Suche Digitalmikroskop mit langem Arbeisabstand durch eine Glasscheibe

Begonnen von mikromeister, April 25, 2024, 13:02:01 NACHMITTAGS

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mikromeister

Hallo,

ich habe heute eine ungewöhnliche Aufgabe wo ich um Euren Rat bitten möchte.
Durch die 4mm Glasscheibe einer Arbeits-Box hindurch muss ich ein Objekt fotografieren. Die Kamera und Beleuchtung ist also aussen, das Objekt innen.
Das Objekt ist ein hochglänzendes Rohr mit ca 8mm Durchmesser und 120mm Länge, am Ende verschlossen.
Fotografieren möchte ich die innere Stirnseite mit einer Auflösung von idealerweise 5µ/Pixel.
Autofokus wäre schön.

Mir ist klar, dass das ganze eine ziemlich üble Sache ist. Alles voller Reflexe, Arbeitsabstand ca. 150mm, Beleuchtung schwierig.

Wir haben einen Vorversuch mit einer 24 MP Spiegelreflex und 100 mm Canon Makroobjektiv gemacht. Beleuchtung mit 2 Schwanenhalslichtleitern.
Allerdings noch ohne 4mm Glasscheibe.
Das Ergebnis war halbwegs ok, aber wirklich nicht berauschend.

Ich denke jetzt an ein 15mm LED Ringlicht in einer Blende, die vom Objektiv nur das Zentrum frei lässt und möglichst wenig Rückreflexe zulässt.

Hat jemand dazu eine Idee oder Erfahrung?
Ein paar Tausend könnte man investieren.
Vielen Dank und freundliche Grüße

Markus


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Jürgen Boschert

Hallo Markus,

habt Ihr wegen der Reflexe schon Versuche mit Linearpolfiltern unternommen? Das schluckt natürlich ordentlich Licht, ist aber bei Reflexen das (fast) beste Mittel.
Beste Grüße !

JB

mikromeister

Vielen Dank und freundliche Grüße

Markus


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Nochnmikroskop

Hallo Markus,

wenn ich das richtig verstehe, willst Du erst durch 4 mm Glas, dann senkecht auf die 8 mm Durchmesser des Rohres und dann in weiteren 120 mm Tiefe auf den Boden mit hoher Auflösung fotografieren?

Ich kann mir da nur koaxiales Licht durch ein Objektiv vorstellen. Bei einem Stereomikroskop gäbe es dass, auch der Arbeitsabstand könnte passend gemacht werden mit einem 0,5 oder 0,3x Vorsatzobjektiv. Ob Dir die Auflösung dann reicht kann ich schwer sagen? Kommt darauf an, was man erkennen möchte, Kratzer etc. sollte gehen bei Koaxialer Beleuchtung. Gegen Reflexe hilft da dann natürlich auch nochmals eine Polvorrichtung.

LG Frank
Meistens Auflicht, alle Themenbereiche
Zeiss Axiolab, Keyence VHX, Olympus SZX16, Canon EOS 700D, Panasonic G9, Touptek u.a.

Lupus

Hallo Markus,

ich würde einen halbdurchlässigen Spiegel 45° vor das Objektiv setzen, und seitlich mit einer LED mit möglichst geringem Abstrahlungswinkel (z.B eine 5mm-LED mit 15° Abstrahlwinkel) einstrahlen. Das kann man natürlich durch Optik weiter einengen.

Die Reflexion durch die Glasplatte kann bei senkrechtem Lichteinfall durch die Glasplatte nicht mit einem Polfilter reduziert werden (weil die polarisierende Wirkung vom Winkel abhängt), d.h. wenn die Reflexion stört müsste - falls die Rohranordnung möglich ist - schräg durch die Glasplatte fotografiert werden. Metallische Reflexionen kann man nicht durch Polfilter am Objektiv beseitigen - außer wenn das Licht selbst polarisiert ist durch Vorsetzen eines Filters vor die Lampe. Wenn die Stirnseite und damit das zu fotografierende Objekt auch aus Metall ist dürfte das relativ wenig bringen.

Die Blendeneinstellung des Objektives ist natürlich kritisch, zu klein reduziert die Auflösung. Und diese Konstellation mit 100mm-Objektiv wird fast nur Blende 16 ermöglichen.
 
Hubert


Jürgen Boschert

Hallo Markus,

mir sind gerade erst noch einmal die Dimensionen bewusst geworden und da habe ich einfach mal ein bisschen gerechnet: Selbst unter optimalen Bedingungen kann man bei den gegebenen Öffnungsverhältnissen (mm Basis, 120 mm Höhe) ein maximale NA von ca. 0,03 erreichen. Das entspricht etwa der halben Apertur eines Mikroskop-Planobjektivs 2-fach. Habe daher einmal die Daten eines Mitutoyo LD Planapochromaten 2x nachgesehen: Unendlich korrigiert, nominaler Arbeitsabstand 34mm (!), NA 0,055. Dann bräuchte man dafür aber auch einen Auflichtkondensor. Nach dem Motto: ein Bild gibt's immer, könnte man versuchen so ein Objektiv dann auf 120mm Abstand zu fokussieren, hab keine Ahnung, wie sehr das dann die Abbildungsqualität beeinträchtigt.

Eine weitere Option sehe ich tatsächlich in der Benutzung eines OP-Mikroskopes mit koaxialer Beleuchtung; kämst Du an sowas dran, um es zu testen?

Wenn das Glasfenster nicht wäre, wäre das natürlich ein typisches Einsatzgebiet für ein sog Burr Scope, also letztlich ein Endoskop.
Beste Grüße !

JB

mikromeister

Ich habe ein altes Zeiss Opmi 1 mit dem ich's versucht habe.
Das geht schon, aber die Qualität ist echt bescheiden wegen der vielen Reflexe.
Hier war das Makroobjektiv mit zwei seitlichen Leuchten besser.

Eine Glasplatte unterm Opmi hat bei 90° schreckliche REflexionen gegeben, bei leicht gekippter Platte gings aber und sollte doch nur einen seitlichen Versatz des Bildes erzeugen oder?

Das Makroobjektiv war übrigens auf Blende 8 gestellt.
Canon EF100mm f/2.8L Macro IS USM
Vielen Dank und freundliche Grüße

Markus


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Lupus

Hallo Markus,

Zitatbei leicht gekippter Platte gings aber und sollte doch nur einen seitlichen Versatz des Bildes erzeugen oder?
das hängt von der Dicke und Qualität der Platte ab. Kann man keine entspiegelte Platte verwenden?
ZitatDas Makroobjektiv war übrigens auf Blende 8 gestellt.
Mit welchem Abbildungsmaßstab hast Du gearbeitet? Blende 8 kann ich mir bei einem entsprechend großem Abbildungsmaßstab, bei dem man in den Bereich von 5µm/Pixel kommt, nicht als praktikabel vorstellen. Da können Reflexe von der Rohröffnung das Bild stören.

Hubert



Kurt Wirz

Hallo Markus

Ich hoffe, ich habe deine Frage richtig verstanden.
Du fertigst ein Bild, dann verschiebst du die Lichtquelle so, dass der Reflex an einer anderen Stelle ist und machst noch einmal ein Bild.
Dann setzt du die beiden Bilder zusammen jeweilen so, dass du von jedem Bild den Bereich verwendest, der ohne Reflexe ist.

Um es schneller zu machen, platzierst du gleiche Lichtquellen an unterschiedlichen Orten und schaltest zwischen den beiden Bilden von der einen zur anderen Lichtquelle um.

Kurt

Lupus

Hallo Markus,

zur Ergänzung:

Eine 4 mm geneigte Glasplatte hat bei diesem engen Strahlenbündel noch keine kritische Wirkung (falls die Platte gute optische Qualität hat).

Ein Problem ist, dass man für ausreichende Auflösung eine möglichst große effektive Blende verwenden muss. Andererseits ist die maximale Objektivöffnung auf etwa den Innendurchmesser des Rohres beschränkt, da dieser sowieso durch das Rohr abgeblendet wird, und außerdem der hell beleuchtete Rand des Rohres abgeblendet werden muss da er sonst als störendes Geisterbild im Bild überlagert wird.

Dazu kommt das Problem, dass bei Makroaufnahmen durch die lange Bildweite die effektive Blende drastisch reduziert wird und damit wieder das Auflösungsvermögen. Daher müsste bei dieser Konstellation die Objektivbrennweite möglichst kurz sein. Ich habe zum Vergleich (falls ich den Aufbau richtig verstanden habe) das Ganze mit f=100 mm (etwa Dein Objektiv) und mit f=50 mm durchgerechnet. Man sieht rechts in der Grafik einen vom Objektiv erzeugten Bildpunkt, dazu jeweils als roten Kreis näherungsweise den Durchmesser der Beugungsunschärfe dargestellt. Der Vorteil kurzer Brennweiten ist klar erkennbar.

Dadurch entsteht das nächste Problem, dass man keine Kamera mit großen Pixeln verwenden kann, wie z.B. typische APS-C Sensoren, denn das Objekt wird hier zwangsläufig verkleinert. Also wäre eine Kamera mit kleinem Pixelabstand von z.B. 1-2 µm erforderlich.

Vergleich Objektivbrennweiten.jpg

Einen Schnelltest mit einem zufällig passenden Messingröhrchen zeigen die folgenden Bilder mit einer MFT-Kamera, f=30 mm, allerdings ohne notwendige Zwischenringe für eine Makroaufnahme und damit zu kleinem Abbildungsmaßstab. D.h. mit geringer Auflösung durch die Sensorpixel. Das rechte Bild zeigt den Versuch mit einer 5 mm LED knapp am oberen Rohrende zur Beleuchtung, sie ist links noch erkennbar (die gelbe Farbe kommt vom Messing). Durch die Wandreflexionen wird auch der Rohrboden beleuchtet. Links eine andere Aufnahme mit offenem Boden über einem Text.

Rohr innen.jpg

Eine LED mit engem Abstrahlwinkel von 15° wäre hier aber deutlich besser. Das Rohr war provisorisch mit einem gerade passenden Rundholzrest verschlossen um Bodenstrukturen zu testen. Bei etwa 10-15° Glasscheibenwinkel und LED auf der angehobenen Seite sollten sich kritische Reflexe vermeiden lassen.

Rohrverschluss LED.jpg

Hubert

mikromeister

#10
Vielen Dank für diese vielen guten Informationen.
Dein Versuch Lupus ist eindrücklich.

Was ich nicht verstanden habe ist die Länge des Versuchsröhrchens und der Abstand. Wir brauchen etwa 30mm zwischen Objektiv und Röhrchen für die Glasscheibe und Beleuchtung und dann nochmal 120mm für die Rohrlänge bis zum Boden.
Geht das mit einem f=30mm Objektiv überhaupt?

Wie war beim Versuch die Fokussierung? Schafft das der Autofokus? Ich kann das Röhrchen zwar etwa auf 0,5mm genau positionieren und dann am Livebild checken, aber das wird nicht reichen für eine fixe Fokuseinstellung.
Jedes Bild händisch fokussieren ist auch sehr unpraktisch.
Vielen Dank und freundliche Grüße

Markus


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Lupus

Hallo Markus,

ZitatWas ich nicht verstanden habe ist die Länge des Versuchsröhrchens und der Abstand
ich habe für diesen Test ein vorhandenes Messingröhrchen mit 8 mm Innendurchmesser und 130 mm Länge verwendet.
Dieses ganz normale f=30mm Objektiv hat ohne Balgen oder Zwischenringe nur einen min. Abstand von etwa 210 mm zum Scharfstellen, also war der vordere Rand des Röhrchens etwa 80 mm vom Objektiv entfernt.

ZitatGeht das mit einem f=30mm Objektiv überhaupt
Das ist nur eine Frage des Abbildungsmaßstabes. Natürlich wird das Objekt immer dann verkleinert auf dem Sensor abgebildet, wenn (etwas sehr vereinfacht gesagt) der Objektabstand zum Objektiv mehr als der doppelten Brennweite entspricht (für Objektabstand = 2f wäre der Abbildungsmaßstab 1:1). Für spezielle Makroobjektive mit komplexer Innenfokussierung kann man das natürlich nicht so einfach abschätzen. Das Ganze ist eine Abwägungsfrage, da bei zu starker Bildverkleinerung die effektive Bildauflösung sinkt weil die Pixelgröße der Kamera zu groß wird um das kleine Bild noch aufzulösen.

Durch die Vorgaben der Rohröffnung und Rohrlänge ist die max. Bildauflösung sowieso vorgegeben (NA=0.033), da führt kein Weg vorbei.

ZitatWie war beim Versuch die Fokussierung? Schafft das der Autofokus?
Ich habe manuell fokussiert, man kann dann auch vorher ohne Rohr an einem Testobjekt fokussieren. Wenn die Abstände sich nicht verändern muss man doch nicht umfokussieren. Ob hier Autofokus funktioniert dürfte von der Kamera und vor allen Dingen vom Objektkontrast abhängen.

Hubert

Nochnmikroskop

Hallo,

Das wäre doch ein typischer Anwendungsfall für ein Endoskop.
Kann man nicht die Glasscheibe weg lassen, oder für ein Endoskop durchbohren?

LG Frank
Meistens Auflicht, alle Themenbereiche
Zeiss Axiolab, Keyence VHX, Olympus SZX16, Canon EOS 700D, Panasonic G9, Touptek u.a.

Nochnmikroskop


Zitat von: Lupus in April 29, 2024, 13:21:04 NACHMITTAGSDurch die Vorgaben der Rohröffnung und Rohrlänge ist die max. Bildauflösung sowieso vorgegeben (NA=0.033), da führt kein Weg vorbei.
Hallo Hubert,

Kannst Du mir bitte die Formel nennen, wonach Du die max. mögliche NA berechnet hast?

LG Frank

PS: gerne per PN um den Faden nicht in die Länge zu ziehen
Meistens Auflicht, alle Themenbereiche
Zeiss Axiolab, Keyence VHX, Olympus SZX16, Canon EOS 700D, Panasonic G9, Touptek u.a.

TStein

Hallo Markus, hallo in die Runde,

na ich würde es mal mit einem klassischem telezentrischen Messobjektiv versuchen.
Bspw. hier: https://www.vision-control.com/produkte/artikeldetails/TOB42-11.0-165-V-WN
Kostet natürlich ein paar Kröten, aber man kann sich das Ding auch mit Beleuchtung zusammenstellen lassen.
Hat halt durch die Telezentrie den Vorteil, dass man die Innenseite des Rohrs garnicht sieht (und vermutlich auch nicht die Reflexionen). Speziell dieses hätte einen Abbildungsmaßstab von 0.26, was bei 2.5µm Pixeln, 10µm reine Pixelauflösung bedeuten würde. Optisch wirds aber, wie Hubert schon vorgerechnet hat, nicht besser als mit einer entsprechenden 0,03 Apertur.
Man kann bei diesem Objektiv die Blende einstellen, womit man die Telezentrie und die Tiefenschärfe regeln kann. Bei einer maximalen F-Zahl von 6, sollte der beugungsbegrenzte Spot im Bild dann auch in etwa in dieser Größenordnung in µm sein. Also als optische Auflösung wären das dann wohl bestenfalls so um die 20µm, was in etwa auch für eine NA=0,033 hinreichen sollte.   

Lg Tino