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Foren => Mikrofoto-Forum => Thema gestartet von: Masterdark in Juli 19, 2019, 10:36:38 VORMITTAG

Titel: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Masterdark in Juli 19, 2019, 10:36:38 VORMITTAG
Hallo zusammen,

anbei zwei Flügelbilder von einer Goldfliege.

Kann mir jemand sagen welche Aufgabe die auf dem gesamten Flügel vorhandenen kleinen Härchen/Borsten haben. Diese
befinden sich auf der Ober- als auch auf der Unterseite.
Sollen sie evtl. die Strömung am Flügel verbessern ?


Grüße,
Dirk
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Klaus Herrmann in Juli 19, 2019, 11:36:53 VORMITTAG
Hallo Dirk,

schöne Aufnahmen. Frage gestackt?

ZitatSollen sie evtl. die Strömung am Flügel verbessern ?

ja so ist die Lehrmeinung. Haifische haben auf der Haut auch solche Oberfläche, die für Mikrowirbel sorgen sollen um den Strömungswiderstand zu reduzieren.

https://www.planet-wissen.de/natur/forschung/bionik/pwiefunktionenderhaut100.html

Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Masterdark in Juli 19, 2019, 11:46:32 VORMITTAG
Hallo Klaus,

die Bilder sind aus 40 und 50 Fotos mit Helicon Focus gestackt.


Grüße,
Dirk
Titel: Goldfliege?
Beitrag von: Lungu in Juli 19, 2019, 21:51:44 NACHMITTAGS
Ich wurde mal im Krankenhaus mit Maden der Goldfliege behandelt. Die Maden sollen aus den Wunden den Eiter fressen. Aber bevor sie schlüpfen werden sie abgetötet.
 
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: cabo in Juli 19, 2019, 22:00:05 NACHMITTAGS
Das sind auf jeden Fall sehr gute Ergebnisse.

Wie fotografiert man denn so einen Flügel? Trocken und ohne Deckglas?

Gruß

Christian
Titel: Re: Goldfliege?
Beitrag von: Masterdark in Juli 20, 2019, 07:38:43 VORMITTAG
Zitat von: Lungu in Juli 19, 2019, 21:51:44 NACHMITTAGS
Ich wurde mal im Krankenhaus mit Maden der Goldfliege behandelt. Die Maden sollen aus den Wunden den Eiter fressen. Aber bevor sie schlüpfen werden sie abgetötet.


Interessant, noch nie davon gehört.


Grüße,
Dirk
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Masterdark in Juli 20, 2019, 07:52:11 VORMITTAG
Zitat von: cabo in Juli 19, 2019, 22:00:05 NACHMITTAGS
Wie fotografiert man denn so einen Flügel? Trocken und ohne Deckglas?

Hallo Christian,

ich habe den Flügel völlig unbehandelt einfach mit Euparal eingedeckt.
Ob das das ideal Vorgehen ist und wie haltbar das sein wird, keine Ahnung.
Evtl. liest ja hier jemand mit und kann etwas zum korrekten Eindecken/Vorbehandeln sagen.

Die Aufnahmen selber wurden mit einer EOS77D + Kenko 1.4x MC4 Konverter und Zeiss Plan APO 10x/0,45 am Axiophot gemacht.
Beleuchtung war einfaches Durchlicht.

Gestackt wie schon gesagt mit Helicon Focus. Danach etwas Bildbearbeitung (Gradationskurven, Kontrast, Schärfe) in PS.


Grüße,
Dirk

Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Klaus Herrmann in Juli 20, 2019, 11:43:26 VORMITTAG
Hallo Dirk,

dann hast du ein gutes Händchen beim Eindecken gehabt. Die Flügel ohne Blasen in Euparal einzudecken ist eine beachtliche Leistung.

Na ja und mit der Ausrüstung! ;) :)
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Dünnschliffbohrer in Juli 20, 2019, 17:13:49 NACHMITTAGS
ZitatIch wurde mal im Krankenhaus mit Maden der Goldfliege behandelt. Die Maden sollen aus den Wunden den Eiter fressen. Aber bevor sie schlüpfen werden sie abgetötet.

ZitatInteressant, noch nie davon gehört.

Das ist eine durchaus anerkannte Behandlungsmethode, die sogar an Universitätskliniken (https://www.uke.de/kliniken-institute/kliniken/dermatologie-und-venerologie/behandlungsangebot/index.html) (oder hier (http://www2.medizin.uni-greifswald.de/haut/fileadmin/user_upload/dokumente/K_PK_Hautkrankheiten.pdf) und hier (https://de.wikipedia.org/wiki/Madentherapie)) ausgeübt wird. Wie uns damals im Studium ein auf Zikaden spezialisierter Prof. im Insekten-Kurs sagte, geht diese Behandlungsmethode auf Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg zurück, wo man sich bei schwer heilenden Wunden nicht mehr anders helfen konnte. Da nur bestimmte Arten geeignet sind, nämlich diejenigen die nur nekotisches Gewebe fressen, und man deshalb tunlichst Arten, die auch in das lebende Gewebe gehen, fernhalten möchte, soll die Bestimmungen und Zucht der gewünschten Arten ein wichtiges Tätigkeitsfeld für Entomologen gewesen sein.
Mir persönlich sind die Goldfliegen allerdings schon zweimal auf andere Art und Weise sehr unangenehm aufgefallen: eine (https://de.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%B6tengoldfliege?veaction=edit) oder einige Arten haben sich darauf spezialisiert, Kröten bei lebendigem Leibe die Innereien, besondere des Kopfes auf zu fressen. Es ist ein äußerst ekliger und verstörender Anblick, wenn man im Wald so eine noch lebende Krötenleiche findet, bei denen Augen und Nasenöffnungen (auch wohl das Gehirn) schon völlig ausgefressen sind. Die beiden armen befallenen Tiere die mir bisher begegnet sind, hatte ich dann doch schweren Herzens mit einem Stein erlöst, um die Weiterverbreitung des Schmarotzer wenigstens etwas einzudämmen.
Abschließend noch zu der Flügelbehaarung: ich dachte bisher, dass die Haare Sinnesorgane sind, die aber durchaus durch mechanische Auslenkung durch die Strömung – unter anderem an den Flügeln – kontrollieren können. Entomologen hier im Forum noch gezielt dazu äußern. Wir hatten dieses Thema jedenfalls in der Vergangenheit schon gehabt.
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Lungu in Juli 21, 2019, 21:18:45 NACHMITTAGS
Zitat von: Dünnschliffbohrer in Juli 20, 2019, 17:13:49 NACHMITTAGS
Das ist eine durchaus anerkannte Behandlungsmethode,

Es mag eine anerkannte Behandlungsmethode sein, eine exotische Behandlungsmethode ist es trotzdem. Jedenfalls kamen laufend Besucher, die so etwas noch nie gesehen hatten.
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: A. Büschlen in Juli 21, 2019, 21:44:49 NACHMITTAGS
Hallo Dünnschliffbohrer

du schreibst:

ZitatMir persönlich sind die Goldfliegen allerdings schon zweimal auf andere Art und Weise sehr unangenehm aufgefallen: eine oder einige Arten haben sich darauf spezialisiert, Kröten bei lebendigem Leibe die Innereien, besondere des Kopfes auf zu fressen. Es ist ein äußerst ekliger und verstörender Anblick, wenn man im Wald so eine noch lebende Krötenleiche findet, bei denen Augen und Nasenöffnungen (auch wohl das Gehirn) schon völlig ausgefressen sind. Die beiden armen befallenen Tiere die mir bisher begegnet sind, hatte ich dann doch schweren Herzens mit einem Stein erlöst, um die Weiterverbreitung des Schmarotzer wenigstens etwas einzudämmen.

Nicht die Goldfliegen fressen an Kröten, sondern deren Larven.

Arnold Büschlen
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Dünnschliffbohrer in Juli 21, 2019, 22:56:18 NACHMITTAGS
ZitatNicht die Goldfliegen fressen an Kröten, sondern deren Larven.

Hallo Arnold,
das habe ich als selbstverständlich vorausgesetzt. Gemeint war das Taxon, nicht das Entwicklungstadium. Die Imagines sitzen ja oft auf Blüten und haben kaum geeignete Mundwerkzeuge für dieses Schädlingswerk. Und man kennt es ja von anderen Fliegenmaden, z.B. Dasselfliegen...
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Alfons Renz in Juli 21, 2019, 23:26:32 NACHMITTAGS
Hallo,

Zum Verständnis:

Die an Kröten als Larve parasitierende Lucilia ist die 'bufonivora', die 'Krötenfressende': https://de.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%B6tengoldfliege (https://de.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%B6tengoldfliege)

Die zur Wundbehandlung Verwendbare heisst Lucilia sericata, die Goldfliege. https://de.wikipedia.org/wiki/Goldfliege (https://de.wikipedia.org/wiki/Goldfliege)

Die Beobachtung, dass Wunden von tagelang unbehandelt auf den Schlachtfeldern liegenden Soldaten besser heilten als die von Feldchirurgen Versorgten, ist wohl sehr früh gemacht wurden und wurde m.W. schon in den Napoleonischen Kriegen auch therapeutisch eingesetzt. Mit der Einführung der Desinfektion (Karbol) und antibiotischen Versorgung geriet diese Methode in Vergessenheit - in Tübingen etwa reduzierte sich die postoperative Sterblichkeit in der Chirurgie von ca. 30 % auf unter 5 %.

Vor circa 20 Jahren haben dann drei Hohenheimer Studentinnen von Frau Prof. Frank diese Methode wieder aufgegriffen und zur Praxisreife entwickelt. Als junge Firmengründerinnen errangen sie einiges Aufsehen und Preise. Das Problem war schließlich die Zulassung: Dazu musste eine sterile Zucht garantiert werden und die Larven in einer Art 'Teebeutel' zur sofortigen Verwendung (und Entsorgung) konfektioniert werden. Das ging nur mit Hilfe externer Expertise (und Finanzierung), so dass am Ende keine der drei Jungunternehmerinnen  mehr an der weiteren Entwicklung und eventuellen Kommerzialisierung beteiligt war.

Der therapeutische Erfolg der Madentherapie war dabei immer unbestritten.

Mit madenfreien Mikrogrüßen,

Alfons


Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Lupus in Juli 22, 2019, 13:37:17 NACHMITTAGS
Hallo,

zurück zur Frage Flügelbehaarung: Ich habe mich früher intensiver mit der Aerodynamik beschäftigt, u.a. mit dem Schlagflügelflug (z.B. Vogelflug). Ich habe keine Nachweise gefunden, dass beim Insektenflug die Haare eine Widerstandsverringerung erzeugen. Es geht im Gegensatz zu dem oben genannten Beispiel der Haihaut, wo unbedingt eine Strömungsablösung am Fischkörper zur Widerstandsminimierung verhindert werden soll, beim Insektenflug um sehr instationäre Strömungsprozesse mit extremer Wirbelbildung an der Flügelvorderkante. Die dort oft vorhandene Zackung dürfte daher eher dem Fliegen dienen. Ich glaube nicht dass die feinen Haare auf der Oberfläche dann noch eine wesentliche Wirkung haben, ganz ausschließen würde ich es nicht.
Bekannt und lebenswichtig ist aber der durch die Haare bewirkte "Lotuseffekt". Die Flügel werden hydrophob, sind dadurch selbstreinigend und verhindern eine flugschädliche Benetzung bei Regen und Feuchtigkeit. Möglicherweise ist das der Hauptgrund.

Hubert
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Jürgen H. in Juli 22, 2019, 15:11:16 NACHMITTAGS
Hallo Hubert,

das Buch Flying Insects and Robots Dario Floreano, Jean-Christophe Zufferey, Mandyam V. Srinivasan · 2009 ·geht davon aus, dass die Mikrostrukturen auf den Flügeln Mikroturbulenzen erzeugen, so dass sich dort eine hauchdünne Luftturbulenzschicht ergibt, die den Flügel ,, glatter ,, macht, als er ohne die Mikrostrukturen wäre. Auf diese Weise würden Strömungsabrisse verhindert, die ohne die Mikrostrukturen vorkommen würden.

Interessant ist, dass die feinen  Härchen auf den Flügeln keineswegs uniform gerichtet sind. Schaut man sich das schöne Flügelbild von Dirk genau an, erkennt man, dass durch das Stacken Härchenvon der Ober- und Unterseite des Flügels abgebildet sind, die in der Ausrichtung einen kleineren Winkel zueinander bilden. Bei einer eigenen Untersuchung vor Jahren habe ich auch festgestellt, dass die Ausrichtung der Härchen zwar innerhalb eines Feldes zwischen den Flügeladern gleichförmig ist, sie aber von Feld zu Feld unterschiedlich sein kann.


Schöne Grüße

Jürgen
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Lupus in Juli 22, 2019, 16:26:37 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

dass diese Mikrostrukturen auch positive Auswirkungen auf die Grenzschichtströmung an der Flügeloberfläche haben können würde ich nie bestreiten. Aber gerade wenn man sich eine relativ aktuelle Untersuchung mit numerischr Strömungssimulation bei Hummeln ansieht (Bumblebee Flight in Heavy Turbulence in Phys.Rev.Lett. 2016) wird klar, dass die Auftriebserzeugung bei kleinen Insekten wenig mit der klassischen Auftriebstheorie zu tun hat, und man Erkenntnisse aus anderen verwandten Bereichen nicht 1:1 übertragen darf. Ich habe bisher jedenfalls noch keine experimentelle Quantifizierung der Wirkung speziell beim Insektenflug gefunden. Andererseits klingt das Argument über die hydrophobe Schutzwirkung der Strukturen auch evolutionsbiologisch für mich durchaus plausibel (siehe Buch Bioströmungsmechanik von Herbert Oertel oder Bionik von Werner Nachtigall).

Hubert
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Jürgen H. in Juli 23, 2019, 12:25:58 NACHMITTAGS
Lieber Hubert, herzlichen Dank für den Hinweis auf den schönen Artikel! Unglaublich wie präzise man das Flugverhalten des - angeleinten - Insekts bei Turbulenzen verfolgen kann. Und selbstverständlich hast Du Recht mit dem Hinweis, das bei den Größenordnungen von Insekten. - niedrige Reynoldszahlen - besondere Bedingungen herrschen.

Und schau einmal, was hier Forscher zu den von Dir herausgestellten hydrophoben Effekten der Härchen auf den Flügeln herausgefunden haben, wie sie insbesondere den in den unterschiedlichen Richtungsverlauf in den Feldern zwischen den Flügeladern erklären:

http://europepmc.org/articles/PMC4596840 (http://europepmc.org/articles/PMC4596840)

Schöne Grüße

Jürgen
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Lupus in Juli 23, 2019, 13:27:40 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

vielen Dank für den Link! Ich hätte jetzt nicht gedacht dass es speziell für dieses exotische Thema eine so ausführliche Untersuchung gibt. Und Respekt - dass Du sie so zielsicher gefunden hast.  ;)

Hubert
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Lupus in Juli 23, 2019, 14:21:11 NACHMITTAGS
Hallo,

noch zur Ergänzung für diejenigen, die keinen Zugriff auf den Artikel über den Hummelflug haben, hier eine Strömungsvisualisierung der Autoren als Film:
https://gfm.aps.org/meetings/dfd-2017/59bb9bc5b8ac316d38841f87   (https://gfm.aps.org/meetings/dfd-2017/59bb9bc5b8ac316d38841f87)

Hubert

P.S. Für die eher musikalisch als wissenschaftlich orientierten Leser gibts den Hummelflug auch zum Anhören.  :D :D
https://youtu.be/M93qXQWaBdE  (https://youtu.be/M93qXQWaBdE)
Titel: Re: Flügel Goldfliege
Beitrag von: Jürgen H. in Juli 23, 2019, 16:13:55 NACHMITTAGS
Zitatzielsicher gefunden

Naja, nachdem ich zuvor oben die feinen Härchen auf den Flügeln völlig verkehrt als Setae bezeichnet hatte (ist abgeändert), kam mir die Erinnerung bei, dass mit diesem Begriff nur echte Haare bezeichnet werden. Mit dem richtigen Begriff
microtrichia fand ich dann auch diesen schönen Artikel. Und ärgerte mich, dass ich vor Jahr und Tag auf die eigentlich simple und einleuchtende Erklärung nicht gekommen bin, die der Artikel bietet, als ich den Flügel einer Stelzmücke zwischen hatte und die Richtung der feinen Härchen so festgehalten hatte: 

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures010/253214_41962596.jpg) (https://www.imagebanana.com/s/1491/t92erKOI.html)

Was den Hummelflug angeht, gibt es auch schöne Bearbeitungen für Bläser, z.B.  Basstuba, Posaune Horn oder Trompete. Hier ist eine davon, dort ist die Hummel ziemlich flott unterwegs, kämpft vielleicht auch mit einigen turbulenten Luftströmungen...


https://www.youtube.com/watch?v=USb41jLx410 (https://www.youtube.com/watch?v=USb41jLx410)

Schöne Grüße

Jürgen