) kaum akzeptabel wären.  Nur Liebhaber können sich halt den Aufwand leisten, der über den engeren botanischen Zweck hinausgeht.

Hallo felix,
das beginne ich - nach stundenlangem Bestaunen der meisterlichen Diatomeen-Präparate von Herrn Nötzel - langsam erst zu begreifen (ganz im Ernst!).
Andererseits bin ich doch schon auf gutem Wege: vor gut zwei Jahren habe ich mir noch ernsthaft Gedanken darüber gemacht, wie man möglichst effizient diese lästigen Kieselschalen aus den Proben weg löst 8). Diese "kieselige Komponente" mariner Sedimente (sie umfasst auch die lästigen Radiolarien und Silikoflagellaten ;)) stört leider bei der quantitativen Erfassung der übrigen Komponenten (organisch, silikatisch, karbonatisch, phosphatisch), deren räumliche Verteilung und zeitliche Entwicklung Aufschlüsse über die Entwicklung unserer Ozeane geben kann.

Verblüffend finde ich, wie weit die beiden "Welten" der Amateure (wie bei Dir im besten Sinne gemeint) und der universitären, botanischen Bearbeiter der gleichen kleinen Wesen doch auseinander liegen. Ich sage das ohne Wertung...

Klaus Henkel

Zitat von: TPL in Oktober 26, 2009, 22:13:37 NACHMITTAGS
Verblüffend finde ich, wie weit die beiden "Welten" der Amateure ... und der universitären, botanischen Bearbeiter der gleichen kleinen Wesen doch auseinander liegen. Ich sage das ohne Wertung...

Lieber TPL!
Falls Sie Gelegenheit haben, in einem der alten Mikrokosmos-Jahresbände zu schmökern, sagen wir mal, so 1908 bis 1920, könnten Sie vielleicht zu einer anderen Schlußfolgerung kommen. Denn die Fragestellungen, die damals von den biologischen Wissenschaften bearbeitet wurden, sind - mehr oder weniger - genau dieselben, die uns Amateure heute noch immer interessieren. Leider bleiben die Amateure, oftmals wohl mangels Literaturkenntnis, auch heute noch auf dieser Stufe und verharren dort. Lieber scheint einer sein sein Metier zu wechseln, also von den Diatomeen zu den Rädertieren und von dort zur Chemie der Farblösungen, also kreuz und quer und wieder zurück, als sich in sein Metier zu vertiefen und einzuarbeiten. Die Welt ist aber auch zu interessant, um bei einer Sache länger zu bleiben, man möchte gerne alles irgendwann einmal gesehen haben ...

Aber die wissenschaftlichen Fragestellungen sind in den letzten 50 Jahren völlig andere geworden, so daß auch zwischen der Wissenschaft von dunnemals und heute genau so viele Welten liegen wie zwischen dieser und der Amateurwelt. Schade eigentlich.

Schönen Gruß
Ihr KH

peter-h

Hallo Felix und Mitleser,

den ersten schnellen Versuch mit dem Schritt 3. Entflocken habe ich sofort versucht und bin doch sehr erstaunt, dass die Wirkung so gut eintritt. Der Rest von einem 30µm Sieb wurde mit dest.Wasser abgespült und gesichtet. Hier das erste Ergebnis.



Wenn ich nun noch einmal dekantiere oder siebe wird es wohl Material für ein schönes Streupräparat werden. Vermutlich ist die Kombination mit Soda, Pyrophosphat und H2O2 der Knackpunkt. Schade dass diese Vorgehensweise kaum beschrieben wird.

@ Thomas,
die reine Wissenschaft sucht nicht nach "schönen" Streupräparaten, sondern zählt und analysiert, aber Amateure dürfen von der reinen Wissenschaft sicher auch mal einen Seitenweg beschreiten.  ;D

Jedenfalls bringt es mich wieder einen kleinen Schritt weiter. An die Präparationsqualität eines Herrn Nötzel will ich garnicht denken. Da liegen noch Welten dazwischen.

Gute Nacht und Gruß
Peter

reblaus

Lieber Klaus Henkel -
eigentlich kann ich als em. Wissenschaftler Ihre sämtlichen Aussagen unterstreichen, zumal mir alle Amateurfehler (Übersehen von Altliteratur) in meinem Berufsleben mehr als einmal passiert sind.
Trotzdem bin ich begeistert, dass ich nunmehr bei eigenen Untersuchungen und als fleißiger Leser des Forums diese Überlegungen außer Acht lassen kann: Auch ich möchte gerne viel mehr gesehen haben als das, was ich in Studententagen oder später im Beruf zu untersuchen hatte.
Um zu einer wissenschaftlich untermauerten Aussage zu kommen, hat mich z.B. ein Dreckfleck auf Präparat oder Kondensor nie gestört und ist mir auch heute noch wurscht. Trotzdem bewundere ich die phantastischen Bilder in diesem Forum, die von Liebhabern unter aesthetischen Gesichtspunkten mit teils riesigem Aufwand erstellt werden. Oft entdeckt der "Profi" darin ja etwas, was er in der beruflichen Eile bisher übersehen oder überhaupt nicht gekannt hatte - unabhängig davon ob das früher schon längst publiziert wurde.
Das Tolle ist ja, dass die neuartige Diskussionsgemeinschaft in solch einem Forum wissenschaftliche Fortschritte produzieren kann, welche die beklagten Verluste teilweise ausgleichen und teilweise überkompensieren kann.

Viele Mikrogrüße

Rolf Blaich

peter-h

@ Felix , TPL und Mitleser.

Es ist fast wie eine Wunderwaffe, wie sich der Schritt mit Pyrophosphat und 30µm Sieben auf die Reinheit auswirkt. Kein einmaliges Zufallsergebnis, sondern funktioniert auch in einer Wiederholung. Jetzt gibt es nur noch Versuchsreihen mit Sieben von 15µm , 20µm bis 50µm um herauszufinden welche Materialverluste entstehen und wie die Reinheit sich verändert.

Danke für die ausgezeichnete Hilfe !

Viele Grüße
Peter

felix

Hallo Peter,

schön, daß es "wirkt"! 

30um halte ich für eine gute Siebgröße.  Ganz selten greife ich auf ein 15um-Sieb zurück.  (Ein 20er besitze ich nicht.) Da geht aber normales Wasser schon nicht mehr so ohne weiteres durch.  Abhilfe: Warmes Wasser mit Netzmittel (Spüli bis Ochsengalle, alles möglich) versetzen und mit feinem Strahl aufsprühen.  Gleichzeitig mit einem Pinsel (feine kurze Borsten sind gut) von unten über das Netz streichen.  Das befreit die Maschen und zieht das Wasser hindurch.

Weiterhin viel Erfolg!
felix
"Du" angenehm.

peter-h

Schmutz wo bist du geblieben ?  ;D

In welchem Ausmaß die Reinigung funktioniert möchte ich mit diesem Bild noch kurz demonstrieren.



Einzelbild ohne jede Bearbeitung , keine Software-Schmutzentfernung nur für das Forum auf 800 Pixel reduziert. PlanApo 25/0,65 , Mipro63 + Winkeladapter mit Objektiv (Faktor 1,7x ), Canon 450D , LiveView 1/25s , weisse LED.

Jetzt macht tümpeln wieder Spaß und ich denke nicht mit Grauen an die Aufbereitung !

Viele Grüße
P. Höbel

felix

Genau, so muß es aussehen.  Meinen Glückwunsch! -- felix
"Du" angenehm.

ludo

Liebe Diatomeenfreunde

als interessierter Mitleser habe ich Eure Beiträge mit größtem Gewinn gelesen. Wie Peter Höbel bin ich bisher auch nicht über Schritt 2 hinausgekommen allerdings bei fossilen Kieselalgen im Mergel. Jetzt würde ich gerne wissen ob die Verfahrenstechnik von Felix auch hier greift und um dies eventuell auszuprobieren frage ich an, wo so ein 30µm Sieb und dieses Pyrophosphat bezogen werden kann.

Ich finde die Anleitung von Felix so wertvoll, dass ich sie gerne bei den Mikrorezepten hätte.

viele Grüße

ludwig