Hallo Polinteressierte,
bei früheren Treffen, zuletzt in Emden, hat Horst Binder über seine Untersuchungen berichtet. Dabei geht es um die gezielte Mischung von Substanzen, die aus einer abgekühlten Schmelze nach spezieller Präparation besondere, reproduzierbare Strukturen bilden.
Als Nicht-Chemiker hat mich der ästhetische Aspekt interessiert. Freundlicherweise hat mir Herr Binder einige Klümpchen eines gelartigen Stoffes überlassen. Ein paar Ergebnisse mit diesem möchte ich hier zeigen, weil sie doch recht ungewöhnlich sind. Alle Bilder wurden mit dem Objektiv 10x aufgenommen; Hilfsobjekte sind vermerkt:
1. Kurz nach der Präparation erscheinen winzige Spindeln, die schnell größer werden; Pol. fast parallel:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/48355_30834770.jpg)
2. Dieselben mit Pol. gereuzt:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/48355_56266055.jpg)
3. Zusätzlich zum erheblichen Wachstum bilden die Spindeln auch Sterne; dazu kommen auch andere Kristallformen - je nach Präparation:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/48355_25206912.jpg)
4. Aus einer Spindel ergab sich diese hübsche Anordnung:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/48355_26850445.jpg)
Ich werde die Präparate noch länger beobachten.
Viel Spaß beim Betrachten!
Guten Tag Herr Hippe,
beeindruckende Fotos. Das Bild Nr. 4 gefällt mir besonders gut.
Gruß
Hans-Jürgen Koch
Hallo Herr Hippe,
diese Fotos lassen mein Fotografenherz höher schlagen ;).
Herzliche Grüße
Frank Fox
Zitat von: FrankF in Oktober 04, 2010, 12:17:27 NACHMITTAGS
diese Fotos lassen mein Fotografenherz höher schlagen ;).
...und meins erst, wo ich doch ein polarisiertes habe! ;D
Wunderschön, lieber Ernst!!
Viele Mikrogrüsse
Bernhard
Hallo,
als bekennender Anhänger der Pola-Mikroskopie (ohne Ansprüche und größeres Wissen von der Chemie) : Hinreißende, schöne Bilder!
Was ist das für´n geheimnisvolles Gel? Oder soll´s ein Geheimnis bleiben? ;)
Viele Grüße
Herbert
Hallo Herbert,
leider kenne ich das Rezept nicht, das weiß nur der Erfinder...
Lieber Ernst,
wunderschönes Gel, das so kristallisiert!
Ich hatte aber in Erinnerung, dass er die wochenlang temperieren muss, damit sie so schön kristallisieren?
Bei Dir hört sich das nach 5-Minutenterrine an: umrühren - färtich!
Kannst Du am Samstag was mitbringen?
Polarisierte Grüße
Klaus
Lieber Klaus,
die Spindelbildung beginnt etwa 30 Min. nach der beendeten Schmelze. Dann wachsen die Spindeln einige Stunden schnell und einige Tage langsam, bis ein großes Gewirr entsteht, teilweise auch mit anderen Formen, z.B. wie auf dem folgenden Bild. Temperiert habe ich nicht. Mit oder ohne Deckglas spielt auch eine Rolle.
Ich bringe am Samstag was mit.
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/48404_57591588.jpg)
5 Stunden alt, Obj. 6,3x.
...und hier noch ein Bild von Horst Binder, nach seiner vollständigen Methode erstellt:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/48407_12444897.jpg)
Vielleicht schaffe ich das auch noch...
Lieber Ernst,
Zitatund hier noch ein Bild von Horst Binder, nach seiner vollständigen Methode erstellt:
man muss einfach anerkennen, dass es immer noch was Besseres, Schöneres, Größeres, Schärferes... usw gibt.
Aber der Weg ist das Ziel und wir haben doch alle Freude auf dem Weg dahin, auch wenn wir noch nicht angekommen sind! :D
Wer immer strebend sich bemüht...
Bis Samstag!
herzlich Klaus
Hallo Ernst,
ich bin beeindruckt von den Bildern und denke gleich an die Reinheit der Physik und der Mathematik, die uns so etwas vollkommenes bietet.
Aber welche technische Anwendung haben diese schön anzusehenden Strukturen?
Herzliche Grüße
Winfried
Hallo Ernst,
und wenn die Bilder keinen anderen Zweck hätten als diesen einen:
Sie sind eine Wucht! In jeder Hinsicht perfekte Kompositionen von geradezu berückender Schönheit.
Selbst wenn es "nur" dies wäre, sie hätten jede denkbare Existenzberechtigung.
Ein abstrakte Komposition von Kandinsky analysiert man ja auch nicht nach mathematischen Methoden, selbst wenn´s möglich ist.
Viele, bereicherte Grüße
Herbert
Hallo Herbert,
danke für dieses Plädoyer! Und allen anderen auch für die Anerkennung!
Nun habe ich das Originalrezept endlich richtig befolgt, so daß auch die Schichtlinien in den Spindeln gut zu sehen sind (wieder mit Obj.10x):
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/48442_49015967.jpg)
Schöne Bilder, aber WAS ist das für eine Substanz? Reinstoff oder Gemisch? Gibt es Informationen zu den Spindeln? Spezielle Modifikation?
Nur weils toll aussieht, finde ich irgendwie ein wenig sinnlos. Aber das ist nur meine Meinung.
ZitatNur weils toll aussieht, finde ich irgendwie ein wenig sinnlos. Aber das ist nur meine Meinung.
Der Herr Binder arbeitet in einem großen Chemiekonzern mit diesen kristallisierenden Gelen. Die werden kein Geld ausgeben, wenn nicht ein Anwendungsnutzen dahinter steckt! Dass das auch noch schön ist dürfte ein nicht beabsichtigter Nebeneffekt sein!
Eine der von ihm verwendeten Temperierkammern kostet mehr, als viele für ihr Mikroskop ausgegeben haben!
Ich habe auch nicht bezweifelt, dass es für den Herrn einen Nutzen hat.
Trotzdem würde mich interessieren um WAS genau es sich denn hier nun handelt, darum ging es mir mit meinem Post.
Es ist jedenfalls ein Gemisch mehrerer Substanzen. Näheres hat der Erfinder leider bisher nicht preisgegeben.
Hallo liebe Polfreunde,
eigentlich hatte ich nicht vor, mich in die laufende Diskussionen einzumischen. Ich möchte aber kurz einige klärende Worte sagen. Bei den Internationalen Mikroskoptagen in Emden wurden diese Systeme erstmals von mir vorgestellt. Ebenfalls etwas Theorie und eine spezielle Präparationstechnik zur Herstellung dieser Strukturen. Wie mir Prof. Kauer mitteilte, wird der Vortrag fast vollständig ins Netz gestellt. Aufbauend auf dieser Technik, die aus thermodynamischen Gründen ,,nur" zu sog. Supergittern mit geringer Schichtanzahl führen können, wurde dort auch die aktuellste Entwicklung gezeigt. Es ist eine hochkomplexen 3D-Strukturierungsmethode, die ebenfalls zu optisch netten, bisher nicht bekannten Strukturen führt. Und genau das ist mein Ziel: Strukturen zu erzeugen, die in Form und Farbe eine Identität haben. Die uns erfreuen und uns zum Nachdenken anregen. Mehr wird nicht gefordert. Irgendeine wirtschaftliche Verwertung verfolge ich nicht, lehne ich auch ab. Dafür bin ich bereit, viel Zeit und Geld zu investieren.
Also: Warten wir geduldig ab, was Prof. Kauer demnächst ins Netz stellt. Und der Mikrokosmos braucht vermutlich auch etwas Unterstützung.
Gut Licht
Horst B.
Ich kann mir nicht verkneifen, noch ein Bild nachzuschieben. Es gefiel mir besonders gut und illustriert die Anmerkungen von Horst Binder sehr schön. Dieses Mal mit Obj. 20x aufgenommen:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/48829_29564164.jpg)
Also dann, noch viel Spaß!
Lieber Ernst,
das ist wieder mal ein Knüller - immer wieder schön wie die Polarisation Farben hervorzaubert.
Liebe Grüße
Regi
Schönen Abend.
Das Bild gefällt mir wohl auch. Aber darf ich mal fragen, woher man weiß, dass diese Spindeln kristallin sind? Nicht dass das ihren Reiz schmälerte...
Ole
Hallo Ole,
ganz klar ist mir das auch nicht. Sie wachsen aber genau so wie Kristalle und sind doppelbrechend. Horst Binder nennt sie "Eutektone". Nur er könnte genaueres dazu sagen.
Jetzt habe ich gerade nochmal die frühren Beiträge gelesen, und nun bin ich verwirrt: Wachsen die Spindeln nun in einem Gel oder einer Schmelze? Und darf das Rezept preisgegeben werden?
Ole
Das Ausgangsmaterial ist gelartig und wird geschmolzen. Die glasklare Schmelze wird nach dem Abkühlen etwas gequetscht und schiebend gezerrt durch ein aufgelegtes Glas, das dann wieder abgehoben wird. Dann bilden sich in der unterkühlten Schmelze bald diese Spindeln und wachsen in wenigen Tagen auf bis zu 2mm Länge. Viele werden aber nicht so groß, wie auch die zuletzt gezeigten.
Das Rezept kenne ich nicht, es besteht jedenfalls aus mehreren Komponenten.
Liebe Polfreunde,
nun muß ich Herrn Hippe mit seinen farbtriefenden Fotos meine Anerkennung aussprechen. Spitzenklasse!
Bei den gezeigten Bildern handelt es sich typische Schichtstrukturen, die in Phasensystemen entstehen können. Dabei stapeln sich die Moleküle – je nach Mischung- in verschiedenen Varianten aufeinander. Dafür gibt es zahlreiche beschriebene Beispiele.
Stichworte sind : Calamitische Kristalle, smektische Phasen.
Damit dürfte auch die Frage der Zusammensetzung weitgehend geklärt sein. Da wir dort keine Fernordnung der Moleküle haben, sind es keine Kristalle im klassischen Sinne. Ich nenne diese Strukturen daher Quasikristalle. Diejenigen von uns, die den einen oder anderen Vortrag vom mir anhören mussten, wissen, dass ich mit speziellen Mischungen arbeite und diese Vorträge mit erheblichen technischen Aufwand vorbereite. Daher bitte ich um Verständnis, dass gewisse ,,Kleinigkeiten" nicht immer erwähnt werden.
Gut Licht wünscht Horst B.
Hallo Horst,
ZitatDiejenigen von uns, die den einen oder anderen Vortrag vom mir anhören mussten
ehrlich gesagt so eine richtige Zumutung waren Deine Vorträge eigentlich nicht - mit 2 bis 3 doppelten Cognacs habe ich die Frustration, dass die Bilder nicht von mir stammen, immer gut im Zaum halten können ;) :D
Wie eigentlich immer bei Herrn Hippe: WAHNSINNSBILDER :) :) :) Herzlichen Dank.
Noch ein paar Bemerkungen zu den Objekten:
Mit smektischen Phasen ("Flüssigen Kristallen") setzt man sich ja schon sehr lange auseinander und heute spielen sie ja eine überragende Rolle bei technischen Produkten (Flachbildschirme etc.). Einer der ersten, der praktisch sein ganzes Lebenswerk diesen eigenartigen Phänomenen gewidmet hat, war der Physiker und Mineraloge Otto Lehmann:
http://www.histech.org/00009_00084_otto_lehmann___fluessige_kristall.htm
Seine Publikationen über die flüssigen Kristalle sind sehr interessant und manchmal ziemlich philosophisch, aber auch sehr agressiv gegen diejenigen Kollegen, die seinen Ergebnissen kritisch gegenüber standen. Eine bebilderte Publikation über einen Vortrag über Flüssigkristalle findet man hier:
ftp://ftp.min.rub.de/pub/Medenbach/Forum/Lehmann,%201910/ (ftp://ftp.min.rub.de/pub/Medenbach/Forum/Lehmann,%201910/)
Natürlich sind die Abbildungen nicht so schön wie die von Herrn Hippe, aber es gibt auch andere schön kolorierte Publikationen von Lehmann, die ich aber z.Zt. nicht als Kopie zur Hand habe. Auf Wunsch kann ich die aber auch gerne abfotographieren und einstellen.
Für seine Untersuchungen hat Lehmann zahlreiche spezielle Mikroskope entwickelt, die vor allem von den Firmen Voigt & Hochgesang in Göttingen (später von Dr. Steeg & Reuter in Bad Homburg übernommen) und Zeiss gebaut wurden. Sie sind sehr exotisch mit angebauten Mikro-Bunsenbrennern (Gasführung in Stativfuß!) für die Erhitzung der Phasen, Wasserkühlung für die Objektive und spezieller Lichtführung zur Erzeugung polarisierten Lichts ohne wärmeempfindliche Polarisationsprismen zu benutzen. Hier sieht man ein solches "Lehmannsches Kristallisationsmikroskop" von Voigt & Hochgesang nebst den zugehörigen Präparaten:
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures006/48885_43266216.jpg)
(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures002/48885_29010755.jpg)
Herzliche Grüße,
Olaf
Hallo Olaf,
vielen Dank für die interessanten Links! Ich hatte inzwischen auch etwas gegugelt und über diese Zusammenhänge mit den Flüssigkristallen gelesen, alles in allem doch eine sehr komplexe Materie. Die beiden letzten Links konnte ich bisher nicht aufrufen. Aber mir fehlen auch die chemischen Grundlagen für ein genaueres Studium, und so bleibt es hauptsächlich bei der Ästhetik. Vielleicht ist sie ja manchen etwas zu bunt ("farbtriefende Fotos"), trotzdem Herrn Binder nochmal großen Dank für die unscheinbaren Gelklümpchen!