Limoniidae Pharynx Oesophagus

Begonnen von Jürgen H., März 07, 2011, 17:05:05 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker

Im folgenden Beitrag möchte ich etwas zum Nahrungskanal im Kopf meiner Limoniidae zeigen.

Hier ist das Bild eines Sagittalschnittes, das den Nahrungskanal fast in der gesamten Länge zeigt:




Deutlich sind zwei Abschnitte unterscheidbar: Zum einen der Pharynx (Ph), zum anderen der Oesophagus (Oe). In beiden Fällen handelt es sich um einen längsgestreckten Hohlraum, der von Chitinwänden umgeben ist. Zwischen Oesophagus und Pharynx befindet sich eine offenbar weiche nicht chitinöse Stelle, die eine Art Scharnier (Sch) bildet, da der Nahrungskanal an dieser Stelle leicht die Richtung wechselt. Eine durchgängige chitinöse Röhre ließe wohl einen derartigen Richtungswechsel mit den gleich darzustellenden Zugmechanismen auch kaum zu.

In Höhe des "Scharniers" mündet ventral auch eine Röhre, die das Speichelsekret aus der Speicheldrüse im Thorax liefert. (Nicht im Bild zu sehen)

Der Oesophagus verläuft zwischen den oberen Teilen des Gehirns (OG) und dem Unterschlundganglion (UG), gewissermaßen eingebettet in die Gehirnmasse. Denn diese umschließt auch seitlich den Oesophagus (im Bild nicht erkennbar)

Vor und hinter den oberen Gehirnteilen sind Muskulaturstränge (OED) erkennbar, die an der äußeren Chitinhülle des Kopfes befestigt sind und am Oesophagus inserieren. Als Dilatatoren ziehen die Muskelstränge, wenn sie sich verkürzen, den Oesophagus auseinander und ermöglichen so die Schluck oder Saugbewegungen des Tierchens .

Auch der Pharynx besitzt solche Dilatatoren, die hier nur leicht angeschnitten sind und daher nur an der Ansatzstelle beim Pharynx erkennbar werden (Phdil).

Im hinteren (kaudalen) Teil scheint sich der Oesophagus zu verzweigen und in zwei Nahrungskanäle aufzuspalten. Dies ist aber nur scheinbar der Fall, wie eine Zeichnung eines Querschnitts veranschaulicht:



Hiernach besteht der Oesophagus aus drei recht starkwandigen Chitinwänden (VC), die sich einander  - zur Verdeutlichung des Schluckkomforts ;-)  - in einer Art Mercedesstern zuordnen. Die Verbindungsstellen zwischen den drei Chitinwänden sind hingegen nur dünn ausgebildet und besitzen eine eigenartig geschweifte Form (DC).

Die Dilatatoren setzen nach der Zeichnung an den starken Chitinwänden an und sind so in der Lage, sie seitlich auseinander zu ziehen. Auf diese Weise vergrößert sich der Hohlraum im Oesophagus, es entsteht ein Sog.

Es ist anzunehmen, dass sich die Chitinwände wie Blattfedern aufgrund ihrer Baueigenschaften wieder in die ursprüngliche Form zurückstellen, sobald der Zug der Dilatatoren nachlässt, so dass es eines muskulären Antagonisten nicht bedarf.

Mir ist noch nicht ganz klar, wie sich der Querschnitt dem Sagittalschnitt zuordnet. Versuche ich, die Schnittführung des Querschnittes auf den Längsschnitt zu projezieren, dann wäre die Schnittführung als eine Linie im Sagittalschnitt zu denken, die von links oben nach rechts unten leicht schräg verläuft. Denn in der Zeichnung sind noch die oberen Teile des Gehirns zu sehen (G), während unten nur noch die Doppelnerven des Strickleitersystems erkennbar sind, die aus dem Unterschlundganglion entspringen (N). Die Muskelstränge, die im Sagittalbild am Oesophagus oben ansetzen, sind noch nicht vorhanden. Vermutlich ändert sich dort auch die Wandung des Oesophagus (vierte Wand?)  Die seitlichen Insertionsstellen der Muskulatur, die das Querschnittsbild zeigt, sind hingegen auch im Sagittalschnitt bereits erkennbar (SID)

Näheres muss zukünftigen Schnitten vorbehalten bleiben. Im Moment fliegen die Tierchen nicht.....Aber wärmeres Wetter wird kommen....

Viel Spaß beim Anschauen wünscht mit Mikrogrüßen

Jürgen

Fahrenheit

Lieber Jürgen,

vielen Dank für die schöne Dokumentation und die lehrreiche Beschreibung!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Ralf Feller

Lieber Jürgen,
das ist funktionelle Histologie wie ich sie sonst in keinem Lehrbuch gesehen habe.
Danke für die große Mühe.

Gruß Ralf

Jens-Hermann Stuke

Lieber Herr Harst!

Ich bin außerordentlich von den Bildern beeindruckt und würde mich freuen, wenn Sie mir Hinweise geben könnten, wo ich zur Färbetechnik Informationen finden kann.

Vielen Dank,

Jens-Hermann Stuke

Jürgen H.

#4
Lieber Jens Hermann Stuke,

Der Schnitt ist mit Azan Geidies gefärbt. Der Einfachheit halber leite ich Sie auf die Seite von Armin Eisner um:

http://www.aeisner.de/methoden/farb65.html

Eine gewisse Schwierigkeit besteht für mich darin, die Muskulatur braunrot zu bekommen. Dies gelingt nicht immer, wie z.B in diesem Schnitt zu sehen. In diesem Punkt bin ich noch ratlos. Sonst ist die Färbung recht einfach durchzuführen und gibt für Insekten gute Ergebnisse. Eine Sublimatfixierung, wie sie Eisner empfiehlt, habe ich allerdings noch nicht ausprobiert. Meine Fixierung läuft nach Dubosq Brasil (Alkoholische Pikrinsäure mit Eisessig und Formol) siehe hier: http://www.aeisner.de/index.html Sie hat sich bei meinen Insekten bewährt.

Lieber Ralf, und lieber Jörg

Danke für eure Worte. Ich hoffe, ich langweile auch das übrige Forum nicht mit meinen Mückenschnitten immer derselben Gattung. Meine Monomanie rührt daher, dass ich einmal ein gesamtes Insekt in seiner Histologie begriffen haben möchte. Dass es bei mir  die Limoniidae  sind, ist eher Zufall: Sie bilden in unserem Garten im Sommer ihre Schwärme. Hoffentlich noch längere Zeit. Denn jetzt habe ich nur noch ein Blöckchen zum Schneiden aus dem letzten Sommer.

Mikrogrüße

Jürgen

Holger Adelmann

Wieder ein klasse Bild, lieber Jürgen, und toll beschrieben. Ich bin begeistert !

Könntest Du irgendwo auch eine grössere Version verlinken? Ich denke, da sieht man dann noch mehr Details, da die Forumbeschränkung auf 800x600 doch die Qualität einer solchen schönen Übersicht ziemlich limitiert.

Herzliche Grüsse
Holger

liftboy

Hallo Jürgen,
Deine "Monomanie" nervt in keinster Weise!
Fast Niemand macht sich mehr die Arbeit einer vollständigen Dokumentation einer Gattung; eine Heidenarbeit, capeau!
Man beschränkt sich auf die Gattungsbeschreibung und gut so; "wie´s drinnen aussieht, geht keinen was an".
Weiter so!
Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
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