Botanik: Wiesenkerbel Spross *

Begonnen von Klaus Herrmann, November 23, 2009, 20:59:37 NACHMITTAGS

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Klaus Herrmann

Hallo,

ich habe ja eine Kollektion Schnitte von Heinz Streble bekommen, daraus heute der Wiesenkerbel in Etzold grün und blau.

Innen im "Mark" fand ich so kleine Inseln die nicht lignifiziert sind. Hat da jemand eine Interpretation?








Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Fahrenheit

Lieber Klaus,

wie immer sehr schöne Bilder! Besonders das erste mit der deutlichen blau-grün Differenzierung finde ich interessant. Kannst Du sagen, wie da genau gefärbt wurde?

Zu Deinen Inseln: ich würde vermuten, es handelt sich um Protoxylem, also um Leitbündel, die sich da im Markparenchym tummeln.

Herzliche Grüße
Jörg
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Klaus Herrmann

Danke lieber Jörg,

die bonner Gruppe ist so gut und aktiv, dass ich als Aussenseiter ja auch mal was tun muss - nicht nur Farbstoffe liefern! ;)

Der erste Schnitt wurde mit meinen Etzold grün gefärbt, aus dem selben Topf wie auch die Karde, die ich zuvor gezeigt habe.

Unterschiedliches Gewebe verhält sich offensichtlich auch anders. Aber die klassische Blauvariante hat auch was.

Doch es stimmt die farbliche Differenzierung ist beim Grün oft feiner. Eigentlich nur dadurch zu erklären, dass man bei der klassisch blauen Variante nur Astrablau hat und das Pendant bei der grün-Variante besteht eben aus Alciangelb und Alcianblau---> grün.

Die rot-gelb-Komponenten Fuchsin und Chrysoidin sind ja in beiden Fällen gleichermaßen enthalten.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Michael W.

Lieber Klaus,

wie immer super Bilder von Dir! Die Schnitte sind natürlich auch toll. Da könnte man glatt neidisch werden ::) 
Ich bin immer noch am Basteln. Sowohl in fotografischer, als auch in mikrotechnischer Hinsicht.

Etzold "grün" macht sich aber bei diesem Präparat meiner Meinung nach eindeutig besser.

Viele Grüße
Michael
Am liebsten per "Du"

Klaus Herrmann

ZitatEtzold "grün" macht sich aber bei diesem Präparat meiner Meinung nach eindeutig besser.

Vielen Dank lieber Michael,

ich weiß ja inzwischen wie kritisch Du bist, oder besser gesagt: "anspruchsvoll" Aber mann muss dann auch mal "springen", sonst weiß man nie was schwimmen bedeutet!

Bei dem grünen habe ich vergessen leicht polarisiertes Licht zu verwenden, dann käme das Rot auch so intensiv, wie beim E-blau Schnitt.

Wenn man bei den kleinen Vergrößerungen (hier PlanNeo 2,5) nicht den Stitchaufwand berteiben will, den Rolf-Dierter uns gezeigt hat, dann wird man immer mit stumpfen Farben leben müssen. Die Beleuchtungsapertur ist eben deutlich geringer und dann verblassen die Farben (Nachts sind die Katzen grau!)

Im Mikroskop siehts dagegen traumhaft aus!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Druse

Zitat von: Fahrenheit in November 23, 2009, 21:10:56 NACHMITTAGS
Zu Deinen Inseln: ich würde vermuten, es handelt sich um Protoxylem, also um Leitbündel, die sich da im Markparenchym tummeln.

ja, das denke ich auch,

viele Grüße
Mila

Klaus Herrmann

Liebe Mila,

danke nun kann ich - fast - besser schlafen ;)

aber das Rätsel des Namens Proto- Xylem hindert mich noch daran. Denn das ist doch eindeutig nix holziges?

Oder weiß der Altgrieche, dass Proto wie beim Proto-Typ noch nicht richtiges Holz ist?

Müssen Pharmazeuten nicht Altgriechisch und Hebräisch können, damit sie Ihre Salben nach Rezept herstellen können? ::)
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Druse

#7
Zitat von: Klaus Herrmann in November 23, 2009, 23:13:26 NACHMITTAGS
Müssen Pharmazeuten nicht Altgriechisch und Hebräisch können, damit sie Ihre Salben nach Rezept herstellen können? ::)

Selbstverständlich, neben dem Pillepalle-Latinum und dem Arabicum ;) Al-kohol z.B....

Multitaskische Grüße
Mila

Detlef Kramer

Hallo,

bitte um Verzeihung, wenn ich ausnahmsweise nicht blödele. Diese Inseln sind schizogene Sekretgänge, die typisch sind für die gesamte Familie der Apiaceae und in denen das erzeugt und transportiert wird, was diese Pflanzen (Fenchel, Kümmel, Liebstöckel, Petersilie usw.) so aromatisch macht. Sie sind vergleichbar mit den Harzkanälen der Gymnospermen.

Und noch eins: Protoxylem ist selten verholzt (lignifiziert).
Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Druse

Hallo Detlef,

Danke für die Aufklärung. Ich hatte die schizogenen Sekretgänge bisher nur in den Apiaceen-Doppel-Achänen (Früchten) mikroskopiert, da diese als Drogen verwendet werden. Aber klar, irgendwie muss das ätherische Öl durch den Spross in die Früchte ;)

Viele Grüße,
Mila

Fahrenheit

Lieber Detlef,

vielen Dank für Deine Korrektur!
Aber selbst wenn ich bei Kerbel an ätherische Öle gedacht hätte - was ich nicht habe, wäre ich nicht auf Sekretgänge gekommen - wieder was gelernt.

Da Du nochmal darauf hinweist, dass das Protoxylem in aller Regel nicht verholzt ist: die von Klaus angesprochenen Inseln sind ja blau bzw. grün, also nicht lignifizeirt. Daher kam meine Vermutung.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Du die Entstehung dieser Sekretgänge etwas näher beleuchten könntest. Es handelt sich ja um vielzellige Strukturen, die einen röhrenförmigen (die Bezeichnung Sekretgang legt das zumindest nahe) Hohlraum mit mindestens zwei Zelllagen umschließen.
In Analogie zu den Harzkanälen bei den Nadelhölzern würde ich jetzt erwarten, dass die innere Zellage das Sekret produziert und die Äußere den Sekretgang gegenüber dem umgebenden Parenchym abschließt.

Für mich steht das ein bisschen im Widerspruch zur schizogenen Entstehungsweise. Die würde ich eher auf die vieleckigen Zellzwischenräume an den Zellecken der prallen Parenchymzellen beziehen, die ja auch sehr schön in Klaus' Bilder zu sehen sind.

Herzliche Grüße
Jörg
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Klaus Herrmann

Lieber Detlef,

vielen Dank für Deine (Auf-) Klärung der erst mal falsch bezeichneten Strukturen. Das klingt auch sehr logisch.

Werden eigentlich die ätherischen Öle in dem ganzen Sekretgang von den inneren Wänden gebildet, oder gibt es weiter unten eine "Küche" in der sie gebildet werden und das sind nur die Leitungen, wie das auch für die Leitbündel zutrifft?

Sind sie in ihrer Funktion mit den Harzkanälen der Koniferen vergleichbar?

Und dazu noch:
Zitatbitte um Verzeihung, wenn ich ausnahmsweise nicht blödele

Ich finde, dass die Blödelquote in diesem Thread angenehm gering ist - was nicht in allen meinen Beiträgen der Fall ist, wie man in meinem erfolgreichen Verkaufsversuch Wärmeschrank unschwer erkennen kann. Siehe dort meine Anmerkungen dazu! Wurde von mir umbenannt in
ZitatSchwätzkischtle
. Bitte vielleicht nicht gleich löschen, sondern mal als Naturreservat beobachten! ;)
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Detlef Kramer

Hallo Anatomen,

ich habe absolut nichts gegen das Blödeln, ich war heute morgen nur noch zu müde. Und es muss sich niemand rechtfertigen, dass er die Sekretgänge nicht erkannt hat - bei mir hat es schließlich auch ein paar Tage gedauert, bis der Groschen heute morgen fiel.

Jörg, zu Deiner Frage: es ist alles gut im Esau beschrieben. Der eigentliche Gang ist das zentrale "Loch", das einen Interzellularraum darstellt, der dadurch entsteht, dass bei den Zellteilungen, die zu dieser Formation führen, die Zellwände auseinander rücken. Im Gegensatz zur lysigenen Entstehung, bei der sich Zellen auflösen und so die Interzellularräume erzeugen.

Die Sekrete werden, wie bei den Harzgängen der Coniferen, in den drüsenartigen Zellen um den Gang gebildet und in diesen sezerniert. Der äußere Ring kann der Festigung dienen, was bei den Coniferen deutlicher erkennbar ist.

Die Interzellularräume des Parenchyms entstehen ebenfalls schizogen, jedenfalls die von Dir angesprochenen. Anders verhält es sich bei den großen Interzellularräumen in z.B. der Vaniile- oder der Maiswurzel. Diese entstehen lysigen. Ich habe die Vanille angesprochen, weil, wie ich meine, im Forum schon ein Foto davon existiert (hab's sogar gefunden: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2351.0).

Zu deiner Frage Klaus: die Ähnlichkeit zu den Harz-, laut Esau besser Balsamgängen der Coniferen ist ganz offensichtlich. Ich habe aber keinen Hinweis gefunden, ob dies eine Homologie oder eine Analogie (Parallelentwicklung) ist, eine Frage die man wahrscheinlich gar nicht klären kann.
Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Druse

Hallo Detlef,

Danke für die super Erklärung!

Griechisch: "schizein" bedeutet "spalten", "lysis" bedeutet "Auflösen" (Analyse z.B.);

Schizogene Ölbehälter sieht man sehr schön beim echten Johanniskraut (Hypericum perforatum), in den hellen Ölbehältern befindet sich u.a. Hyperorin (antidepressive Wirkung), in den dunklen Ölbehältern Hypericin (=> Herstellung von Rotöl zur Wundheilung). Die "Perforation" hat übrigens der Teufel verursacht: mit glühenden Nadeln stach er auf das Johanniskraut ein, da es eben antidepressiv wirkt und die Menschen dem Teufel besser widerstehen können ;)

Lysigene Ölbehälter findet man z.B. bei den Citrusfrüchten/-gewächsen, wenn das ätherische Öl beim Schälen herausspritzt, hat man Ölbehälter ausgequetscht.

Viele Grüße
Mila

Ich hoffe, ich bin nicht zu botanisch unterwegs :-[


Fahrenheit

Hallo liebe Anatomen  ;D,

vielen Dank für die ausführlichen Erklärungen! Ich habe schitzogen zu eng gefasst und nur auf die Interzelluraren um die 'prallen' Parenchymzellen bezogen. Manchmal leitet einen die Wikipedia doch in die Irre!
So macht das Forum Spaß - noch mehr gelernt!

Liebe Mila, nein, das ist nicht zu botanisch! Zumindest mir nicht, der ich ja auch den armen Detlef immer wieder mit Detailfragen bombadiere.  ;D

Lieber Detlef, für Deine nimmermüden Erläuterungen meinen speziellen Dank!

Herzliche Grüße
Jörg
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