Selbstorganisierte Reinigung von lebenden Diatomeen

Begonnen von bernd552, April 06, 2018, 20:52:47 NACHMITTAGS

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bernd552

Hallo in die Runde,

da jetzt Tümpelzeit ist, habe ich mich auch daran versucht und eine für mich neue Eigenschaft von lebenden Diatomeem festgestellt.

Ich habe eine recht große "Pfütze" auf dem Objektträger plaziert und die zum Boden sinkenden Diatomeen eine Zeitlang beobachtet. Beim Neigen des Mikroskopes (ich bin aktuell im Thema unterwegs "Strömungsverhalten von Diatomeen und Verunreinigungen in einer FFF Zelle) wollte ich das Strömungsverhalten der Partikel ansehen und dabei fiel mir auf, dass viele Diatomeen sich - je nach Strömungsrichtung - wie ein Uhrzeiger drehten aber ortsfest blieben und die meisten anderen Bestandteile sich mit der Strömung bewegten.

Also, aus zwei Objektträgern ein Miniaquarium gebastelt, luftblasenfrei mit Tümpelwasser gefüllt und für einige Minuten ruhig liegend in die Sonne gestellt, damit die beweglichen Diatomeen Zeit finden um sich am Boden festhalten können. Dann das Aquarium sehr langsam um 180° gedreht, damit die Hauptmenge an toten Material auf der Gegenseite sedimentiert und das Aquarium unter Wasser und unter Vermeidung von Turbulenzen vorsichtig geöffnet.

Tatsächlich gab es auf diese Weise eine gewisse - wenn auch nicht vollständige - Seperation von Diatomeen vom "Hauptdreck". Ich schätze mal, in Gegenwart von Detergenz wäre das Ergebnis noch besser (sehr kleine Partikel haften neben / auf  den lebenden Diatomeen).

Für mich wäre es interessant im REM zu sehen, wie sich lebenden Diatomeen am Untergrund festhalten. Wenns etwas interessantes zu sehen gibt, poste ich die Bilder hier.

Sicherlich ist das quick and dirty Schnell-Verfahren für die Profis hier ein "alter Hut" aber für mich als Diatomeenneuling ist es sehr spannend. ;)

LG
Bernd


Bob

Hallo Bernd,

verstehe ich das richtig, dass es sich um lebende Diatomeen handelte?


Viele Grüße,

Bob

bernd552

Hallo Bob,

ja, vom Trenn-Prinzip müssen sich die Diatomeen am Gefäßboden festhalten können.

LG
Bernd

hebi19

Zitat von: bernd552 in April 06, 2018, 20:52:47 NACHMITTAGS
Also, aus zwei Objektträgern ein Miniaquarium gebastelt, luftblasenfrei mit Tümpelwasser gefüllt und für einige Minuten ruhig liegend in die Sonne gestellt,
.....................
Für mich wäre es interessant im REM zu sehen, wie sich lebenden Diatomeen am Untergrund festhalten.

Hallo Bernd

Ein "Wassertropfen" unter 1 ml "einige Minuten an der Sonne" - das ist ja fast Sonnenkollektor-Qualität. Lebt denn da überhaupt noch etwas??

Und lebende Organismen im REM wäre für mich auch neu - wie halten die denn das Vakuum und die Elektronenbeschießung aus??

Diatomeen "kriechen" auf dem Untergrund, indem sie vorne eine Schleimhülle aufbauen und hinten wieder einsaugen...nähere Beschreibung häufig im Netz. Bewegung ähnlich eines Rauepnschleppers. So kann man Diatomeen-haltigen Schlamm mit einem dünnen Stofftuch abedecken und warten bis die Diatomeen ohne Schmutz durch das Tuch gekrabbelt sind. Aber für genug Wasserstand sorgen und eher im Schatten aufstellen, damit sich die Probe nicht zu stark erwärmt und die Diatomeen absterben.

Den Kriechvorgang im REM anzusehen halte ich für bio-physikalisch unmöglich.

Sonntägliche Schönwetter-Grüße
Martin
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

plaenerdd

Hallo Martin,
Zitat von: hebi19So kann man Diatomeen-haltigen Schlamm mit einem dünnen Stofftuch abedecken und warten bis die Diatomeen ohne Schmutz durch das Tuch gekrabbelt sind.
Klingt sehr einleuchtend. Kannst Du die Sorte Tuch etwas genauer beschreiben oder einen Link zu soetwas setzten. Kann mir unter einem "dünnen Softtuch" nicht wirklich etwas vorstellen. Sind das solche Mikrofaserfücher. Die Maschenweite wäre sicher interessant, damit auch die etwas größeren Diatomeen durchpassen. Und wie bekommt man die dann geschickt auf den OT?
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Dr. Jekyll

Hallo Bernd,

Auch ich habe den Eindruck, dass Du die Möglichkeiten deines REM überschätzt.
Lebende Diatomeen wirst Du mit einem Elektronenmikroskop wohl kaum betrachten können.
Beste Grüße
Harald

hebi19

#6
Zitat von: plaenerdd in April 08, 2018, 17:02:03 NACHMITTAGS
Kannst Du die Sorte Tuch etwas genauer beschreiben oder einen Link zu soetwas setzten. Kann mir unter einem "dünnen Softtuch" nicht wirklich etwas vorstellen.

Hallo Gerd

Jetzt bin ich schon einiges meiner Bücher durchgeblättert, finde aber die passende Stelle nicht. In meinem Streble/Kauter (7. Auflage) ist auf Seite 49 das "Kriechen" beschrieben.
So weit ich mich erinnere war in der betreffenden Stelle mit der "Reinigung durch Durhckriechen von Stoff" von einem "normalen Stofftaschentuch" die Rede.....ich weiß aber nicht mehr genau, wo das stand.

Martin

p.s.:  ach ja - unters Mikroskop durch einfaches abpipettieren

edit: Ergänzung
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

Detlef Kramer

Also, dass Bernd das Kriechen im REM beobachten möchte, hat er überhaupt nicht behauptet. Er hofft lediglich irgend etwas Strukturelles zu finden, was mit dem Kriechen zu tun haben könnte. So habe ich es jedenfalls verstanden. Der Bewegungsmechanismus der Diatomeen ist seit Urzeiten in Diskussion und bis heute nicht wirklich abschließend geklärt. Das Kriechen auf der Schleimspur ist der Mechanismus der Desmidiaceen. Da ist es gut aufgeklärt, zuletzt durch einen wirklich guten Artikel von Wolfgang Bettighofer im Mikrokosmos, irgendwann nach 2000. Bei den Diatomeen funktioniert das anders. Aber wie genau?

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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bernd552

Hallo in die Runde,

Zitat von: Dr. Jekyll in April 08, 2018, 17:56:21 NACHMITTAGS
Auch ich habe den Eindruck, dass Du die Möglichkeiten deines REM überschätzt.
Lebende Diatomeen wirst Du mit einem Elektronenmikroskop wohl kaum betrachten können.

ich habe mich wohl falsch zwei mal falsch ausgedrückt, nein ich habe kein Niedervakuum-REM (mit dem eine Lebendbeobachtung in der Tat möglich wäre), gemeint war mit "lebend" die Trennung / Reinigung vom Hauptschmutz, in dem die lebenden Diatomeen durch festhalten am Objektträger die eigentliche "Trennarbeit" verrichten - im weitersten Sinne ähnlich zur Martins Stofftuchktechnik.
Unter dem REM will ich die nativen, d.h. nicht oxidierten Diatomeen mit der Schleimhülle am Objektträger haftend anschauen, ... ich meine, dass Wilfried hier solch ein REM-Bild gezeigt indem er  Diatomeen lebend über ein Deckglas "spazieren" ließ und so im Bild zeigte, wie sich eine Diatomee mit der Schleimhülle punktuell am Untergrund festhält.

Zitat von: hebi19 in April 08, 2018, 15:01:54 NACHMITTAGS
Ein "Wassertropfen" unter 1 ml "einige Minuten an der Sonne" - das ist ja fast Sonnenkollektor-Qualität. Lebt denn da überhaupt noch etwas??
Mein beschriebenes Miniaquarium bestehend aus zwei Objektträgern hat ca. 20 ml Volumen, bei 20°C Lufttemperatur und auf dem Boden liegend erwärmt sich das Wasser in wenigen Minuten marginal mehr als in einer Pfütze .... und von < 1 ml habe ich eigentlich nichts geschrieben.

Aber das mit dem Stoff finde ich sehr interessant, ... wie lange benötigt wohl eine Diatomee, um das Mehrfache ihrer Körperlänge senkrecht durch eine dicht-faserige Stoffoberfläche hoch zu steigen?

LG
Bernd

bernd552

ups,

Detlef, habs jetzt erst gemerkt, da haben sich unsere Beiträge gekreuzt.

LG
Bernd

Dr. Jekyll

Hallo Bernd,

Wie schnell die Diatomeen sich bewegen kann ich nicht genau sagen, aber sie sind flott😄
Ich bin immer wieder erstaunt wie schnell sich manche Arten fortbewegen. Bei Gelegenheit werde ich es einmal ermitteln. Die Strecke durch ein Stofftaschentuch dürften sie aber in wenigen Minuten hinter sich bringen.
Beste Grüße
Harald

wilfried48

Zitat von: bernd552 in April 08, 2018, 21:17:18 NACHMITTAGS
ich habe mich wohl falsch zwei mal falsch ausgedrückt, nein ich habe kein Niedervakuum-REM (mit dem eine Lebendbeobachtung in der Tat möglich wäre), gemeint war mit "lebend" die Trennung / Reinigung vom Hauptschmutz, in dem die lebenden Diatomeen durch festhalten am Objektträger die eigentliche "Trennarbeit" verrichten - im weitersten Sinne ähnlich zur Martins Stofftuchktechnik.
Unter dem REM will ich die nativen, d.h. nicht oxidierten Diatomeen mit der Schleimhülle am Objektträger haftend anschauen, ... ich meine, dass Wilfried hier solch ein REM-Bild gezeigt indem er  Diatomeen lebend über ein Deckglas "spazieren" ließ und so im Bild zeigte, wie sich eine Diatomee mit der Schleimhülle punktuell am Untergrund festhält.

Hallo Bernd,

du meinst wohl diesen Beitrag:
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=29022.msg216371#msg216371

Da waren die Diatomeen natürlich im REM nicht mehr lebend. Sie wurden nur aus einer Lebendprobe fixiert und nicht weiter
mit harter Chemie aufbereitet , wie das bei fossilen Diatomeen notwendig wäre.

Wie das ganze in einem ESEM unter dem Dampfdruck des Wassers aussieht müsste man mal ausprobieren.
Also lebende Kellerasseln wurden schon im ESEM abgebildet. Einige Minuten halten die das aus bis sie unter dem Elektronenstrahl allein schon durch die lokal erzeugte Röntgendosis das zeitliche segnen.
Bei Diatomeen dürfte das schwieriger sein, da man ja ausser der Wasseroberfläche nichts sieht solange sie noch gut mit Wasser bedeckt sind und wenn man den Wasserpartialdruck absenkt schwierig ein Gleichgewicht einszustellen ist, bei dem die Oberfläche gerade noch mit wenigen Atomlagen benetzt ist.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
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Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

bernd552

Hallo Wilfried,

danke für den Link, genau diese Bilder (die zwei letzten) meinte ich.

Jetzt kann ich es auch nachvollziehen, warum sich meine länglichen am Boden festhaltenden Diatomeen je nach Wasserströmung uhrzeigermäßig um einen Drehpunkt am D. Anfang bzw. Ende gedreht haben, sie heften sich wohl nicht mit der Schleimhülle auf ihrer ganzen Länge fest.

Vielleicht funktioniert die Fortbewegung durch einen Minimaleinsatz der Haftpunkte/Haftfläche?

Die Natur ist ja mit Material - und Energieeinsatz sehr sparsam und effektiv, eine punktuelle Anhaftung käme dem Prinzip näher als eine vollflächige?

Da wissen die Experten hier sicherlich mehr.

LG
Bernd

hebi19

Ich habe die Stelle mit dem Durchkrabbeln der Diatomeen gefunden.

Braune, Leman, Taubert //  Praktikum zur Morphologie und Entwicklungsgeschichte der Pflanzen
1. Auflage, 1976 - Seite 117:

...Besonders bequem ist das Auflegen eines feuchten Leinentuches auf die in einem Teller ausgebreitete Probe : Schon nach wenigen Stunden kriechen die Diatomeen durch das Tuch und bilden braune Flecken, die leicht weiter zu behandeln sind.

Gruß
Martin

Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

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Inverses: Willovert mit Ph