Interessante Pilzfunde 96 - Riesen-Ritterling

Begonnen von Bernd Miggel, November 10, 2023, 17:59:09 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung

,,Nomen est omen", kann man zu dieser Pilzart ohne Übertreibung sagen. Der Riesen-Ritterling Tricholoma colossus zeigt sich als ein wahrer Koloss. Es handelt sich um einen weit verbreiteten, jedoch sehr seltenen Pilz mit typischem Ritterlingshabitus, sehr großem, orangebraunem Hut, gedrungenem, orangebraunem Stiel und cremefarbenen, gefleckten Lamellen. Er geht eine Mykorrhiza vorzugsweise mit Kiefern ein. An den Boden stellt es keine besonderen Anforderungen. Die Rote Liste Deutschlands (2016) führt ihn in der Kategorie 2 (stark gefährdet).
Während einer Kartierungsexkursion im NSG ,,Hesel-, Kohl- und Brandmisse" bei Oberreichenbach-Würzbach im Nordschwarzwald fanden wir am 21. Oktober 2023 bei alten Waldkiefern zwei dieser eindrucksvollen Pilze. Bei diesen ,,Missen" handelt es sich um ebene, flachgründige Waldbereiche auf saurem, nährstoffarmem, moorigem Boden über Granitgestein.


Bild 1 – Fundgebiet von Tricholoma colossus, ein feuchter, saurer Kiefernwald mit einer einzelnen Traubeneiche, mit dünner Humusschicht in 725 mNN. Foto: Bernd Miggel.

Bernd Miggel

#1
Makroskopische Merkmale

Die Hüte dieser massiven Pilze erreichen Breiten von bis zu 25 oder sogar 30 cm. Die beiden gefundenen Exemplare besaßen ca. 15 cm Durchmesser.
Die Hüte sind anfangs halbkugelig, später konvex oder ausgebreitet mit leicht vertieftem Zentrum, meist mit stark eingerolltem, gefurchtem Rand. Die Huthaut ist eingewachsen faserig, bei feuchtem Wetter schleimig und etwas glänzend. Die Hutfarbe reicht von blass orange über orangebraun bis bräunlich orange oder ziegelrot. 

Bilder 2 und 3 – Tricholoma colossus Fruchtkörper 1 am Fundort. Foto: Liss Hoffmann.

Bernd Miggel

#2
Die Lamellen sind brüchig, dichtstehend, breit, stark mit Lamelletten untermischt und am Stiel ausgebuchtet angewachsen. Sie sind anfangs cremefarben und werden allmählich blass orange. Die Schneiden sind bei ausgewachsenen Exemplaren bräunlich; auch die Lamellenflächen werden braunfleckig. Die Stiele sind äußerst stämmig, d.h. kurz und sehr dick. Sie können bis zu 6 cm Breite besitzen. Bei den beiden gefundenen Exemplaren besaßen ca. 4 cm Breite. Im Allgem. sind die Stiele im oberen Bereich zylindrisch, nach unten hin mitunter knollig verdickt und in einer Art Wurzel endend. Dabei kann die Knolle durchaus Breiten von bis zu 10 cm erreichen. Junge Fruchtkörper besitzen einen wolligen Ring, der jedoch mit dem Alter verschwindet oder nur noch angedeutet vorhanden ist. Oberhalb der Ringzone ist die Stielfarbe weißlich, cremefarben, unterhalb braun und faserig bis schuppig.

Bild 4 –  Tricholoma colossus Fruchtkörper 2 am Fundort. Foto: Liss Hoffmann.

Bernd Miggel

Das Fleisch ist weißlich, fest, im Hut dick und im Stiel voll. Im Schnitt rötet es spontan. Die Pilze sind geruchlos und im Geschmack mild.

Bild 5 –  Tricholoma colossus Fruchtkörper 1 im Schnitt. Foto: Liss Hoffmann.

Bernd Miggel

Mikroskopische Merkmale

Die Sporen sind ellipsoid, glatt- und dünnwandig und besitzen mittig einen großen Tropfen. Messerte von 36 repräsentativen Sporen (mit L Länge, B Breite, Q = L/B Schlankheitsgrad, V Volumen):
L X B = 7,4-9,7 x 5,0-6,5 µm     Q = 1,45-1,54     V = 140-160 µm3 


Bild 6 –  Tricholoma colossus Sporen in Phloxin. Foto: Bernd Miggel.

Bernd Miggel

#5
Verwechslungsmöglichkeiten
•    Der Halsband-Ritterling (T. focale) besitzt einen ausgeprägten, hautähnlichen Ring, der Stiel ist schlanker, und die Sporen sind kleiner. 
•    Der Fastberingte Ritterling (T. batschii) besitzt einen schlankeren Stiel und kleinere Sporen. 

Literatur
•    BON, M. (1988): Pareys Buch der Pilze: 160-161.
•    CHRISTENSEN, M., HEILMANN-CLAUSEN, J. (2013): The genus Tricholoma. Fungi of Northern Europe, Vol. 4.: 58-59.
•    DÄHNKE, R.M. (1993): 1200 Pilze in Farbfotos: 227.
•    GALLI, R. (2003) I Tricolomi: 216-217.
•    KIBBY, G. (2020): Mushrooms and Toadstools of Britain & Europe Vol. 2 : 58-59.
•    KRIEGLSTEINER, G.J. (2000): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 528-529.
•    https://en.wikipedia.org/wiki/Tricholoma_colossus
(abgerufen am 19.10.2023).
•    https://www.pilz-baden.ch/galerie/deutsch/ritterling-131/riesen-ritterling-370
(abgerufen am 24.10.2023).
•    https://fundkorb.de/pilze/tricholoma-colossus-riesenritterling


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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