Heterophrys frisst Acanthocystis?

Begonnen von Martin Kreutz, April 11, 2010, 21:16:58 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

dieses Frühjahr gab es in meinem bevorzugten Fundgebiet Simmelried eine Massenentwicklung von verschiedenen Heliozoen. In einer Kahmhaut fand ich hunderte Acanthocystis erinaceus und Heterophys fockei (ich hoffe, die Zuordnung ist richtig). Ich habe einige Fotos gemacht, jedoch erst auf einem der Bilder gesehen, dass es eine seltsame Ansammlung von Schuppen (Sc) in der Umgebung von Heterophrys gab. Ich kann diesen Fund nicht richtig interpretieren, weiß jedoch, dass viel Heliozoen andere Gattungen einverleiben und sogar deren Schuppen und nadeln in ihr eigenes "Abwehrschild" integrieren. Ob ein solcher Vorgang hier festgehalten ist, lässt sich durch diesen Schnappschuss natürlich nicht belegen. Ein Indiz, dass hier Heterophys wirklich Acanthocystis phagocytiert und die Schuppen wieder ausgeschieden hat, mag sein, dass die orange-braunen Nahrungspartikel in allen abgebildeten Exemplaren gleich aussehen. Aber vielleicht hat jemand schon einmal ähnliches beobachtet und kann eine alternative Interpretation liefern. Unten noch ein Foto eines voll "ausgebreiteten" Exemplars von Heterophys fockei. Viel Spass beim anschauen.

Martin Kreutz





Ferry

Hallo Martin,

Mmm... Du hast eine sehr schöne DIC, sieht viel besser aus wie meine DIC. Viel kontrastreicher.  :-\

Ich denke nicht dass es sich um Heterophrys fockei handelt. Dieses Heliozoon hat sehr feine und lange Nadel in die Schleimhülle. Deine haben bacterien in die Schleimhülle. Die sehr scharfe Bilder zeigen die L-förmige Spicula sehr deutlich. Recht sicher kann man nur sein mit eine Elektronenmikroskopische Aufnahme, leider! Ich denk dass es Pterocystis (Acanthocystis) erinaceoides ist.
Weil die abgebildeten Heliozoen einander sehr ähnlich sind, könnte es vielleicht um dieselbe Art handeln. Leider ist so wenig bekannt von ihre Lebensweise. Dieses Wochenende habe ich sehr viel gleichartige Heliozoen gesehen mit eine dicke Schleimhülle. Es würde interessant sein zu beobachten wie sie sich entwickeln. Ich habe oft beobachtet dass Heliozoa Spicula von andere Arten raubten.

Viele Grüße,

Ferry
www.arcella.nl
www.natuurfotografie.info

Monsti

Hallo Martin,

so herrliche Bilder werde ich mit meiner bescheidenen Ausrüstung sicherlich nie schaffen, deshalb freue ich mich um so mehr, sie hier bewundern zu können. Zudem finde ich solche Bilder für Vergleichszwecke genial.

Dankeschön und liebe Grüße

Angie

Martin Kreutz

#3
Hi Ferry,

das es sich hier nur um eine Art handeln könnte, ist eine interessante Variante, die ich bisher noch nicht in Erwägung gezogen habe. Ich weiß, dass viele Heliozoen die Spicula von anderen Heliozoen "stehlen" und einlagern. Aber das dies zu so unterschiedlichen Erscheinungsformen führt, war mir nicht bekannt. Ich habe bisher alles für Acanthocystis gehalten, welches einen eng anliegenden "Schuppenpanzer" besitzt, der nicht die Axopodien hinaufreicht (das wäre dann Raphidiophrys). Ich glaube diese Anordnung in den zwei linken Exemplaren in der ersten Aufnahme zu erkennen. Das es sich bei den beiden rechten Exemplaren nicht um Heterophrys fockei handelt, fällt mir schwer zu glauben, da ich keine Alternative kenne. Ich habe im folgenden nochmal meine Argumente zusammengestellt und vergleiche die Art H. fockei mit der im Simmelried sehr häufigen Art Heterophrys myriopoda, welche bestimmte Gattungsmerkmale aufweisen.

Hier nochmal ein Foto von 2 Exemplaren Heterophrys fockei, welche aus der gleichen Probe stammen, wie die gezeigten Exemplare oben im thread. Ich meine, hier einige typische Merkmale erkennen zu können:

- der Zellkern (ZK) liegt asymmetrisch
- mehrere kontraktile Vakuolen (KV)
- unregelmäßiger Umriss, die KV's bilden "Beulen"
- Durchmesser 20 µm (mittel für H. fockei 15-22 µm)
- keine Zoochlorellen
- grünliche Nahrungseinschlüsse
- Eine kleine Lücke zwischen Plasma und Schleimschicht



Ich muss jedoch zugeben, dass die gezeigten Exemplare keine radiär angeordneten Nadeln in der Schleimschicht aufweisen. Diese sind eher "gestreut" angeordnet. Ich glaube jedoch nicht, dass es sich um Bakterien handelt (zu dünn).

Die gezeigte Art, welche ich für Heterophrys fockei halte, hat einige Merkmale, die auch der "große Bruder" Heterophrys myriopoda aufweist, den ich hier noch zusätzlich zeigen möchte.

Hier eine Übersichtsaufnahme von H. myriopoda, die meist mit vielen hundert Zoochlorellen gefüllt sind (ich habe noch nie ein Exemplar ohne Zoochlorellen gefunden). Die Pfeile weisen auf die Axopodien:



Bei Ölimmersion ergibt sich bei einem leicht gequetschten Exemplar folgendes Bild:



Betrachten wir folgenden Auschnitt (gelber Kasten) genauer:



Man erkennt deutlich die typische Lücke zwischen Plasma und Schleimhülle. Die Schleimhülle ist angefüllt mit verstreut liegenden Nadeln (filzartig), evtl. erbeutet von anderen Heliozoen. Man erkennt wie die Axopodien (AX) die Lücke und die Schleimschicht durchstoßen. In der Schleimschicht erkennt man auch zahlreiche Bakterien (Bak), welche jedoch viel größer sind als die verstreuten Spicula:  



Schauen wir uns einen weiteren Ausschnitt an:



Hier erkennt man die radiär ausstrahlenden Nadeln, wie sie auch in der Literatur beschrieben und gezeichnet sind:



Die filzartig angeordneten Nadeln (Spicula), welche in H. myriopoda zu sehen sind, glaube ich auch in der oben abgebildeten Heterophrys fockei zu erkennen. Diese "gestreuten" Nadeln werden in der Literatur jedoch nicht gezeichnet oder beschrieben, weshalb die Zuordnung schwierig ist. Aber wie gesagt, mir fällt keine Alternative ein.

Heliozoen sind eben ein steiniges Pflaster!

Schönen Abend!

Martin