Stereo-Mikroskop BonnTec Zoom Advanced

Begonnen von Detlef Kramer, Mai 04, 2010, 19:14:22 NACHMITTAGS

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Detlef Kramer

Hallo,

hier ein, durchaus subjektiver Bericht über das Stereo-Mikroskop "BonnTec Zoom Advanced":

Vor einigen Wochen erhielt ich von der Firma Jülich in Bonn (Optische und Elektronische Geräte) ein Stereo-Mikroskop der neuen Serie ,,Zoom Advanced 2" zu Testzwecken.

Die Firma von Werner Jülich gilt als renommierter Fachhändler für Mikroskope der bekannten Markenhersteller Zeiss, Leica und Hund mit eigener, zertifizierter Fachwerkstatt. Daneben vertreibt die Firma auch Geräte von OEM-Herstellern unter dem eigenen Label ,,BonnTec". Mit den neuesten Geräten, besagtem Stereo-Mikroskop und einem Durchlicht-Mikroskop ,,Praxis" wurde eine neue Geräteklasse eingeführt, die auf universitären Unterricht und Labor-Routine abzielt. Preislich liegen diese Geräte in etwa zwischen den einfachen Unterrichtsgeräten und den, von der angestrebten Leistung her vergleichbaren Geräten der Markenhersteller (in diesem Fall ca. 1300 € inkl. MwSt.).

Das Mikroskop besteht aus einem beeindruckend großen, massiven Metallstativ mit sehr großem Fuß ( 24 x 29 cm), der die Beleuchtungselektronik enthält und in dem eine runde Glasscheibe mit 125 mm Durchmesser als Objekttisch eingelassen ist, und einer senkrechten Säule mit integriertem Schlitten, der über einen koaxialen Grob- und Feintrieb (mit Friktionskontrolle) in der Höhe verschiebbar ist und an dem der Tubusträger befestigt wird. Der Tubus-Kopf wird in den Träger mit einer Rändelschraube geklemmt. Zur Beleuchtung dient einmal eine LED-Matrix unter dem Tisch unter einer Streuscheibe für Durchlicht, zum andern eine Ringleuchte aus weißen LEDs, die von unten an den Tubus angeklemmt wird für Auflicht-Anwendungen. Beide Beleuchtungen sind getrennt und stufenlos regelbar. Der Tubus enthält auch einen Foto-Aufsatz mit einem c-mount-Adapter mit Optik für 0,5"- Chips, der aus einem der beiden Lichtwege zwangsweise ausgespiegelt wird; der Helligkeitsverlust ist auf Anhieb nicht sichtbar.

Bei der Optik handelt es sich um ein apochromatisch korrigiertes Teleskop mit Zoom-Objektiv 0,8 – 5 x und Weitfeld-Okularen 10 x mit Sehfeld 22 (!). Beide Okulare verfügen über eine Dioptrienkontrolle. Eine Besonderheit: die Strahlumlenkung erfolgt über Spiegel, die in einem sehr stabilen Chassis befestigt sind.

Ich erhielt das Gerät, offensichtlich neu und original verpackt, ohne Beschreibung, in die oben beschriebenen Teile zerlegt. Der Aufbau erfolgte in wenigen Minuten; zur Befestigung des Tubusträgers wird ein Innensechskantschlüssel benötigt, der oben in der Säule steckt. Der Tubus-Träger kann in zwei Positionen an dem Schlitten befestigt werden. Die obere ist sinnvoll für den normalen Vergrößerungsbereich von 8 – 50, denn damit können Objekte von 0 – 100 mm Dicke untersucht werden. Für die genaue Positionierung sorgen zwei Zapfen in korrespondierenden Ausfräsungen am Schlitten.

In dieser Konfiguration beträgt der Arbeitsabstand von Objektiv zu Objekt über den gesamten Vergrößerungsbereich ca. 115 mm; geringes Nachfokussieren ist allerdings bei Vergrößerungswechsel notwendig, was aber in dieser Geräteklasse üblich ist und was mit der Feineinstellung schnell und leicht zu bewerkstelligen ist. Der Verfahrweg des Fokussier-Schlittens ist sehr groß, ca. 100 mm, wodurch es möglich ist, auch sehr hohe Objekte zu untersuchen. Es wurde noch eine Vorsatzlinse mitgeliefert, die den Vergrößerungsbereich um den Faktor 2 verschiebt; dazu muss der Tubusträger allerdings in der unteren Position befestigt werden, denn der Arbeitsabstand schrumpft dabei auf ca. 25 mm.

Einen ersten Eindruck zur optischen Leistung gewann ich, indem ich mir einen Laser-Ausdruck Schwarz auf weißem, glatten Papier anschaute. Die einzelnen Toner-Partikel werden bei allen Vergrößerungen scharf und kontrastreich abgebildet und zwar in einer Ebene über das gesamte Gesichtsfeld. Die Auflicht-Beleuchtung ergibt ein homogenes Bild. Nachteil: alle LEDs haben die gleiche Helligkeit. Es ist also nicht möglich eine seitliche Beleuchtung durch Herunterregeln einzelner LED-Gruppen zu erreichen. Ich meine aber, dass dies für das angestrebte Anwendungsprofil in Ordnung geht, denn eine solche Regelung würde zusätzliche Potentiometer oder Joy-Sticks erfordern, die wohl kaum noch in den Fuß zu integrieren wären. Außerdem würde ein solcher ,,Luxus" die Bedienbarkeit verkomplizieren, wo Geräte dieser Klasse doch schnell erlernbar sein sollen.

<<Herr Jülich hat mir noch mitgeteilt, dass er eine mechanische Lösung plant in der Form
einer rotierenden Abschattung, die nachgerüstet werden kann.>>

Die Durchlicht-Beleuchtung erwies sich als überraschend homogen; allerdings erkennt man bei kontrastarmen Objekten und schwachen Vergrößerungen durchaus noch, wenn auch sehr verschwommen, die einzelnen LEDs. Eine Beobachtung am Rande: wenn man die Helligkeit von 0 an sehr vorsichtig steigert, erkennt man, dass sie unterschiedlich hell sind, in dem praktisch verwendbaren Helligkeitsbereich verschwinden diese Unterschiede jedoch völlig, haben also in der Praxis keine Bedeutung.

Die ringförmige Auflichtbeleuchtung liefert ein homogen ausgeleuchtetes Feld mit ausgezeichneter Helligkeit. Beide Beleuchtungen liefern, unabhängig von der eingestellten Helligkeit, (LED-typisch) ein rein weißes Licht gut ausreichender Helligkeit.

Die Einstellung der Vergrößerung mittels der beiden, an jeder Seite des Tubus-Kopfes sitzenden Einstellknöpfe ist leichtgängig und rastet bei den runden Werten.

Um die Abbildungsqualität in der Praxis zu testen, habe ich mir diverse biologische Objekte angeschaut. Das Ergebnis kann nicht objektiv sein, denn dazu fehlen mir geeignete Objekte und auch Vergleichsmöglichkeiten. Mir steht zu hause ein älteres Zeiss RTV 4 zur Verfügung, dieses kann mit dem BonnTec in Auflösung und Kontrast nicht mithalten. Außerdem ist der Zoom-Bereich mit 0,8 – 5 (des Objektivs) größer, ohne in leere Vergrößerung zu geraten.

Somit meine ich, das Gerät erfüllt die Erwartungen, die man an ein Gerät dieser Klasse stellt, sehr gut. Ein, bei allen Vergrößerungen, bis zum Rand scharfes, kontrastreiches Bild bereiten Spass und geben die gewünschten Informationen ab.

Etwas getrübt wird das Bild, wenn man die Vorsatzlinse 2 x montiert. Der Arbeitsabstand verringert sich auf ca. 25 mm, weswegen es auch nötig ist, den Tubus-Träger in der unteren Position zu befestigen (s.o.). Das Bild erscheint plötzlich gewölbt (Mitte oben). Offenbar entsteht hier eine Verzeichnung, die diesen Eindruck erzeugt. Die Schärfe bleibt bis zu einer Endvergrößerung von ca. 70 x ordentlich, darüber hinaus zeigen sich Schwächen. Dies verwundert mich nicht, das bin ich von Geräten dieser Leistungsklasse gewohnt. Die hohen Vergrößerungen können aber für Messzwecke von Vorteil sein. Versuchsweise eingesteckte Zeiss-Okulare 16 x ergeben dagegen gute Ergebnisse.

Es soll auch eine Vorsatzlinse 0,5 x lieferbar sein, lag aber leider nicht bei, sodass ich diese Kombination nicht kommentieren kann.

Zu diesen Linsen sei noch erwähnt, dass die Auflichtbeleuchtung nur in der Standard-Konfiguration, also ohne Vorsatzlinse optimal funktioniert, da die ringförmig angeordneten LEDs unter einem bestimmten Winkel montiert sind, der auf den normalen Arbeitsabstand von 115 mm abgestimmt ist. Bei der, mir zur Verfügung stehenden 2 x Linse, reicht die Helligkeit dennoch gut aus.

Ich möchte folgende abschließende Bemerkungen machen:

es handelt sich um ein sehr solide konstruiertes Arbeitsinstrument, das nicht vergleichbar ist mit den Stereo-Mikroskopen der 400 €-Klasse chinesischer oder indischer Provenienz. Herr Jülich hat bestimmte Qualitätsmerkmale mit dem Hersteller aushandeln können; dabei war seine Frau,  selbst Chinesin, eine ganz wesentliche Hilfe.

Die mechanische Qualität ist tadellos; durch die Kombination Grob/Feintrieb ist das Arbeiten auch bei höheren Vergrößerungen sehr angenehm. Ein wesentlicher Vorteil ist der große Arbeitsabstand und der große Verfahrweg des Fokusstellers.

Die Abbildungsqualität ist für diese Preisklasse gut bis sehr gut; man darf sie aber keineswegs mit der wesentlich teuerer Spitzengeräte vergleichen. Bis Vergrößerung 50 x bzw. ca. 70 x mit Vorsatzlinse ist die Auflösung sehr gut.

Die beiden eingebauten Beleuchtungssysteme sind für Routine-Arbeiten sehr gut, vor Allem, weil sie ohne irgendwelche Justierungen unmittelbar zur Verfügung stehen.

Ich habe das Instrument von mehreren Kollegen begutachten lassen und auch bei dem Treffen der RMN-Mikroskopiker am 9. April zur Verfügung gestellt. Mir ist keine Kritik zu Ohren gekommen.

Ein kleines Minus zum Schluss: es sollte eine Beschreibung bzw. Anleitung zum Zusammenbau beigefügt werden <<wie ich mittlerweile erfahren habe, gibt es die und wurde nur mir, aus Versehen, vorenthalten ;D>>.

Ein letztes Wort zu  dem möglichen Anwenderkreis, aus meiner persönlichen Sicht:

Die Zielgruppen sind einmal Universitäten, und zwar im Unterrichtsbereich für Bestimmungen und Präparationen. Zum Anderen Labore, die Rotine-Untersuchungen durchführen, ohne auf allerbeste Auflösung angewiesen zu sein. Für beide Anwendugsbereiche ist das Gerät bestens geeignet.

Der Amateur, der bereit ist den entsprechenden Betrag zu investieren, ist nicht schlecht beraten, dieses Gerät zu kaufen. Er wird allerdings in der Regel erst einmal versuchen, ein gebrauchtes Gerät dieser Leistungsklasse zu einem niedrigeren Preis zu erwerben. Das kann gut gehen. Aber, wie geschildert, würde ich mein altes Zeiss DV 4 für das BonnTec stehen lassen. Klar aber auch, dass ein gut gebrauchtes Stereo-Mikroskop der Oberklasse der großen Vier in einer anderen Liga spielt.

Zu den Fotos, die ich mit dem Bonntec aufgenommen habe, möchte ich anmerken, dass sie die Leistungsfähigkeit nicht wiedergeben können, da meine Kameras (Tucsen 3 MP und Coolpix 990 mit einfachem Adapter) eindeutig die schwächsten Glieder darstellen.

Zunächst einige Abbildungen des Geräts:

Frontalansicht


Seitenansicht; im Fuß erkennbar Schalter und Regler für die Beleuchtung


Die Auflichtbeleuchtung


Das Spiegelchassis


Die beiden Beleuchtungsarten; links Auflicht, rechts Durchlicht


Arbeitsabstand 115 mm; Objekthöhe dabei max. 100 mm (=Verfahrweg des Fokusstellers)


Hier noch einige Beispielfotos, unter Minimalbedingungen aufgenommen:

1. eine Blüte bei kleiner Vergrößerung:



2. Brennhaare der Brennnessel. stärkste Vergößrerung ohne Vorsatzlinse



3. Eiche, Spross, Querschnitt, Durchlicht



4. Tümpeln im Durchlicht: Algen in der Petri-Schale bei 50 x


Herzliche Grüße

Detlef Kramer




Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Peter V.

#1
Lieber Detlef,

danke für den ausführlichen Test. Vielleicht kann es Herr Jülich auch zur Kornrade mitbringen ( oder Du behältest es so lange? ).

Eine Bemerkung kann ich mir aber nicht verkneifen ( bitte nicht böse sein, Du verstehst doch hoffentlich Spass ): Ausgerechnet eine Tucsen an einem Mikroskop von Herrn Jülich?  Auaaaaa! Ist das nicht fast ein Sakrileg? ;)

Eine kurze Anmerkung noch: Ich besitze ja ein chinesisches Ringlicht mit einzeln schaltbaren Sektoren. Die Beleuchtung mit allen LEDs führt meines Erachtens immer zu einem sehr platten Bildeindruck, viele Details kommen nicht zu Darstellung. Eine solche Beleuchtung ist nach meinem Empfiinden sogar den einfachen Auflichtbeleuchtungen mit einer Lichtquelle "von hinten" unterlegen.
Einzeln schaltbare Segmente fände ich persönlich sehr sinnvoll, so ganz teuer kann das ja auch nicht sein, denn das China-Ringlicht kostet knapp 60 EUR. Natürlich kann man das ja auch separat erwerrben.....

Herzliche Grüße
Peter

Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Werner Jülich

Das schaltbare Ringlicht in den Fuß zu integrieren würde schon etwas teurer und ein separates Kistchen zur Steuerung wollten wir unbedingt vermeiden. Es kommt noch eine winzige Kleinigkeit hinzu, ich bin recht konservativ in meinen Ansichten und das ideale LED-Ringlicht, die VisiLED mit Segmentsteuerung ist für Schott geschützt. Ich würde kein Plagiat verkaufen wollen und deshalb  müßte man dann schon etwas Eigenes entwickeln.

Werner Jülich

Jürgen Boschert

Hallo,

ZitatBei der Optik handelt es sich um ein apochromatisch korrigiertes Teleskop ...

Ist das tatsächlich apochromatisch, das wäre ein sensationeller Preis dafür.

Beste Grüße !

JB
Beste Grüße !

JB

Werner Jülich

Der Pankrat ist laut Hersteller apochromatisch, d.h. Sie erhalten ein sehr gut korrigiertes Bild mit auskorrigierten 3 Wellenlängen. Die Vorsatzlinsen sind achromatisch korrigiert, hier muß man also die üblichen Abstriche machen. Wir haben mit unseren Mitteln einmal kontrolliert, die Fokussebenen der Farben stimmen wirklich sehr gut überein.
Es gibt auch eine apochromatisch korrigierte Vorsatzlinse, die aber aus preislichen Gründen uninteressant ist. Schließlich soll das System lediglich die Lücke bis zu den renommierten Systemen kleiner machen. Wir brauchten halt für viele Kunden eine Lösung mit einer optischen Leistung oberhalb vom Zeiss DV4 die über einen Fotoausgang verfügt. Deshalb auch der Grob-Feintrieb

Werner Jülich



Siggi O.

Hallo Detlef,
hallo Herr Jülich,

hört sich nach einer echten Alternative zum DV4 an.

Was ich noch nicht ganz geschnallt habe, ist der Fototubus.

ZitatDer Tubus enthält auch einen Foto-Aufsatz mit einem c-mount-Adapter mit Optik für 0,5"- Chips, der aus einem der beiden Lichtwege zwangsweise ausgespiegelt wird; der Helligkeitsverlust ist auf Anhieb nicht sichtbar.

Wenn ich es richtig verstanden habe, wird kein Schieberegler betätigt, sondern das Bild ist im Trino immer vorhanden.
Der C-Mount-Adapter verfügt über eine Optik und ist abnehmbar?

Viele Grüße
Siggi
Gerne per Du!
Vorstellung: Hier klicken!

Werner Jülich

Richtig, es gibt einen festen Strahlenteiler in einem Kanal.
Der demontierbare C-Mount-Adapter hat eine 0,5x Zwischenoptik und leuchtet 1/2" Sensoren aus.
Werner Jülich