Auflösung - Apertur oder Farbe ?

Begonnen von peter-h, Mai 16, 2014, 15:56:55 NACHMITTAGS

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Holger Adelmann

#15
Guten Morgen in die Runde!
Wie ist am Sonntag Morgen der Appetit auf noch etwas mehr Theorie?  ;D

Nachdem Abbe 1882 die durch seine Arbeiten an der Auflösung von Linien empirisch bestätigte Formel d = λ / (NA Obj. + NA Kond.) publiziert hatte,
hat der Engländer Lord Rayleigh später in den 1880er Jahren ein nach ihm benanntes Auflösungskriterium (Rayleigh-Kriterium) publiziert ,
welches auf die Arbeiten von Airy zurückgeht, und für selbstleuchtende oder inkohärent beleuchtete Objekte gilt.

Airy hatte gefunden, dass ein Punkt durch das Mikroskop-Objektiv als ein Scheibchen abgebildet wird (das nach ihm benannte Airy-Scheibchen),
welches ein helles Zentrum und einen Rand mit abfallender Intensität hat.
Rayleigh hat nun gefolgert, dass zwei Punkte, die vom Beobachter am Okular noch als zwei getrennte Punkte erkennbar sein sollen,
mindestens durch den Radius der Airy-Scheibchen separiert sein müssen (Bild 1 unten soll das verdeutlichen).

Modellrechnung: Bei einem Objektiv 100/1,30 und einem Airy-Scheibchen Radius von 0,26 µm beträgt nach dem Rayleigh-Kriterium die max. mögliche sichtbar aufgelöste Distanz zwischen zwei Punkten
(bei der Annahme von grünem Licht von 0,55 µm):

1,22λ / (NA Obj. + NA Kond.)

[1,22x0,55 / (1,3+1,3)]
Die vom Rayleigh-Kriterium, basierend auf den Airy-Scheibchen, angegebene max. Auflösung ist also 1,22x kleiner als die nach der Abbe Formel zu erwartende.
Das Beugungsbild eines Punktes ist ein konzentrisches Airy-Pattern (s. Bild1 und Bild2 unten), und nur das innere Maximum nennt man Airy-Scheibchen.
Der Intensitätsverlauf des Beugungsbildes wird mathematisch durch eine Bessel-Funktion beschrieben, damit hat man den Radius des Airy-Scheibchen auf die Distanz 0 bis zur 1. Nullstelle festgelegt
(Mittelpunkt bis zur roten Linie in Bild 2).

Da Objektive mit kleinerer Gesamtvergrösserung auch kleinere Airy Scheibchen liefern (was sich nach dem Gesagten ja positiv auf die zu erzielende Auflösung auswirkt),
haben die Mikroskophersteller versucht, einen möglichst guten Kompromiss zwischen einer etwas niedrigeren Gesamtvergrösserung als 100x bei max. Auflösung (meist 1,3 - 1,4) zu entwickeln.
Dies ist der Grund warum heute das beliebte Objektiv 63:1/1,4 existiert, bei dem diese Bedingungen offenbar optimal erfüllt sind.

Aufgrund der in Bild3 zu sehenden Intensitätsverteilung konnte das AVEC-Videokontrast Verfahren nach Allen durch eine weitergehende Kontrastseparierung benachbarter Maxima
die praktisch erzielbare Auflösung unter Verwendung einer s/w Kamera mit hoher Dynamik im hellen Bereich nochmals um den Faktor 2 steigern.

Herzliche Grüsse,
Holger

Bild 1


Bild2


Bild 3




peter-h

#16
Guten Morgen Holger,

das war eine sehr schöne Vorlage für mich, denn so kann man ganz sicher den Einfluß von Kondensor-Apertur und Beleutungswellenlänge zeigen. Mein Objekt ist ein kleines versilbertes Plättchen mit vielen Minilöchern.



Schönen Sonntag und Grüße
Peter

Frank D.

Lieber Holger, lieber Peter,

in zwei ausgezeichneten Beiträgen habt ihr kurz und knackig das vermittelt, wofür ich damals, zu "Astronomischen Zeiten", auch astronomische Zeiten gebraucht habe, das "Auflösungsvermögen optischer Systeme" halbwegs zu verstehen.

Eine Frage hätte ich noch: Welche Parameter sind warum für den Faktor 1,22 verantwortlich?
Da er z.B. in dem Sterne & Weltraum Buch "Tips & Tricks für Sternfreunde" nur am Rande erwähnt wurde (... Praktische Beobachtungen zeigen, dass die so ermittelten Werte mit dem Faktor 1,22 multipliziert bzw. dividiert werden müssen, um praktisch brauchbare Werte zu erhalten ...), hatte ich diesen Wert einfach so hingenommen.
Er ist also nicht variabel und hat auch nichts mit den Objektivdaten zu tun?

Herzliche Grüße
Frank

Holger Adelmann

#18
Danke für die Blumen, lieber Frank.

ZitatWelche Parameter sind warum für den Faktor 1,22 verantwortlich?

Der Faktor 1,22 ist nicht allzuschwer herzuleiten, er ergibt sich aus der mathematischen Modellierung des Airy-Patterns mittels einer 2D-Bessel-Funktion, wie ich zuvor kurz angemerkt hatte.

Die erste Nullstelle der rotationssymmetrischen 2-dimensionalen Besselfunktion J1(x)/x ist ja als Rand des Airy-Scheibchens definiert, sie liegt bei X = 3,83
In Polarkoordinaten heisst das: sin(theta) = 3,83λ/2piR

Nach Rauskürzen von pi ergibt das 1,22λ/(2R)

@Peter: Schöne direkte Umsetzung der Theorie - ganz herzlichen Dank!  ;)

Herzliche Grüsse,
Holger



Holger Adelmann

Yep - danke Stefan, schöne Abbildung!
Das war wieder ein schönes Forum Teamwork  ;)

H.