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Ketzerische Frage

Begonnen von toddy, April 06, 2010, 18:26:39 NACHMITTAGS

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toddy

Hallo,
beim Aufräumen des Kellers fiel mein Blick auf meine alte Dunkelkammer-Ausrüstung, von der ich mich eigentlich schon seit Jahren trennen wollte. U.a. ein Durst Vergrößerer mit Farbmischkopf. Hat, glaube ich, 100 Watt Halogen. Blieb nicht aus, dass ich mir die Frage stellte, ob schon mal jemand einen Mischkopf zur Lichteinspeisung verwendet hat.

So eine Anordnung sollte doch einige Effekte an den Grenzflächen oder -kanten kontrastarmer Objekte zeigen, wenn man die Lichtfarbe quasi nanometerweise durchstimmen kann - ähnlich wie bei einem Monochromator, wenn man die verbauten Subtraktiv-Filter motorisch per Software steuerte. Einfaches Farbkompensieren oder Einstellen jeder beliebigen Lichtfarbe wäre ganz ohne Aufwand möglich. Damit theoretisch auch diejenige von Objekten, Hintergrund oder Umgebung, um sie zu forcieren, wenn Licht- u. Objektfarbe korrespondieren und abzuschwächen oder löschen, wenn die jeweilige Komplementärfarbe gewählt wird. Und im  Bereich dieser "Resonanzfrequenzen", wenn ich sie so nennen darf, würde ich eigentlich bei allen Kontrastverfahren irgendetwas erwarten.

Gab oder gibt es das? Bei den Tricks und Finessen, die beim Mikroskopieren zur Anwendung kommen, würde es mich wundern, wenn nicht.
Oder verbietet sich ein Einspeisen farbigen Lichtes in ein Mikroskop aus physikalischen Gründen? Gibt es andere Gründe, mich vom Schlachten meines Durst-Vergrößerers abzuhalten - sobald ich ein Mik im Haus habe?

Freundliche Grüße (und bitte bloß nicht alles zu ernst nehmen)
Detlef

Detlef Kramer

Hallo Namensvetter,

abwegig ist Deine Idee keineswegs. Normalerweise nimmt man im Beleuchtungsstrahlengang Filter einer definierten Farbe, denn viel braucht es nicht: Blau für höhere Auflösung, grün für hohen Kontrast beim PH, mehr fällt mir im Moment nicht ein. aber warum nicht mit einem kontinuierlichen Filterschieber? Probier es halt aus; den Farbvergrößerer wirst Du ja kaum noch verwenden können.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Klaus Herrmann

Hallo Vielfarbige,

sowohl von Zeiss als auch Leitz und sicher auch anderen gab es Monochromatoren - ein sicher 30 cm langer Filterschieber, der auf die Leuchtfeldblende gesetzt werden konnte und eine kontinuierliche "Durchstimmung" der Wellenlänge des Beleuchtungslichtes ermöglichte.

Ich hatte letztes Jahr hier einen gezeigt, den mir Alfons Renz geliehen hatte um die Funktion des Halters zu demonstrieren.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Peter V.

Hallo Detlef,

wie ich vorhin schon schrieb: Versuch macht kluch - auch ohne Anzuch!
Im Ernst: Warum sollte das nicht gehen? Eine Lichtquelle muss ihr Licht in den Beleuchtungsstrahlengang "schicken". Ob das einer Kerze ist oder eine Glühlampe, eine Halogenlampe, LED oder HBO-Brenner, ist primär gleichgültig. Und wenn in der Vergrößerer eine 100 Watt-Lampe sitzt und die Farbe noch variierbar ist - warum sollte das nicht gehen? Solange du es irgendwie mechanisch angekoppelt bekommst.

Herzliche Grüße
Peter

Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

toddy

Hallo,
wie Klaus sagt, gab es das schon. Dann wird an Effekten nichts mehr zu entdecken sein...darauf würde ich mich angesichts der Experimentierfreude im Eurem Kreis schon verlassen. Außer, es wäre anders. Ein Monochromator als Filterschieber? Kontinuierlich wirkend? Schwer vorstellbar...ich hatte mal einen Prismen-M. mit Quarzprisma  von Zeiss sowie einen Gitter-M. von Bausch & Lomb - die glitten kontinuierlich über das Spektrum, bis 1/10nm genau. Aber ein Schieber...hab nichts gefunden, außer Schiebern, die eine Reihe von Festwertfilten aufnehmen können. Meinst Du vielleicht solche, Klaus?

Freundliche Grüße,
Detlef

Jürgen Boschert

Hallo Detlef,

diese Schieber gab / gibt es wohl, nennen sich Verlaufsfiltermonochromatoren. Habeselbst mal einen gehabt mit Delaminationen. Die hab ich versucht zu reparieren - jetzt habe ich zwei saubere, rechteckige Plangläser  :'(.

Hier 2 Links:

http://www.science-info.net/docs/zeiss/Continuous-Filter-Monochromator-Bulletin.pdf
http://www.science-info.net/docs/zeiss/Zeiss_Instruments_For_Polarizing_Microscopy.pdf (vorsicht ~ 25 MB; der Filter wird auf S. 59 beschrieben).

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

Klaus Herrmann

Hallo Detlef,

nein ich bin noch nicht verwirrt: Es ist der Verlaufsfilter-Monochomator, der in der Spaltbreite natürlich nicht die engen Toleranzen hat, wie ein Gitter-Monochromator, aber doch schon ganz passabel und teuer war. Keine Ahnung, ob die heute noch gebaut werden.

Zitataußer Schiebern, die eine Reihe von Festwertfilten aufnehmen können. Meinst Du vielleicht solche, Klaus?

Einzelfilter zum Einlegen in Filterhalter speziell für Fluoreszenz als Anregungs und Sperrfilter habe ich sehr viele, die haben aber genau spezifizierte Festwerte.


Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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toddy

Danke an alle, und sorry Klaus! Da war ich voreilig. Auf einen Verlauffilter hätte ich selber kommen müssen - und wäre dann auch fündig geworden. Ich werde mir merken, dass jeder hier genau weiß, was er sagt. :-) Mir gefällt übrigens das überaus angenehme Klima hier.

Das ist ja ein interessantes Ding. Sieht aus wie ein Interferrenzfilter; dann wäre es sogar ziemlich steil und genau. Bei der als minimal angegebenen Breite von 1mm für den Blendenspalt dürfte man so auf 10nm Bandbreite kommen? Aber für welche Verfahren ist das Filter gedacht? Wenn das Filter von Schott ist, was ich vermute (gab damals in der Vakuumtechnik nur Balzers in Liechtenstein als Konkurrenz) war das Substrat seinerzeit meistens Tempax und erträgt bis über 400°. Aber selbst bei extremer Bündelung kriegt man ja durch den Spalt nicht viel Licht ins System... Das lässt noch etwas Spielraum (im Wortsinne) für den Farbmischkopf. Werde später mal ein wenig damit spielen...warte ansonsten auf meine "Einweihung"...

Freundliche Grüße,
Detlef 

olaf.med

Hallo Detlef,

Veril-Verlaufsfilter gibt es immer noch, und sie werden in der Mikroskopie zu speziellen Zwecken benutzt, z.B. bie der Bestimmung von Brechungsindizes nach der Lambda-T-Variatioinsmethode (siehe http://homepage.rub.de/Olaf.medenbach/ unter Downloads: Messung von Brechungsindizes). Zu beziehen sind sie bei http://www.edmundoptics.de, aber schweineteuer.

Deine Idee mit dem Farbmischkopf ist sehr gut, aber nicht neu. In den 1950er Jahren gab es bereits bei Leitz das "Leifo" (Leitzphotometer), das nach diesem Prinzip arbeitete. Ganz ähnlich funktioniert auch der Beleuchtungszusatz zum Orthoplan und Ortholux II (ja, ja das eckige graue ;)).

ftp://ftp.min.rub.de/pub/Medenbach/Forum/Beleuchtungsvorsatz.jpg

Dieses Ding ist genial, frißt aber ca. 50% der eingestrahlten Lichtintensität, was bei 100W im Durchlicht aber kein Problem ist. Es besteht aus einem Lichtleiter, der spiralförmig gedreht ist (daher der Leitz-interne Name "Ringelschwänzchen"). Damit wird ein völlig homogen ausgeleuchtetes Bildfeld erzeugt, auch wenn die Lampe nicht gut zentriert ist. Vor dem Eintritt in das "Ringelschwänzchen sitzt ein Filterschieber, der mit einem x-y-Trieb fein verstellbar ist (schwarze Rändelschrauben)

ftp://ftp.min.rub.de/pub/Medenbach/Forum/Beleuchtungsvorsatz%202.jpg

Der Filterschieber ist in drei verschiedenen Positionen rastbar:
  • Leerloch mit Blende zum Dimmen ohne Änderung der Farbtemperatur
  • blauer Halbfilter zur Angleichung eines Kustlicht-Spektrums an Tageslicht
  • Rot-Blau-Grün-Filter genau wie im Farbmischkopf Deines Vergrößerers zur beliebigen Farbanpassung über die Rändelschrauben

    Komischerweise sieht man das Ding sehr selten.

    Herzliche Grüße,

    Olaf
[/list]
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

olaf.med

Hallo Detlef,

ich habe bei meiner Antwort noch etwas übersehen:

Der Verlaufsfilter liefert praktisch ein Linienspektrum, dessen Qualität von der Spaltbreite abhängt. Mit 10nm Halbwertsbreite bei 1mm Spaltbreite liegst Du sehr gut. In der Praxis ist es sogar so, daß man bei der Brechungsindexbestimmung die Brechungsindexgleichheit von Probe und Immersion noch genauer einstellen kann (+- 5nm). Der Farbmischkopf kann das natürlich niemals. Er liefert kein Linienspektrum, sondern nur ein gefiltertes kontinuierliches Spektrum, ist also für Messungen unbrauchbar. Für Kontrastierung und Farbgebung des mikroskopischen Bilds ist er dagegen bestens einsetzbar.

Gruß, Olaf
Gerne per Du!

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toddy

Hallo Olaf,
Danke für die Hinweise und die detaillierte Erklärung! Das Verlaufsfilter ist mir jetzt auch hinsichtlich der Anwendung soweit klar. Anders bei dem Beleuchtungsvorsatz. Der hat natürlich was,..fakultätsadäquat. Aber wie das mit dem einschiebbaren RGB-Filter funktionieren soll, ergründete ich zuerst nicht. RGB erfordert ja ein additives Mischen; wenn ich das Filter vollständig in den Strahlengang bringe, sollte gedämpftes, weißes Licht erscheinen (wie beim Graufilter). Die doppet große rote Fläche führe ich mal auf eine halbe reguläre Dichte des Rotfilters zurück. Was soll das Verstellen des Schiebers quer zum Strahlengang nun bringen, dachte ich. Und während ich hier schreibe erst, durchschaue ich die geniale Erfindung: Die außermittige Position des fokussierten Lichtstrahls bestimmt den Farbton. Das ist kaum zu übertreffen. Geiles Teil - würde die Jugend sagen. Die subtraktive Mischmethode (ist ja faktisch auch additiv, nur eben mit den Komplementärfarben) beim Vergrößerer hat dafür den Vorteil, dass bei Weiß die Filter ausgeschwenkt sind, also vornehmlich eine höhere Lichtleistung ansteht - die allerdings mit zunehmender Filterdichte abnimmt.

Vorhin habe ich meinen Vergrößerer mal aufgeschraubt...ich war entsetzt ob dieser primitiven "Optik". Das gehört aber nicht hierher. Nur, wenn sich jemand dafür interessiert, erläutere ich diese - in Sachen optische Qualität - konstruktive Missgeburt mal kurz.

Freundliche Grüße,
Detlef

Peter V.

ZitatVorhin habe ich meinen Vergrößerer mal aufgeschraubt...ich war entsetzt ob dieser primitiven "Optik". Das gehört aber nicht hierher. Nur, wenn sich jemand dafür interessiert, erläutere ich diese - in Sachen optische Qualität - konstruktive Missgeburt mal kurz.

Mich würde es interessieren....finde es auch nicht zu sehr OT.

Herzliche Grüße
Peter

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olaf.med

Hallo Detlef,

Du hast das schon richtig erkannt: das Schweineschwänzchen hat einen Durchmesser von ca. 5mm. Mit den x-y-Trieben kann man nun jede beliebige Mischung der drei Farben einfach über die Flächenanteile, die der Lichtleiter aufnimmt, einstellen. Leider aber immer mit dem ärgerlichen Intensitätsverlust - sonst hätte wohl jedes moderne Mikroskop diese genial-geile Einrichtung.

Schönen Abend, Olaf
Gerne per Du!

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