Botanik: Gelbe Säuleneibe - mal wieder Taxus baccata *

Begonnen von Fahrenheit, März 09, 2011, 20:41:53 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

einmal muss wohl jeder Pflanzenschnibbler Scheibchen von der Nadel und dem Spross einer Eibenart geschnitten haben. Ich habe mich für die Gelbe Säuleneibe (Taxus baccata 'Fastigiata Aureomarginata') entschieden.   ;)

Die immergrüne Europäische Eibe (Taxus baccata) ist in ihrer Gestalt eine sehr variable Art, die je nach Standortbedingungen als Baum oder Strauch wächst. Dies machen sich natürlich auch die Gartenfreunde zu Nutze - die Eibe wird seit der Renaissance auch wegen ihrer Schnittfestigkeit oft und gerne in Gartenanlagen gepflanzt - was sich in vielen verschiedenen Unterarten und Hybriden niederschlägt. In diese Kategorie fällt auch die gelbe Säuleneibe mit ihrem schlanken Wuchs und den gelb geränderten Nadeln.

Dabei ist Taxus baccata die einzige europäische Art der Gattung der Eiben (Taxus) aus der Familie der Taxaceae und damit als Tertiärrelikt auch die älteste und schattenverträglichste Baumart Europas. Alle Pflanzenteile mit Ausnahme des kräftig rot gefärbten Samenmantels (Arillus) sind giftig.
Eiben können sehr alt werden und erreichen zum Teil erstaunliche Höhen von über 20, vereinzelt sogar bis über 30 Meter (Nordtürkei und Kaukasus), während sie in extremen Gebirgslagen auch als Kriechstrauch auftreten können. Die baum- oder strauchartigen Wuchsformen sind oft bis zum Boden hin belaubt.
Charakteristisch und auffällig ist die dünne grau- bis rotbraune Schuppenborke der Eibenstämme. Junge Eiben weisen in der Regel einen Stamm mit einer deutlichen Hauptachse auf, während ältere Bäume häufig mehrstämmig sind. Weiterhin typisch sind Wurzelschösslinge, Triebstämmlinge und die Bewurzelung von Ästen, die den Boden berühren, was auf eine hohe vegetative Reproduktionsfähigkeit hinweist und die Bildung mehrerer Stämme erklärt. Durch die Verwachsung einzelner Stämme können bis zu 1 Meter dicke Komplexstämme entstehen. Ab einem Alter von etwa 250 Jahren setzt bei Eiben häufig eine Kernfäule im Stammesinneren ein, die im Laufe von Jahrhunderten zu einer fast vollständigen Aushöhlung des Baumes führen kann.
Die weichen und biegsamen Eibennadeln sind in der Regel linealisch geformt, mitunter aber auch leicht sichelförmig gebogen. Sie stehen an den Leittrieben spiralförmig, während sie an den Seitenzweigen zweizeilig angeordnet sind. Die einzelnen Nadeln sind zwischen 1,5 und 3,5 Zentimeter lang und zwischen 2 und 2,5 Millimeter breit. Sie erreichen ein Alter von drei bis acht Jahren, bis der Baum sie abwirft.
Ober- und Unterseite der Nadeln unterscheiden sich deutlich. Auf ihrer Oberseite sind sie glänzend dunkelgrün - oder bei der Gelben Säuleneibe grün mit gelbem Rand - und haben einen erhobenen Mittelnerv, der zur Spitze hin ausläuft. An der Unterseite sind sie dagegen hell- oder olivgrün gefärbt. Die Oberseite weist keine Spaltöffnung auf, an der Unterseite befinden sich durch den Mittelnerv getrennt zwei undeutliche, blassgrüne Stomabänder mit samtiger Struktur. Weiterhin haben Eibennadeln keine Unterhaut oder Hypodermis und es fehlen Harzkanäle sowie das für andere Koniferen typische mechanische Verstärkungsgewebe (Sklerenchym).

Bild 1: eine Jungpflanze der gelben Säuleneibe (Taxus baccata 'Fastigiata Aureomarginata')


Bild 2: Nadeln und männliche Blüten der gelben Säuleneibe


Bild 3: Nahaufnahme einer männlichen Blüte


Bild 4: die typischen Samen mit ihrer roten Samenhülle (Taxus baccata)

Aufnahme von Frank Vincentz unter GFDL

Bild 5: Illustration von Taxus baccata aus "Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz", von Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé, Gera 1885, Public Domain


Nun zu den Präparaten. Alle Schnitte sind mit dem Handzylindermikrotom und Leica Einmalklingen im Halter entstanden. Anschließend wurden die ca. 50 µm dicken Schnitte nach der Eckhardschen Uhrglasmethode mit Acridinrot (1%ige Lösung in Ethanol 50%, 8 Minuten), Acriflavin (1%ige Lösung in Aqua dest., 30 Sekunden) und Astrablau (1 %ige Lösung in Aqua dest., 1 Minute - Wacker W3A) gefärbt. Dem letzten Färbegang wurde natürlich wieder das berühmte Quäntchen Acriflavin beigesetzt. Der Einschluss erfolgte dann über Isopropanol in Euparal.

Bild 6a/b: Querschnitt auf Höhe des Mittelnervs einer Nadel der gelben Säuleneibe, Vergrößerung 100x, Stapel aus 12 Bildern. Bild 6b mit Beschriftung


Cu   :  Cuticula
Ep   :  Epidermis
Pl    :  Phloem
Xl    :  Xylem
Skl  :  Sklerenchym
TPa :  Transfusionsparenchym
ED   :  Endodermis
SPa :  Schwammparenchym
Auffällig ist das Fehlen des Sklerenchyms unter der Epidermis, wie man es sonst bei vielen Nadeln findet. Auch sind keine Harzkanäle vorhanden und die für Eibennadeln typische Erhebung über dem Mittelnerv ist gut zu erkennen.

Einige Details der Nadel:

Bild 7: das Leitbündel, Vergrößerung 200x, Stapel aus 14 Bildern


Bild 8: Die Kante der Nadel, Vergrößerung 100x, Stapel aus 10 Bildern

Unten kann man zum rechten Rand hin einige Stoma erkennen. In den Zellen des Palisadenparenchyms zeigen sich seltsame blauschwarze Strukturen.

Bild 9: Das Palisadenparenchym, Vergrößerung 400x, Stapel aus 11 Bildern

Was hat es wohl mit diesen hier hellblau erscheinenden länglichen Strukturen in den Zellen auf sich? Handelt es sich ggf. um einen einzelnen Chloroplasten?

Regi hatte bei ihren Schnitten von der Zedernnadel nach den "kriseligen" Zellinhalten gefragt. Diese tauchen auch bei meinen - ungebleichten - Schnitten auf. Es sind hier wohl Reste des Zellplasmas oder von Zellorganellen.

Bild 10: Stoma an der Nadelunterseite, Vergrößerung 400x, Stapel aus 12 Bildern

Ein Stoma auf der Nadelunterseite. Im Bereich der Stomata ist die Cuticula sehr zerklüftet, die einzelnen Stoma selbst liegen etwas eingesenkt und sind von einem regelrechten "Cuticulakrönchen" umgeben.

Bild 11a/b: Kleberabdruck von der Nadelunterseite mit Stomata, Vergrößerung 200x, Stapel aus 27 Bildern, Bild 11b mit Maßstab


Die Cuticularinge oder "Krönchen" um die Stomata haben einen Durchmesser von ca. 45 µm.
Rechts am Bildrand von 11a beginnt der stomalose Bereich unter dem Mittelnerv. Dort ist die Cuticula deutlich weniger strukturiert.
Die samtartige Anmutung auf der Nadelunterseite entsteht also durch die Struktur der Cuticula in der Umgebung der Spaltöffnungen.

Zu guter Letzt noch einige Bilder vom Spross:

Bild 12: Sprossquerschnitt, Vergrößerung 25x, Stapel aus 10 Bildern

Links im Bild die Ansatzstelle einer Nadel.

Bild 13: Die Ansatzstelle der Nadel in einer anderen Schnittebene, Vergrößerung 100x, Stapel aus 12 Bildern


Bild 14a/b: Xylem und Phloem mit dem dazwischen liegenden Cambium, Vergrößerung 400x, Stapel aus 9 Bildern. 13b mit Maßstab


Bei einigen Zellen sind die Zellkerne sehr schön erhalten und rot angefärbt.

Bild 15: Falte zwischen zwei Schuppen der Borke, Vergrößerung 400x, Stapel aus 10 Bildern


Bild 16: Ein Idioblast im Markparenchym, Vergrößerung 400x, Stapel aus 7 Bildern

Im Markparenchym des Sprosses liegen einzelne Steinzellen (Idioblasten). Die Zelle im Bild ist ca. 91 µm lang und 66 µm breit.

Vielen Dank fürs Betrachten, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Holger Adelmann

Klasse, lieber Jörg, und garantiert ohne kopierte Teile, man kommt auch ohne Fussnoten (Fussangeln ?) zum Ziel ;D
Womit hast Du den Klebeabdruck gemacht ? Uhu Hart ?

Herzliche Grüsse
Holger



Michael W.

Lieber Jörg,

mal wieder ein toller Beitrag mit guten Fotos von dir. Der Lackabdruck und Sprossquerschnitt sind besonders schön geworden.
Eine Frage dazu: hast du das Material für den Sprossquerschnitt aufgeweicht oder ganz normal in AFE fixiert?

Viele Grüße
Michael
Am liebsten per "Du"

Fahrenheit

Lieber Holger, lieber Michael,

vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Holger,

ja, den Abdruck habe ich mit unverdünntem UHU Hart gemacht. Das geht ganz gut, wenn man schnell arbeitet.

Lieber Michael,

der Spross ist ja aus dem vergangenen Jahr und noch nicht sehr verholzt. Er ist nur in AFE fixiert und lies sich eingebettet in einer Möhre sehr gut schneiden.
Die Methode stammt von Eckhard: einfach ein senkrechtes Loch mit etwas geringerem Durchmesser als dem der Probe stechen (z.B. mit einem Holzspießchen) und dann die fixierte Probe einschieben. Passend bekannten und im Mikrotom einspannen, schon kann geschnitten werden.

Herzliche Grüße
Jörg
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Frank Fox

Lieber Jörg,

die Präparation und die Fotos sind Dir super geglückt. Toll !!!  ::)

Herzliche Grüße
Frank
Mikrofotografie
www.mikro-foto.de
www.fotofind.eu

Faszination Mikroskopie
www.dustri.com/nc/de/hachinger-verlag/category/sachbuch.html

Zeitschrift Mikroskopie
http://www.mikroskopie-journal.de/

YouTube - Kanal
www.youtube.com/channel/UC32f7n_zGHMphTHSTC5wylg

Michael W.

Lieber Jörg,

danke für die weiteren Infos. Im Frühjahr werde ich es nochmals versuchen, letztes Jahr ist mir derartiges Probenmaterial beim Schneiden immer zerrissen. Wahrscheinlich hatte ich da zu verholztes Material gesammelt.

Viele Grüße
Michael
Am liebsten per "Du"

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

eine rundum interessante und lehrreiche Dokumentation. SUPER !

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Mila

Lieber Jörg,

klasse!

Sehr schick sind ja auch wieder die Lackabdrücke :)
Und das Stoma-Foto finde ich ganz besonders gut! Aber auch der Idioblast und die "Borkenspalte" sind etwas Besonderes.

Herzliche Grüße
Mila

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob - schön, dass Euch meine Darstellung gefällt!

Lieber Michael,

wo sind denn die Risse aufgetreten? Im Holzteil oder in den weicheren Bast- und Rindengeweben? Hast Du freistehend oder eingebettet geschnitten?

@ all:

Eventuell ist eine Frage in meinem Eingangsposting etwas unter gegangen, weswegen ich hier noch einmal Bild 9 zeigen möchte:

In den Zellen des Assimilationsparenchyms zeigen sich blaue Strukturen, die mir auch in anderen Eibennadelpräparaten aufgefallen sind. manchmal lässt sich ein feinkörniger Innenaufbau erkennen.
Um was könnte es sich da handeln? Haben die Assimilationszellen der Eibennadel eventuell nur einen, großen Chloroplasten oder handelt es sich hier eher um die kollabierte Zellvakuole, in der z.B. zelleigene Alkaloide angefärbt vorliegen. Wie eingangs schon geschrieben: die Schnitte sind ungebleicht und mit AFE fixiert (2 Tage Einwirkzeit).

Herzliche Grüße
Jörg
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Rawfoto

Hallo Joerg

Suber Beitrag, der Lackabdruck hat's mir angetan :-)) Gratulation ...

Schoenen Abend & Gruesse aus Wien

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Mila

#10
Zitat von: Fahrenheit in März 10, 2011, 18:24:55 NACHMITTAGS
Um was könnte es sich da handeln? Haben die Assimilationszellen der Eibennadel eventuell nur einen, großen Chloroplasten oder handelt es sich hier eher um die kollabierte Zellvakuole, in der z.B. zelleigene Alkaloide angefärbt vorliegen. Wie eingangs schon geschrieben: die Schnitte sind ungebleicht und mit AFE fixiert (2 Tage Einwirkzeit).

Lieber Jörg,

nur eine Vermutung: ich denke, es sind möglicherweise die Diterpene (genauer: Taxane), die in der Vakuole abgelagert werden (Vakuole als "Müllbeutel" für Stoffwechselprodukte).
Für den Menschen ist dieser "Müll" sehr wertvoll, wird er doch als Arzneistoff in der Krebstherapie eingesetzt.

Herzliche Grüße
Mila

Nachtrag: falls es jemanden interessiert: Taxane stören die Zellteilung/Mitose, dazu ein Link zu Wiki: http://de.wikipedia.org/wiki/Taxane

und zu Holgers tollen Fotos einer Mitose:

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=8582.0

Fahrenheit

Liebe Mila,

danke für Deinen Hinweis! Taxane, das kann es natürlich sein! Ob es einen Grund dafür gibt, das die nur oder zumindest überwiegend in den ersten Zelllagen des Assimilationsparenchyms auftauchen?

Danke auch für die sehr interessanten Links - wieder was gelernt!

Herzliche Grüße
Jörg
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Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

auch in der Wiederholung ist die Eibe immer wieder schön. Auch mir gefällt Dein Blattabdruck besonders gut!

Wir hatten in Stuttgart vor Weihnachten einen "Nadelabend", wo wir wie die Weltmeister Nadeln geschnibbelt haben (bei uns heißt die Methode mit dem gebohrten Loch in der Möhre die Kauter-Methode und ist schon 30 Jahre alt - ich hab sie variiert durch den Einsatz der geliebten Zahnarzt-Sonden, mit denen der einem auf den Nerv geht. Vor vielen Jahren auf dem Flohmarkt ergattert.

Hatte ich im alten Forum mal beschrieben:



In Erfurt waren wir nach dem Besuch im Gartenbaumuseum auf einem Handwerkermarkt, wo auch Drechsler ihre Künste gezeigt haben. Da war eine Schale aus dem Stamm einer Eibe ausgestellt. Durchmesser ca 20 cm; mit der Rinde dran. So große Mohrrüben gibts dann doch nicht! ;)

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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moräne

Hallo Jörg

Wirklich sehr schön.
Da könnte man glatt die Steine vergessen.
Vor Jahren hatte ich mal ein recht dickes Buch ( ich denke etwa 10 cm ) mit jede Seite ein anderes Holz in Querschnitten und Längsschnitten,  das fand ich auch recht faszinierend.
Wenn nur nicht die " Chemie " dazu nötig wäre, das anzufärben, würde ich so was auch versuchen.
Na ja, man kann nicht alles tun.

Grüße Gerd


Klaus Herrmann

Hallo Gerd,

ZitatWenn nur nicht die " Chemie " dazu nötig wäre, das anzufärben, würde ich so was auch versuchen.
Na ja, man kann nicht alles tun.

Ja da haben es die Petrographen natürlich leicht: kurz mal ein Dünnschliff machen und die Farbe macht ihr optisch. ;) ;D ;)
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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