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Foren => Bestimmungshilfe => Thema gestartet von: Heiko in April 01, 2015, 19:44:42 NACHMITTAGS

Titel: Borax
Beitrag von: Heiko in April 01, 2015, 19:44:42 NACHMITTAGS
Hallo,

Natriumtetraborat Decahydrat sollte (in etwa?) dem Mineral Borax entsprechen und demnach monoklin, also zweiachsig sein.

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169333_843226.jpg) (http://www.directupload.net)

Liegen beide Achsen außerhalb des Gesichtsfeldes – des dünnen Kristalls wegen – sieht man eine solche Lemniskate. Ist das so richtig ausgedrückt?

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169333_37945174.jpg) (http://www.directupload.net)

Die zweite Figur erinnerte mich an Olafs Mimetesit-Aufnahme: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=22213.15
Nur eine zufällige Ähnlichkeit? Ursprünglich nahm ich an, Olaf zeigt eine ,,Zwillings-Interferenz-Figur". Handelt es sich hingegen um ,,normale Zweiachsigkeit" bei größerer Schichtdicke?
Ich blicke nicht durch.

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: olaf.med in April 02, 2015, 08:38:59 VORMITTAG
Lieber Heiko,

ZitatLiegen beide Achsen außerhalb des Gesichtsfeldes – des dünnen Kristalls wegen – sieht man eine solche Lemniskate.

da stimmt der kausale Zusammenhang nicht! Die Lage der Achsen (bzw. der Achsenwinkel) ist unabhängig von der Dicke. Lediglich die Zahl der Isochromaten ändert sich dabei. Die beiden Achsenbilder, die Du oben zeigst, sind von unterschiedlichen Schnittlagen, links etwa senkrecht zur stumpfen Bisektrix, rechts etwa senkrecht zur spitzen Bisektrix. So sieht die Interferenzfigur eines ca. 2 mm dicken Borax Kristalls aus (Entschuldigung, schlechte, altes Bild):

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169388_53070131.jpg)

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in April 02, 2015, 15:46:15 NACHMITTAGS
Danke, lieber Olaf.

Und bitte gerne jederzeit mehr von Deinen Hinweisen, Berichtigungen – und ,,schlechten" Fotos ...

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: olaf.med in April 03, 2015, 09:30:39 VORMITTAG
Lieber Heiko,

Borax ist eine sehr dankbare und lehrreiche Kristallart, und da Du ja gerne experimentierst rege ich einen kleinen Versuch an: aus wässriger Lösung wachsen sehr leicht größere Kristalle, die im Idealfall so aussehen

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures008/170Borax_zpszxlfispq.jpg)

Borax ist monoklin, hat also eine Spiegelebene (rosa in der Zeichnung) und eine 2-zählige Symmetrieachse (rot, gestrichelt). Dies zu erkennen kann man hervorragend an den Kristallen üben. Das perfekt zentrierte Achsenbild sieht man auf der der Symmetrieebene parallelen Fläche (blau). Am Achsenbild kann man auch direkt die monoklien Symmetrie erkennen; das können wir auch gerne diskutieren, wenn Du möchtest.

Nun hast Du zumindest bis Ostermontag Beschäftigung.

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in April 03, 2015, 11:58:16 VORMITTAG
Da hab' ich nun den Salat – Nachsitzen über die Feiertage ...

:D

Frohe Zeit,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in April 07, 2015, 00:29:18 VORMITTAG
Lieber Olaf,

Anfängerfehler: die Borax-Mutterlauge erweist sich als Schwiegermutter-Lauge, da ich die Löslichkeit unterschätzt hatte. Bitte noch etwas Geduld mit der Giftbrühe.

In der Zwischenzeit habe ich mich über einen gestörten und angenagten, nichtsdestotrotz aber hübschen Apatit hergemacht:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169769_56998592.jpg) (http://www.directupload.net)

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169769_14799822.jpg) (http://www.directupload.net)

Der Bursche ist fast einen Zentimeter dick, weshalb schon das 10er ein Bild liefert:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169769_62012249.jpg) (http://www.directupload.net)

Mit dem 16er erhöht sich die Zahl der sichtbaren Isochromaten (das 40er bringt kein Ergebnis mehr):

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169769_39087788.jpg) (http://www.directupload.net)

Hier bin ich über die Kopffläche hinaus auf eine der Pyramidenflächen (veränderte Schnittlage) gerutscht:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169769_14120029.jpg) (http://www.directupload.net)

Ist das soweit stimmig?

Viele Grüße,
Heiko

PS
Wikipedia benennt die Einachsigkeit und gibt außerdem einen sehr kleinen 2V-Winkel an. Ist kein wirklicher Widerspruch – oder?


Titel: Re: Borax
Beitrag von: olaf.med in April 07, 2015, 09:08:57 VORMITTAG
Lieber Heiko,

bei gleicher Schnittlage siehst Du auf den Pyramidenflächen ein scheinbar anders orientiertes Achsenbild, da die Lichtstrahlen an den schräg stehenden Flächen gebrochen werden. Würdest Du den Kristall in einem Flüssigkeitstrog in passender Immersion ansehen, hättest Du wieder die normale Orientierung. Eine leichte Zweiachsigkeit ist durch die bösen Spannungen im Kristall hervorgerufen. Es gibt einen schönen Lehrversuch, den man früher, als es noch vernünftige Kristalloptik-Vorlesungen gab, mit einer kleinen einfachen Presse vorführte:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169777_31421563.jpg)

Damit wurde ein Quarz-Kristall gedrückt, der prompt zweiachsig wurde.

So etwas gab es übrigens auch für Linsen aus Glas, damit man sehen konnte, wie schlechte, beim Fassen verspannte Objektive selbst doppelbrechend werden.

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/169777_4684212.jpg)

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in April 07, 2015, 10:19:18 VORMITTAG
Danke für Deine Antwort, lieber Olaf.

Den harten Quarz stellt sich der Laie ja als sehr druckresistent vor. Musste da ein eher dünnes Plättchen in die Presse?
Die so genannten Polariskope gehören wohl auch in diese ,,Ecke".

Ist die Spannung im Apatit also ,,systemimmanet" und wäre auch – wie soll ich das jetzt formulieren – im visuell ungestörten Kristall vorhanden? Oder anders herum: kann Apatit auch spannungsfrei sein?
Wie misst man eigentlich so kleine Winkel: 2V = 0,003? Und ist das ein Mittelwert, zumal es ja recht verschiedene Apatite gibt.

Neugierig gespannte Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: olaf.med in April 07, 2015, 10:40:44 VORMITTAG
Lieber Heiko,

Die Quarzplatte in der kleinen Presse ist ca. 4 mm dick. Trotz des harten Quarzes reicht schon ganz moderater Druck zur Erzeugung anomaler Zweiachsigkeit - das zeigt wie extrem empfindlich die Kristalloptik ist.

Die Wikipedia-Aussage ist an Schwachsinnigkeit kaum zu übertreffen und bestätigt wieder einmal meine Vorurteile gegen dieses Medium, wenn man wirklich ins Detail schaut! Hier steht: 2V = δ = 0,003. 2V ist der Achsenwinkel und δ (besser und international gebräuchlich Δ) die Doppelbrechung. Beides hat soviel miteinander zu tun wie die Kuh mit Stabhochsprung! Achsenwinkel lassen sich an dicken und hoch-doppelbrechenden Substanzen recht genau messsen, aber die untere Genauigkeitsgrenze liegt bei ca. ±0,1°.

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Bernhard Lebeda in April 07, 2015, 11:32:22 VORMITTAG
Zitat von: olaf.med in April 07, 2015, 10:40:44 VORMITTAG


Die Wikipedia-Aussage ist an Schwachsinnigkeit kaum zu übertreffen und bestätigt wieder einmal meine Vorurteile gegen dieses Medium, wenn man wirklich ins Detail schaut! Hier steht: 2V = δ = 0,003. 2V ist der Achsenwinkel und δ (besser und international gebräuchlich Δ) die Doppelbrechung. Beides hat soviel miteinander zu tun wie die Kuh mit Stabhochsprung!


Hallo Olaf

nu musst ich doch gleich mal nachschauen, aber das ist ja nicht zu fassen! Zumal in der Zeile darüber "einachsig negativ" als optischer Charakter attestiert wird! Selbst meinereiner würde da keinen 2V mehr erwarten.  ;)  Da hat sich aber jemand schwer verhauen, oder trainiert gerade Kühe im Stabhochsprung.  ;D

Viele Mikrogrüße

Bernhard
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in April 07, 2015, 12:33:55 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,

wunderbar erfrischend – Deine emotionalen Eruptionen, wenn es um die Wikipedia geht.  :D 

Da die Welt ist, wie sie ist – und das schließt die Enzyklopädien mit ein – sollte ,,man" die betreffende Stabhochsprung-Passage einfach einmal löschen (auch um zu sehen, was dann passiert ;D).

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in April 24, 2015, 21:49:01 NACHMITTAGS
http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Apatit

;)
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in Mai 02, 2015, 19:24:13 NACHMITTAGS
Was, lieber Olaf, brachte Dich nur auf den Gedanken, Boraxkristalle seien leicht zu züchten?

Sehr gut gingen Kupfersulfat und Alaun, wenn ich mich an meine Jugendsünden erinnere. Schwieriger waren Kochsalz und ,,Unkrautex"-Chlorat – immerhin konnte man die Kristalle ,,händisch" separieren und drehen – was sich beim Borax verbietet.

Da dieser ,,Klunker" schon etwas größer ist, generiert bereits das 16er ein Interferenzbild:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/170921_11599658.jpg) (http://www.directupload.net)

Die ,,perfekte Zentrierung", die wir uns wünschen, ist das aber noch lange nicht ...

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: olaf.med in Mai 02, 2015, 21:07:40 NACHMITTAGS
Lieber Heiko,

ZitatWas, lieber Olaf, brachte Dich nur auf den Gedanken, Boraxkristalle seien leicht zu züchten?

... komisch, bei mir ging das prima, aber vielleicht sind es auch die Jahrzehnte, die seitdem vergangen sind und alles verklärt haben.

Nun ist es aber zumindest etwas, was Dich fordert. Bin auf die weiteren Ergebnisse gespannt.

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in Mai 25, 2015, 23:58:43 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,

alle, alle – fast alle liegen falsch. Und einige Zwerglein, die sich unter die etwas größeren Klunker gemogelt haben, lassen die gewünschten Interferenzen nur erahnen:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/172051_4960368.jpg) (http://www.directupload.net)

So viel zu meiner Erfolglosigkeit.

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: olaf.med in Mai 26, 2015, 09:34:08 VORMITTAG
Lieber Heiko,

schön, dass Du mit Borax weiterhin experimentierst. Wenn Du aber schon große Klunker hast, was ich erhoffte, dann kannst Du sie doch "händisch" in die richtige Lage bringen. Das war ja auch eigentlich Sinn der Sache: ansehen > Symmetrieelemente erkennen lernen > richtig orientieren für die nachfolgende konoskopische Beobachtung.

Das Achsenbild ist ja schon sehr schön und zeigt die Dispersion des Achsenwinkels. In der Normalstellung sollte man auch die gekreuzte Dispersion sehen (sind jetzt vielleicht noch Fremdworte, aber das können wir gerne vertiefen, wenn Du möchtest).

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in Mai 26, 2015, 17:39:04 NACHMITTAGS
Und da, lieber Olaf, beißt sich das pelzige Haustier in die Schwanzwirbelsäule ...

Die großen ,,Klunker" sind so groß nämlich gar nicht, verwachsen aber leicht. Hier ein weiteres Exemplar aus dem Kindergarten, diesmal schon mittlere Gruppe:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/172113_66927325.jpg) (http://www.directupload.net)

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in Juni 11, 2015, 21:31:08 NACHMITTAGS
Nachsicht, lieber Olaf, tut wieder einmal Not.

Ein eher bescheidener Lohn des mühseligen Suchens im Borax-Kristall-Konglomerat:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/172859_47805141.jpg) (http://www.directupload.net)

Immerhin – es ist zu erahnen, wohin die Kugel rollt ...

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/172859_13853748.jpg) (http://www.directupload.net)

:D

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: olaf.med in Juni 11, 2015, 22:19:52 NACHMITTAGS
Nee, lieber Heiko, so soll's aussehen:

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/172861_31132759.jpg)

Erkennst Du den Unterschied zu Deinem Bild???

:) :) :), Olaf
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in Juni 11, 2015, 23:05:27 NACHMITTAGS
Seh' ich wohl, lieber Olaf.

Nur über das ...

(https://www.mikroskopie-forum.de/pictures004/172866_10920143.jpg) (http://www.directupload.net)

... herrscht diffuses Grau in meinem Kopf. Es hat damit zu tun, dass die beiden Teilmuster durch Drehung ineinander überführt werden – oder?

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: olaf.med in Juni 12, 2015, 09:57:34 VORMITTAG
Lieber Heiko,

wir befinden tief in der Königsdisziplin der Kristalloptik, der Dispersion der Lage der Indikatrix in monoklinen Kristallen. Die optischen Eigenschaften sind streng den Kristallsymmetrien untergeordnet.  Ein monolkliner Kristall besitzt eine Spiegelebene und eine zweizählige Achse. Bei einer Drehung um 180° um diese Achse wird der Kristall wieder in sich selbst überführt. Am Interferenzbild des Borax ist dies lehrbuchartig zu sehen, und zwar an der Farbverteilung in der Nähe der Achsenausstichpunkte (der "Augen" in diesem Achsenbild). Sie zeigt einen Farbverlauf, der bei Drehung um 180° in sich überführt werden kann, die zweizählige Achse steht also senkrecht zur Bildebene und deutet auf den Betrachter, die Bildebene ist die Spiegelebene. In Deiner ersten Version sah man eine symmetrische Verteilung bezüglich einer Spiegelebene, die in N-S Richtung senkrecht zur Bildebene orientiert ist, die zweizählige Achse liegt also in der BIldebene in E-W-Richtung.

Die erste Art der Dispersion heißt "gekreuzte Dispersion", die zweite "horizontale Dispersion". Da die zweizählige Achse parallel zur kristallographischen b-Achse verläuft und die Spiegelebene die (010)-Ebene ist, kann man aufgrund solcher optischen Phänomene die Kristalle perfekt kristallographisch orientieren.

Übrigens bin ich sicher, dass über 95% der z.Zt. lebenden Mineralogen mit solchen Beobachtungen überfordert wären, und die Tendenz geht aus biologischen Gründen steil gegen 100%, da solche Untersuchungen keinen Platz mehr in der moderne Lehre haben. Also bitte nicht verzweifeln, wenn Du nicht alles gleich auf Anhieb erkennst und verstehst. Wenn Du aber tiefer in diese Materie einsteigen möchtest, kann ich Dir die Downloads auf meiner Homepage empfehlen, und zwar das Kapitel Interferenzbilder Teil III: Dispersion und Symmetrie.

Schön, dass sich außer mir noch jemand für diese Dinge begeistert.

Herzliche Grüße,

Olaf
Titel: Re: Borax
Beitrag von: Heiko in Juni 12, 2015, 22:02:02 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,

begeistern tut die Vielfalt der Phänomene enorm – nur greift leider die Spruchweisheit ,,das Fleisch ist willig, doch der Geist ist schwach".  ;)
Du wirst – und das hoffe ich wirklich sehr – das Begeisterungsflämmchen am Lodern halten, indem Du Dich weiterhin auf alle möglichen (und unmöglichen) Fragen einlässt ...

Viele Grüße,
Heiko
Titel: Re: Borax
Beitrag von: olaf.med in Juni 13, 2015, 08:55:59 VORMITTAG
Zitatdas Begeisterungsflämmchen am Lodern halten, indem Du Dich weiterhin auf alle möglichen (und unmöglichen) Fragen einlässt ...

... aber mit dem allergrößten Vergnügen :) :) :)

Olaf