Botanik: Mal wieder was exotisches: der Korallenbaum (Jatropha multifida) *

Begonnen von Fahrenheit, Dezember 19, 2010, 22:10:57 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

im örtlichen Gartenhandel sind wir die Tage über einen Korallenbaum (Jatropha multifida oder Adenoropium multifidum) gestolpert, der uns unbedingt nach hause begleiten wollte. Der Preis dafür war die Überlassung eines Blattstiels ...  ;)

Die Gattung Jatropha gehört in die Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) und hat viele Arten. Der Trivialname Korallenbaum oder Flaschenbaum ist daher nicht eindeutig und ich hoffe, dass dies wenigstens für den lateinischen Namen gilt.

Jatropha multifida ist ein laubabwerfender, verzweigter Strauch, dessen Heimat im tropischen Amerika, Afrika und Asien liegt. Die auffallend satt grünen, gefiederten Blätter (nur bei genügend Licht!) sitzen auf ca. 10 bis 15 cm langen Stielen. Die Pflanze erreicht eine Wuchshöhe von 2 bis 3 Meter. Als typischer Vertreter der Wolfsmilchgewächse zeigt auch Jatropha multifida Trockenanpassungen (Xeromorphie) in Form einer Speicherwurzel und eines sukkulenten Stamms.  

Wie die meisten Jatropha-Arten ist J. multifida einhäusig (monözische) getrenntgeschlechtlich. Die endständigen Blütenstände sind gabelig verzweigt und weisen eine besondere Anordnung der Blüten auf: in der Mitte eines Blütenstandes steht endständig eine weibliche Blüte (teils auch einige wenige weibliche Blüten), die von den auf den Verzweigungen stehenden männlichen Blüten umringt wird. Alle Blüten sind mit je fünf Kron- und Kelchblättern ausgestattet. Die Nektardrüsen am Grunde der Blüten können frei stehen oder zu einer ringförmigen Scheibe verschmolzen sein. Männliche Blüten tragen sechs bis zehn Staubblätter in zwei Kreisen. In den weiblichen Blüten sind meist zwei bis drei, maximal fünf Fruchtblätter zu einem oberständigen Fruchtknoten verwachsen. Gewöhnlich mit drei freien Griffeln mit je einer zweilappigen Narbe.
Es entwickeln sich dreilappige Kapselfrüchte, die bei Reife aufplatzen und die ölhaltigen Samen mehrere Meter weit schleudern.

Wer nun den typischen weißlichen oder gelblichen Milchsaft erwartet, wird enttäuscht: das Sekret der J. multifida ist wasserklar und leicht galertartig.

Bevor es nun zu den Schnittbildern geht, wie immer einige Aufnahmen von der Pflanze selbst:

Bild 1: eine ältere Pflanze in einem Garten auf Hawai

Aufname von Hawai Plants Forest & Kim Starr, Creative Commons Attribution 3.0 License

Bild 2: unser Exemplar ist etwas kleiner ...

Die Pflanze braucht viel Licht, sonst werden die Blätter gelb ...

Bild 3: der Blütenstand mit den zentralen weiblichen Blüten


Bild 4: Illustration von Johann Jacob Dillenius (1732, gemeinfrei)


Der Blattstiel wurde nach der Fixierung in AFE mit Handzylindermikrotom und Einmalklinge (Leica) auf eine Dicke von ca. 50 µm geschnitten.
Die anschließende Färbung nach Wacker (W3A) erfolgte nach der Eckhardschen "Eintopfmethode" in einem Uhrglas (Acridinrot 1% in Ethanol 50% für ca. 8 Minuten; Acriflavin 1% in Aqua dest. für ca. 20 Sekunden, Astrablau 1% in Aqua dest. mit einem Tropfen Acriflavin für ca. 30 Sekunden). Eingedeckt habe ich über Isopropanol in Euparal.

Bild 5: Übersicht, Vergrößerung 50x, Stapel aus 11 Bildern

Der Blattstiel hat einen Durchmesser von 5,2 mm, daher ist bei fünfzigfacher Vergrößerung nur ein kleiner Ausschnitt im Bild. Es ist gut zu erkennen, dass die Gewebe kaum lignifiziert sind, was auch für das Xylem gilt, das nur gelb-orange angefärbt ist. "Sklerenchymkappen" sind zwar vorhanden und die Zellwände der wenigen Zellen sind auch verdickt, aber überhaupt nicht verholzt und erscheinen daher in einem hellen Grün.

Während hier die Grün- und Blautöne überwiegen, zeigt der sehr stark verholzte Blütenstängel der Herbst-Anemone ein ganz anderes Bild. Der Färbeprozess (Konzentrationen und Einwirkzeiten) war bei beiden Schnitten absolut identisch!

Bild 6: noch einmal die Herbst-Anemone zum Vergleich, Vergrößerung 50x, Stapel aus 6 Bildern.


Bild 7a/b: in etwas höherer Vergrößerung zeigen sich Details, Bild 7b mit Beschriftung (100x, Stapel aus 6 Bildern)


Von Außen nach Innen:
RP  : Rindenparenchym
SK : Sekrätkanäle (Milchröhren)
Skl : "Sklerenchymkappen"
Pl   : Phloem
Xl  : Xylem
T   : Trachee
PXl : Primäres Xylem (Proto- und Metaxylem)
MP : Markparenchym
In den Milchröhren (Sekretkanälen) zeigen sich noch rotbraun angefärbte Ablagerungen des "Milchsafts".

Bild 8a/b: Ausschnitt aus dem Leitbündel, mit vorgelagertem Sklerenchym und Milchröhren im Rindenparenchym, Bild 8b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus 8 Bildern.


Beschriftung wie Bild 7b, D : Calciumoxalatdruse. Hier ist sehr gut zu erkennen, dass die Zellwände der Xylemzellen kaum verholzt sind und die verdickten Zellwände der Sklerenchymzellen gar kein Lignin eingelagert haben.
Die Stabilität des Blattstiels beruht also weniger auf der Festigkeit der klassischen Stützgewebe, sondern eher auf dem Tugor und den kollenchymatischen Zellen des äußeren Rindenparenchyms (Bild 10).

Bild 9: auch im Markparenchym gibt es Milchröhren, Vergrößerung 200x, Stapel aus 7 Bildern.

Die Milchröhren haben einen Innendurchmesser von 45 bis 50 µm.

Bild 10a/b: kollenchymatisches Gewebe und eine Milchröhre, Bild 10b mit Beschriftung; Vergrößerung 400 x, Stapel aus 5 Bildern.


Färbung und Aufbau der Zellwände lassen darauf schließen, dass es sich bei den Zellen des Rindenparenchyms (Kl) direkt unter der Epidermis (Ep) um ein kollenchymatisches Gewebe handelt, das den Blattstiel stabilisiert. Die knallrote Färbung im Inneren des Sekretkanals (SK - Milchröhre) ist Zufall, gibt dem Bild aber eine gewisse Würze ...

Vielen Dank fürs Betrachten, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: Detlefs Korrekturen eingepflegt
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

HDD

Hallo Jörg,

Eine wunderbare Dokumentation und gestochen scharfe Bilder von den Schnitten.
Das war bestimmt eine Menge Arbeit.

So etwas anzuschauen macht einfach nur Freude.

Herzliche Grüße und Danke für diese Bilder.

Horst-Dieter


Peter V.

Lieber Jörg,

Die Bilder gefallen mir ausnehmend gut!!!

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob! Schön, dass Euch der Beitrag gefällt.  :)

Lieber Horst-Dieter,

die Arbeit hält sich in Grenzen, es ist ja ein Hobby.  ;D
Schneiden, Färben und Eindecken geht an einem Abend gut von der Hand. Meine Bilder entstehen mit einer älteren Powershot A520 mit Okularadaption (in diesem Fall mit einem KPL 10/18 Brille und dem Herrmannschen Adapter). Die Kamera steuere ich dabei über den PC, die einzelnen Aufnahmen werden mit dem Zerene Stacker gestapelt und dann nur leicht nachbearbeitet (Anpassung des Schwarz- und Weißpunktes sowie leichtes Nachschärfen nach dem Herunterrechnen auf 800 * 600 Punkte).
Das ist auch nicht die Welt.

Herzliche Grüße
Jörg  
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Mila

Lieber Jörg,

wieder eine klasse Doku und superschöne Bilder.
Da habt Ihr ja wirklich einer interessanten Pflanze ein neues Heim gegeben :)
Ich kenne dieses "Nimm-mich-mit-Gebettel" auch... ;)

Sehr interessant auch der Vergleich zur Annemonenfärbung und dadurch die Darstellung der Gewebeunterschiede.

Herzliche Grüße
Mila


Frank Fox

Hallo lieber Jörg,

auch von mir kommt wieder Lob.
Sehr schöne Fotos und eine tolle Doku.

Herzliche Grüße
Frank
Mikrofotografie
www.mikro-foto.de
www.fotofind.eu

Faszination Mikroskopie
www.dustri.com/nc/de/hachinger-verlag/category/sachbuch.html

Zeitschrift Mikroskopie
http://www.mikroskopie-journal.de/

YouTube - Kanal
www.youtube.com/channel/UC32f7n_zGHMphTHSTC5wylg

Fahrenheit

Liebe Mila, lieber Frank,

auch Euch herzlichen Dank!

Liebe Mila,

ja, den Unterschied zwischen der Anemone und der Jatropha fand ich wirklich frappierend - man könnte meinen, es handelt sich um völlig unterschiedliche Färbungen. Im Frühjahr bei der Bearbeitung verschiedener Kreuzblütler (die ebenfalls nicht wirklich verholzen) hatte ich beim Vergleich mit einem Ahorn-Spross noch an meinem Färbeprozess gezweifelt.
ZitatIch kenne dieses "Nimm-mich-mit-Gebettel" auch...
- na ja, solange man für den Weg von der Küche zum Esstisch keine Expedition ausrüsten muss ...  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Muschelbluemchen

Hallo Jörg

Hervorragende Schnitte mit dem Handmikrotom - eigentlich brauchst du gar kein Schlittenmikrotom  ;D
Der Messerhalter den du da verwendest würde mich interessieren - welche Einwegklingen, ...
Danke!

Leopold

Detlef Kramer

Lieber Jörg,

alles perfekt, Schnitte, Fotos, einfach wunderbar.

Aber etwas habe ich ja meistens zu meckern oder zu ergänzen: was Du als Protoxylem bezeichnest, würde ich als primäres Xylem bezeichnen. Das umfasst Proto- und Metaxylem; ersteres findest Du rechts, letzteres links von der Beschriftung.

Die Sekretgänge kannst Du in dem Fall auch als Milchröhren bezeichnen.

Tja, und demnächst gibt es auch wieder Klingenhalter!

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Fahrenheit

Lieber leopold. lieber Detlef,

abermals vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Leopold,

ich benutze den Klingenhalter von Detlef mit den Einmalklingen von Leica (110143). Das ganze schaut dann etwa so aus:


Lieber Detlef,

wie immer vielen Dank für Deine Berichtigungen. Ich habe sie oben eingearbeitet.
Es gibt wieder Klingenhalter! Auch den für das HN40 mit einseitiger Einspannung?

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Daniel Steiner

Wunderschön Jörg.
Eine Jatropha habe ich hier auch herumstehen (J. podagrica, selbst aus Samen gezogen) - leider zu klein, um einen Zweig zu opfern.
Eine Frage zu den Klingen, die du verwendest: Wieviel besser gehen deine Einwegklingen, verglichen mit den gewöhnlichen Rasierklingen bzw. den etwas festeren "Bastler"klingen mit demselben Format? Und wie steht es um die Standfestigkeit der Schneide - zahlen sich diese wohl beträchtlichen Mehrkosten irgendwo aus?

Herzliche Grüsse, Daniel


Eckhard

Lieber Jörg,

Schnitt und Färbung exzellent! Meine Glückwünsche.

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Fahrenheit

Lieber Daniel, lieber Eckhard,

auch Euch herzlichen Dank!

Lieber Daniel,

das Pflänzchen wächst ja.  :) Außerdem sind die meisten Jatropha-Arten doch laubabwerfend - gegen einen Blattstiel zur rechten Zeit ist dann doch sicher nichts einzuwenden ...
Nach meinem Gefühl sind die Mikrotomklingen schärfer und sie passen in den Klingenhalter, der das Schneiden auf dem Zylindermikrotom doch wesentlich erleichtert.
Wie standfest die klingen sind, habe ich noch nicht wirklich probiert. Ich nutze sie nur für eine Session zum Schneiden von Proben und danach zum "Turnieren" der selben bei der nächsten Session. Das kann natürlich Verschwendung sein ...

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Guten Morgen Jörg,

eine super Dokumentation. Den Korallenbaum hatte ich noch nicht gesehen, man lernt nie aus.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

schön, dass Dir die Vorstellung des Korallenbaums gefällt und danke für Dein Lob!

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM