Interessante Pilz- und Flechtenfunde 119 – Jeckers Punktflechte

Begonnen von Bernd Miggel, März 09, 2024, 08:18:23 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Jeckers Punktflechte Punctelia jeckeri

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Fachbegriffe und Abkürzungen siehe unten bei ,,Erläuterungen".


Bild 1 - Punctelia jeckeri.jpg
Bild 1 – Punctelia jeckeri auf Apfelbaumrinde. Foto: Stefan Miggel.


Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Die hier vorgestellte Punctelia jeckeri fanden wir an einem Apfelbaumstamm auf einer Streuobstwiese bei Karlsbad-Spielberg in Baden-Württemberg. Sie bildete eine eindrucksvolle Rosette von 30 mm Durchmesser. Die Art gehört zu den sorediösen, epiphytischen Blattflechten mit grauem Lager. Man findet sie generell auf der Rinde von Laubbäumen.

Bild 2 - Punctelia jeckeri, Detail1, 800x.jpg
Bild 2  – Die kreis- bis kurzstrichförmige Sorale entwickeln sich aus punktförmigen Pseudocyphellen, der Lappenrand ist bräunlich. Foto: Stefan Miggel.


Morphologische Merkmale (nach KIRSCHBAUM & WIRTH 2010)

Graue bis grünlichgraue Blattflechte mit relativ großen Lappen. Lager bestehend aus bis zu 50 mm breiten Rosetten. Lappen bis 7 mm breit, an den Rändern gewellt, aufsteigend und ganz am Rande bräunlich. Aus punktförmigen Pseudocyphellen entwickeln sich kreisförmige und kurzstrichförmige Sorale (Bild 2) sowie an den Lappenrändern Bortensorale (Bild 3). Die Lager-Unterseite ist hellbräunlich und mit Rhizinen besetzt, wobei der Rand rhizinenfrei bleibt.

Bild 3 - Punctelia jeckeri, Detail3, 800x.jpg
Bild 3  – Hier zusätzlich rechts ein Lappen mit Bortensoralen. Foto: Stefan Miggel.


Vermehrung
Geschlechtliche Vermehrung erfolgt über Ascussporen der Apothecien, wobei sich Apothecien bei P. jeckeri allerdings nur sehr selten bilden. Ungeschlechtliche Vermehrung erfolgt über Soredien, die sich an den Soralen bilden und vom Wind verweht werden.

Bild 4 -  Sorale mit Soredien, 800x.jpg
Bild 4  – Sorale mit Soredien, letztere kleiner als 0,1 mm. Foto: Stefan Miggel.



Farbreaktionen (K: Kalilauge 10-20%, C: Natrium-Hypochlorit, KC: erst K dann darauf C, P: para-Phenylendiamin):
Rinde K+ gelb, Mark K-, C-, C+ rot, KC+ rot, P-.

Ähnliche, sorediöse Flechtenarten (nach KIRSCHBAUM & WIRTH 2010)
•    Die Gefleckte Punktflechte (Punctelia subrudecta) ist rein grau und besitzt keine Bortensorale.
•    Borrers Punktflechte (Punctelia borreri) besitzt sehr breite, dam Substrat anliegende, an den Enden regelmäßig gerundete Lappen ohne bräunlichen Rand.
•    Die Furchen-Schüsselflechte (Parmelia sulcata) besitzt ein netzig-gratartiges Pseudocyphellennetz.

Literatur
•    KIRSCHBAUM, U. & WIRTH, V. (2010): Flechten erkennen – Umwelt bewerten: 165-166.
•    FRAHM, J.-P., SCHUMM, F., STAPPER, N.J. (2010): Epiphytische Flechten als Umweltgütezeiger: 147-148.
•    Wirth, V. et al. (2011): Rote Liste der Flechten und flechtenbewohnende Pilze Deutschlands.
•    https://en.m.wikipedia.org/wiki/File:Punctelia_jeckeri_-_Jeckers_Punktflechte_-_01.jpg
(abgerufen am 8.3.2024).


Erläuterungen
Erläuterungen - Apothecium mit Lagerrand (lecanorin), Arial28,34 Linien5, deutsch, 600x.jpg
Bild 5 – Schematischer Aufbau eines Apotheciums mit Lagerrand (Längsschnitt). Zeichnung: Aerguli Jamahate, Abudulla Abbas, Lecideine-lecanorine apothecia, Ausschnitt und Beschriftung von B. Miggel, CC BY-SA 4.0

•    Apothecium: (pl. Apothecien) offene schüssel-, scheiben- oder becherförmige Fruchtkörper vieler Flechtenarten (gibt es auch bei vielen Schlauchpilzarten)
•    Apothecienfläche: Oberfläche der Apothecien innerhalb des Apothecienrandes
•    Apothecienrand: äußere Berandung des Apotheciums
•    Blattflechten: Flechten mit blätterförmigem Lager
•    C+/C-: pos./neg. Farbreaktion mit  Calcium- oder Natriumhyphchlorit-Lösung
•    Eigenrand:  Apothecienrand, wenn dieser in gleicher Farbe wie die Apothecienscheibe ist.
•    epiphytisch: Gehölze bewohnend
•    Flechten: Lebensgemeinschaft zwischen Pilz und Grün- und/oder Blaualge
•    K+/K-: pos./neg. Farbreaktion mit Kalilauge
•    KC+/KC-: pos./neg. Farbreaktion zuerst mit Kalilauge, direkt danach mit Calcium- oder Natriumhyphchlorit-Lösung
•    Krustenflechten: krustenartig das Substrat überwachsende Flechten (Flechten mit krustenförmigem Lager)
•    Lager: Vegetationskörper der Flechte
•    Lagerrand: Apothecienrand, wenn dieser eine andere Farbe besitzt als die Apothecienscheibe.
•    Lappen: ± flächige, oft langgestreckte, Lagerabschnitte der Laub- und vieler Strauchflechten
•    Loben: siehe Lappen
•    P+/P-: para-Phenylendiamin-Lösung (giftig), für makrochem. Farbreaktionen
•    Pseudocyphellen: Sich auf der Flechtenoberfläche entwickelnde weißliche, punkt- bis strichförmige oder netzförmige Durchbrechungen der Rinde, dem Gasaustausch dienend. Hier können Sorale entstehen.
•    Rhizinen: längliche, der Haftung auf dem Substrat dienende Organe an der Unterseite von Blattflechten
•    Sorale: Organteile der Flechten, auf denen sich die Soredien entwickeln (Lippensorale, Kopfsorale, Helmsorale...)
•    Soredien: körnchenartige, sehr kleine Klümpchen, die Pilzhyphen und Algen enthalten und – vom Wind verweht - der vegetativen Vermehrung der Flechte dienen.
•    sorediös: Soredien enthaltend
•    Strauchflechten: Flechten mit strauchförmigem Lager
•    Thallus: siehe Lager


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd


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